Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Has Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. kleinern Kreisen gesellschaftlichen Wirkens besorgt werden. In allen diesen Ge¬ Nicht als ob wir Menschen, einzeln oder in Staatsformen thätig, die Zu¬ Wenn wir nun auf die Virchowsche Anwendung des Wortes zurückkommen, Nun ist es bekannt, daß noch nie ein Volk gefunden worden ist, das seine Has Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. kleinern Kreisen gesellschaftlichen Wirkens besorgt werden. In allen diesen Ge¬ Nicht als ob wir Menschen, einzeln oder in Staatsformen thätig, die Zu¬ Wenn wir nun auf die Virchowsche Anwendung des Wortes zurückkommen, Nun ist es bekannt, daß noch nie ein Volk gefunden worden ist, das seine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0565" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197989"/> <fw type="header" place="top"> Has Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1665" prev="#ID_1664"> kleinern Kreisen gesellschaftlichen Wirkens besorgt werden. In allen diesen Ge¬<lb/> biete!,, im wirtschaftlichen, im rechtlichen (nach innen und außen) und im<lb/> Bildungsgebicte, hat der Staat seine regeluden und pflegenden Thätigkeiten ein¬<lb/> zusetzen, und der jedesmalige Gesamtzustand, den wir eben Kultur nennen, wird<lb/> von ihm beständig auf das Ideal bezogen, das den Organen der Staatsgewalt<lb/> vorschwebt. Und wir alle, auch die von ferne zuschauenden, machen uns Ideale<lb/> der Kultur, wenn anders wir so weit gekommen find, dem Allgemeinen unsre<lb/> Teilnahme zu widmen, und unsre Teilnahme am Staate hängt wesentlich davon<lb/> ab, ob wir ihn von denselben Idealen der Kultur erfüllt sehen, wie wir sie<lb/> hegen. Da giebt es allerdings so etwas wie Kulturkampf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1666"> Nicht als ob wir Menschen, einzeln oder in Staatsformen thätig, die Zu¬<lb/> kunft der Kultur mit mächtiger Hand regeln könnten. Da wirken so viele Fak¬<lb/> toren mit, daß uns aller Stolz vergeht. Aber wir sind doch auch ein Faktor,<lb/> und die großen Staaten erst recht. In zahlreichen Fällen können wir durch<lb/> Pflege des Besten, durch Abwehr von Schädlichkeiten unsre nationale Kultur,<lb/> ja mittelbar eine fremde, bestimmen. Ist das möglich, so erwachsen uus sofort<lb/> Pflichten der Kulturarbeit und des Kulturkampfes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1667"> Wenn wir nun auf die Virchowsche Anwendung des Wortes zurückkommen,<lb/> so handelt es sich speziell um sittlich-religiöse Ideale der Kultur, die sich in der<lb/> Gegenwart hart bekämpfen. In unserm so sehr verwickelten Leben stehen wir<lb/> alle ohne Unterschied auf zahllosen Errungenschaften der Vergangenheit, die wir<lb/> dankbar würdigen, froh, daß wir in das Wichtigste so hineinwachsen und desto<lb/> mehr Kräfte frei bekommen für das, was noch unsre besondre Aufmerksamkeit<lb/> verdient. So ist es insbesondre in unsern ethischen Ideen, die wie Gemeingut<lb/> erscheinen, obwohl in ihnen die Arbeit der ältesten und besten Völker und der<lb/> größten Menschen enthalten ist. Niemand hat irgendeine Neigung, diesen Be¬<lb/> stand sittlicher Überzeugungen aufzulösen oder abzuändern; nein, wir freuen<lb/> uns, wenn diese Überzeugungen immer mehr als zweifellose, feste Gesinnungen<lb/> die Menschen durchdringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1668" next="#ID_1669"> Nun ist es bekannt, daß noch nie ein Volk gefunden worden ist, das seine<lb/> moralischen Ideen nicht an eine höhere Welt, an die Gottheit geknüpft hätte.<lb/> Die Gottheit schien es zu sein, die die sittlichen Handlungen und viele, ja alle<lb/> wesentlichen Lebensäußerungen der ihr dienenden Gläubigen befahl, und sie<lb/> wären schwerlich eine so feste Lebensgewohnheit geworden, wenn nicht dieser<lb/> religiöse Hintergrund das Schwerste leicht gemacht hätte. Die christliche Bildung<lb/> ist von diesem Zusammenhange des Sittlichen mit der Religion ganz ebenso<lb/> ausgegangen wie andre Religionen, und die christlichen Kirchen Pflegen diesen<lb/> Zusammenhang und knüpfen die jüngste Generation der Gläubigen an die Tage<lb/> der Vorwelt und ihre göttlichen Offenbarungen um. Sie stiften so eine Wirk¬<lb/> lichkeit, in welcher der Heranwachsende „Bürgschaft für die Richtigkeit seines<lb/> Strebens, Belehrung und Trost für sein Irren findet." Das alles ist schon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0565]
Has Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.
