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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Das Bleibende im kirchenpolitischen Aampfe.

Seminarlehrer. Vorausgesetzt wird dabei, daß die einklassigen Schulen sobald
als möglich verschwinden, auch mit Hilfe des Simultauschulwesens, während wir
sonst entschieden das Siumltanschulwcseu bekämpfen. Einklassige Schulen können
eben gegenwärtig, einzelne ausgezeichnete Fälle ausgenommen, das Erforderliche
schlechterdings nicht leisten. Doch wir dürfen uns auf das Einzelne hier nicht
einlassen, freuen uus aber auf diese schulpolitischen Kämpfe, die für die Zukunft
so wichtige Entscheidungen bringen werden. Wir hoffen, unsre Abgeordnete!?
werden in diesem Gebiete, sowie in Bezug auf religiöse Orden und auf Jesuiten
fest bleiben und auch in Bezug ans den kirchlichen Vcrmögenserwerb eine Be¬
stimmung finden, die wie in den Vereinigten Staaten dem Besitze zur tote"?
Hand eine Grenze setzt.

Das sind einige Einzelheiten, die sich schon jetzt der Gesetzgebung auf¬
drängen und einmal erledigt werden müssen, als einzelne Probleme des kultur¬
politischen Kampfes. Auch hier wird mir der Wechsel und die jedesmalige
Anpassung an das empfundene Bedürfnis des staatlichen Lebens als das
Charakteristische erscheinen. Es wird nur von den Umständen, wenn wir die
zusammenwirkenden jedesmaligen Faktoren so nennen, abhängen, ob in diesem
fortgehenden Prozesse die Parole "Freie Kirche im freien Staate" das leitende
Prinzip wird, was wir nach so langem Bestände von großen "Volkskirchen"
bei uns, nach so erbitterten Religionskämpfen und nach so großen Verdiensten
des Staates um die religiösen Gemeinschaften für nicht wahrscheinlich halten,
oder ob eine andre Formel beliebt wird. Das Bleibende liegt in alledem noch
nicht. Das Bleibende kann nur in den letzten Idealen liegen, die unserm Denken
vorschweben. Und hier drängt sich allerdings das lächerlich gewordne Virchowsche
Wort, das Wort "Kulturkampf" von selbst auf. Lächerlich ist es geworden,
weil es zu großartig ist für diese kleinen Dinge. Das sieht der Mensch bald,
daß von der Anzeige der Geistlichen, von der Aufsicht über geistliche Kvrrektions-
und Büßerhänser, von Begnadigung von Bischöfen, von unbefugten Messelesen
und ähnlichen Dingen die Kultur der Menschheit nicht abhängt. Aber aller¬
dings hängt unsre Parteinahme für die großen und kleinen Dinge wesentlich
von der Idee ab, die wir uns von der zukünftigen Kultur machen. Und für
diese Idee zu kämpfen, ist in vollem Maße des Meuschen wert. Merkwürdig
ist auch die enge Verbindung, die der Kulturkampf, in solchem Sinne gedacht,
mit dem "Glauben" eingeht. Es ist in der That eine "Glaubenssache," wenn
auch nicht im konfessionellen Sinne, ob wir uns die eine oder die andre Form
der künftigen Kultur zum Ideal nehmen. Darüber müssen wir schließlich noch
einige Vcmerknngen machen.

Einer absterbenden Zeit gehört die Ansicht an, daß unser Staat einen
bloßen Rechtszweck habe. Die Bedürfnisse des Lebens und die Philosophie
zwangen ihn zu der Erweiterung seiner Aufgabe auf alle menschlich-sittlichen
Angelegenheiten, die sich gesellschaftlich besorgen lassen, und nicht besser von


Das Bleibende im kirchenpolitischen Aampfe.

Seminarlehrer. Vorausgesetzt wird dabei, daß die einklassigen Schulen sobald
als möglich verschwinden, auch mit Hilfe des Simultauschulwesens, während wir
sonst entschieden das Siumltanschulwcseu bekämpfen. Einklassige Schulen können
eben gegenwärtig, einzelne ausgezeichnete Fälle ausgenommen, das Erforderliche
schlechterdings nicht leisten. Doch wir dürfen uns auf das Einzelne hier nicht
einlassen, freuen uus aber auf diese schulpolitischen Kämpfe, die für die Zukunft
so wichtige Entscheidungen bringen werden. Wir hoffen, unsre Abgeordnete!?
werden in diesem Gebiete, sowie in Bezug auf religiöse Orden und auf Jesuiten
fest bleiben und auch in Bezug ans den kirchlichen Vcrmögenserwerb eine Be¬
stimmung finden, die wie in den Vereinigten Staaten dem Besitze zur tote»?
Hand eine Grenze setzt.