kleinern Kreisen gesellschaftlichen Wirkens besorgt werden. In allen diesen Ge¬
biete!,, im wirtschaftlichen, im rechtlichen (nach innen und außen) und im
Bildungsgebicte, hat der Staat seine regeluden und pflegenden Thätigkeiten ein¬
zusetzen, und der jedesmalige Gesamtzustand, den wir eben Kultur nennen, wird
von ihm beständig auf das Ideal bezogen, das den Organen der Staatsgewalt
vorschwebt. Und wir alle, auch die von ferne zuschauenden, machen uns Ideale
der Kultur, wenn anders wir so weit gekommen find, dem Allgemeinen unsre
Teilnahme zu widmen, und unsre Teilnahme am Staate hängt wesentlich davon
ab, ob wir ihn von denselben Idealen der Kultur erfüllt sehen, wie wir sie
hegen. Da giebt es allerdings so etwas wie Kulturkampf.
Nicht als ob wir Menschen, einzeln oder in Staatsformen thätig, die Zu¬
kunft der Kultur mit mächtiger Hand regeln könnten. Da wirken so viele Fak¬
toren mit, daß uns aller Stolz vergeht. Aber wir sind doch auch ein Faktor,
und die großen Staaten erst recht. In zahlreichen Fällen können wir durch
Pflege des Besten, durch Abwehr von Schädlichkeiten unsre nationale Kultur,
ja mittelbar eine fremde, bestimmen. Ist das möglich, so erwachsen uus sofort
Pflichten der Kulturarbeit und des Kulturkampfes.
Wenn wir nun auf die Virchowsche Anwendung des Wortes zurückkommen,
so handelt es sich speziell um sittlich-religiöse Ideale der Kultur, die sich in der
Gegenwart hart bekämpfen. In unserm so sehr verwickelten Leben stehen wir
alle ohne Unterschied auf zahllosen Errungenschaften der Vergangenheit, die wir
dankbar würdigen, froh, daß wir in das Wichtigste so hineinwachsen und desto
mehr Kräfte frei bekommen für das, was noch unsre besondre Aufmerksamkeit
verdient. So ist es insbesondre in unsern ethischen Ideen, die wie Gemeingut
erscheinen, obwohl in ihnen die Arbeit der ältesten und besten Völker und der
größten Menschen enthalten ist. Niemand hat irgendeine Neigung, diesen Be¬
stand sittlicher Überzeugungen aufzulösen oder abzuändern; nein, wir freuen
uns, wenn diese Überzeugungen immer mehr als zweifellose, feste Gesinnungen
die Menschen durchdringen.
Nun ist es bekannt, daß noch nie ein Volk gefunden worden ist, das seine
moralischen Ideen nicht an eine höhere Welt, an die Gottheit geknüpft hätte.
Die Gottheit schien es zu sein, die die sittlichen Handlungen und viele, ja alle
wesentlichen Lebensäußerungen der ihr dienenden Gläubigen befahl, und sie
wären schwerlich eine so feste Lebensgewohnheit geworden, wenn nicht dieser
religiöse Hintergrund das Schwerste leicht gemacht hätte. Die christliche Bildung
ist von diesem Zusammenhange des Sittlichen mit der Religion ganz ebenso
ausgegangen wie andre Religionen, und die christlichen Kirchen Pflegen diesen
Zusammenhang und knüpfen die jüngste Generation der Gläubigen an die Tage
der Vorwelt und ihre göttlichen Offenbarungen um. Sie stiften so eine Wirk¬
lichkeit, in welcher der Heranwachsende „Bürgschaft für die Richtigkeit seines
Strebens, Belehrung und Trost für sein Irren findet." Das alles ist schon
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