Das sind einige Einzelheiten, die sich schon jetzt der Gesetzgebung auf¬
drängen und einmal erledigt werden müssen, als einzelne Probleme des kultur¬
politischen Kampfes. Auch hier wird mir der Wechsel und die jedesmalige
Anpassung an das empfundene Bedürfnis des staatlichen Lebens als das
Charakteristische erscheinen. Es wird nur von den Umständen, wenn wir die
zusammenwirkenden jedesmaligen Faktoren so nennen, abhängen, ob in diesem
fortgehenden Prozesse die Parole „Freie Kirche im freien Staate" das leitende
Prinzip wird, was wir nach so langem Bestände von großen „Volkskirchen"
bei uns, nach so erbitterten Religionskämpfen und nach so großen Verdiensten
des Staates um die religiösen Gemeinschaften für nicht wahrscheinlich halten,
oder ob eine andre Formel beliebt wird. Das Bleibende liegt in alledem noch
nicht. Das Bleibende kann nur in den letzten Idealen liegen, die unserm Denken
vorschweben. Und hier drängt sich allerdings das lächerlich gewordne Virchowsche
Wort, das Wort „Kulturkampf" von selbst auf. Lächerlich ist es geworden,
weil es zu großartig ist für diese kleinen Dinge. Das sieht der Mensch bald,
daß von der Anzeige der Geistlichen, von der Aufsicht über geistliche Kvrrektions-
und Büßerhänser, von Begnadigung von Bischöfen, von unbefugten Messelesen
und ähnlichen Dingen die Kultur der Menschheit nicht abhängt. Aber aller¬
dings hängt unsre Parteinahme für die großen und kleinen Dinge wesentlich
von der Idee ab, die wir uns von der zukünftigen Kultur machen. Und für
diese Idee zu kämpfen, ist in vollem Maße des Meuschen wert. Merkwürdig
ist auch die enge Verbindung, die der Kulturkampf, in solchem Sinne gedacht,
mit dem „Glauben" eingeht. Es ist in der That eine „Glaubenssache," wenn
auch nicht im konfessionellen Sinne, ob wir uns die eine oder die andre Form
der künftigen Kultur zum Ideal nehmen. Darüber müssen wir schließlich noch
einige Vcmerknngen machen.

Einer absterbenden Zeit gehört die Ansicht an, daß unser Staat einen
bloßen Rechtszweck habe. Die Bedürfnisse des Lebens und die Philosophie
zwangen ihn zu der Erweiterung seiner Aufgabe auf alle menschlich-sittlichen
Angelegenheiten, die sich gesellschaftlich besorgen lassen, und nicht besser von


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[0564] Das Bleibende im kirchenpolitischen Aampfe. Seminarlehrer. Vorausgesetzt wird dabei, daß die einklassigen Schulen sobald als möglich verschwinden, auch mit Hilfe des Simultauschulwesens, während wir sonst entschieden das Siumltanschulwcseu bekämpfen. Einklassige Schulen können eben gegenwärtig, einzelne ausgezeichnete Fälle ausgenommen, das Erforderliche schlechterdings nicht leisten. Doch wir dürfen uns auf das Einzelne hier nicht einlassen, freuen uus aber auf diese schulpolitischen Kämpfe, die für die Zukunft so wichtige Entscheidungen bringen werden. Wir hoffen, unsre Abgeordnete!? werden in diesem Gebiete, sowie in Bezug auf religiöse Orden und auf Jesuiten fest bleiben und auch in Bezug ans den kirchlichen Vcrmögenserwerb eine Be¬ stimmung finden, die wie in den Vereinigten Staaten dem Besitze zur tote»? Hand eine Grenze setzt. Das sind einige Einzelheiten, die sich schon jetzt der Gesetzgebung auf¬ drängen und einmal erledigt werden müssen, als einzelne Probleme des kultur¬ politischen Kampfes. Auch hier wird mir der Wechsel und die jedesmalige Anpassung an das empfundene Bedürfnis des staatlichen Lebens als das Charakteristische erscheinen. Es wird nur von den Umständen, wenn wir die zusammenwirkenden jedesmaligen Faktoren so nennen, abhängen, ob in diesem fortgehenden Prozesse die Parole „Freie Kirche im freien Staate" das leitende Prinzip wird, was wir nach so langem Bestände von großen „Volkskirchen" bei uns, nach so erbitterten Religionskämpfen und nach so großen Verdiensten des Staates um die religiösen Gemeinschaften für nicht wahrscheinlich halten, oder ob eine andre Formel beliebt wird. Das Bleibende liegt in alledem noch nicht. Das Bleibende kann nur in den letzten Idealen liegen, die unserm Denken vorschweben. Und hier drängt sich allerdings das lächerlich gewordne Virchowsche Wort, das Wort „Kulturkampf" von selbst auf. Lächerlich ist es geworden, weil es zu großartig ist für diese kleinen Dinge. Das sieht der Mensch bald, daß von der Anzeige der Geistlichen, von der Aufsicht über geistliche Kvrrektions- und Büßerhänser, von Begnadigung von Bischöfen, von unbefugten Messelesen und ähnlichen Dingen die Kultur der Menschheit nicht abhängt. Aber aller¬ dings hängt unsre Parteinahme für die großen und kleinen Dinge wesentlich von der Idee ab, die wir uns von der zukünftigen Kultur machen. Und für diese Idee zu kämpfen, ist in vollem Maße des Meuschen wert. Merkwürdig ist auch die enge Verbindung, die der Kulturkampf, in solchem Sinne gedacht, mit dem „Glauben" eingeht. Es ist in der That eine „Glaubenssache," wenn auch nicht im konfessionellen Sinne, ob wir uns die eine oder die andre Form der künftigen Kultur zum Ideal nehmen. Darüber müssen wir schließlich noch einige Vcmerknngen machen. Einer absterbenden Zeit gehört die Ansicht an, daß unser Staat einen bloßen Rechtszweck habe. Die Bedürfnisse des Lebens und die Philosophie zwangen ihn zu der Erweiterung seiner Aufgabe auf alle menschlich-sittlichen Angelegenheiten, die sich gesellschaftlich besorgen lassen, und nicht besser von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/564>, abgerufen am 05.02.2025.