Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. wichtig, daß mau in dem empirisch empfundenen Bedürfnis nach Fortbildung Die nächsten Fragen werden sich auf die völlige Aufhebung der bischöf¬ Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe. wichtig, daß mau in dem empirisch empfundenen Bedürfnis nach Fortbildung Die nächsten Fragen werden sich auf die völlige Aufhebung der bischöf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197987"/> <fw type="header" place="top"> Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1660" prev="#ID_1659"> wichtig, daß mau in dem empirisch empfundenen Bedürfnis nach Fortbildung<lb/> eines Rechtssatzes sich dafür eine Kontrole verschafft, daß mau nicht einem Be¬<lb/> griffe zuliebe ins Blaue ändert. Nur auf diese Weise kann die Verwaltung<lb/> auch beobachten, ob eine gemachte Konzession diejenige Ungefährlichkeit für deu<lb/> Staat hat, die man von ihr erwartete, oder nicht. Im ganzen kommt ans diese<lb/> Methode doch wenig an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1661" next="#ID_1662"> Die nächsten Fragen werden sich auf die völlige Aufhebung der bischöf¬<lb/> lichen Anzeigepflicht beziehen und auf die Schulinspektion durch römische Geist¬<lb/> liche. Die völlige Aufhebung jener Benenuuugspflicht wird wohl leine Gefahr<lb/> mit sich bringen; es wird aber gut sein, sie nur gegen Repressivbcstimmuugen<lb/> uach Art des Artikels 130^ im Strafrecht zu bewilligen. Gegen die politische<lb/> Einmischung der römischen Geistlichen müssen unsre scharfsinnigen Gesetzgeber<lb/> die Gesellschaft mehr schlitzen, als sie es bis jetzt gethan haben. In Sachen der<lb/> Schule hat Windthorst schon den zweiten Kulturkampf angesagt, und diese<lb/> Fortsetzung des Kampfes ist schwerlich zu umgehen. Bisher hat unsre parla¬<lb/> mentarische Arbeit auf dem Schulgebiete die Staatsinteressen lebhaft unterstützt,<lb/> nachdem einmal die Schulaufsicht gegen die extremen Konservativen und die<lb/> Römischen als durchaus staatlich anerkannt worden ist. Die eigentlichen Schwie¬<lb/> rigkeiten bleiben noch zu erledigen, und wieder geben dazu die polnischen Um¬<lb/> triebe deu Anlaß, denen nur durch strammere staatliche Einwirkung auf die<lb/> Volksschulen und Zurückdrängung der katholische» Geistlichen und Patronatsherren<lb/> begegnet werden kann. Es wäre betrübend, wenn bei steigender Erbitterung der<lb/> katholischen Polemik auf dem Schulgcbiete der Staat gedrängt wurde, wie in<lb/> Frankreich, den römischen Religionsunterricht den Schulen zu untersagen. Besser<lb/> jedenfalls, wenn er deu Religionsunterricht wenigstens bis zum vierzehnten<lb/> Lebensjahre der Schule ließe, ihn durch weltliche Lehrer, die keiner Sendung<lb/> der Kirche bedürften, erteilte, und die Gewissensfreiheit dadurch wahrte, daß kein<lb/> Vater genötigt würde, seinen Sohn diesem Unterrichte zu übergeben. Einer<lb/> Verfassungsänderung bedürfte es dazu allerdings auch. Ans demselben Gebiete<lb/> würde eine Änderung der Schulvorstände erforderlich sein. Eine Teilung der<lb/> Arbeit, wie sie immer notwendiger wird, würde sich dadurch vollziehen lassen,<lb/> daß den gewöhnlichen Schulvvrständen der Volksschulen nur die allgemeine per¬<lb/> sönliche und moralische Aufsicht obläge. In diesem Schnlvorstande müßte die<lb/> Ortsgemeinde, die Schulgemeinde und die kirchliche Gemeinde vertreten sein.<lb/> Dieser Vorstand hätte sich aber jeder technischen Herrschaft (methodisch-päda¬<lb/> gogischer Art) zu enthalten. Diese technische Aufsicht muß überall von dem be¬<lb/> treffenden Hauptlehrer, und zwar unter Leitung des technisch gebildeten Schnl-<lb/> inspektors, ausgeübt werden. Zu diesem Amte der Schulinspektivn dürfte ein<lb/> Geistlicher nicht als solcher geeignet sein, auch kein höherer Schulmann als<lb/> solcher, sondern mir ein solcher, der durch Übung und Praxis lind durch be¬<lb/> sondre Prüfung sich wenigstens ebensogut ausgewiesen hat wie ein erfahrener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0563]
Das Bleibende im kirchenpolitischen Kampfe.
wichtig, daß mau in dem empirisch empfundenen Bedürfnis nach Fortbildung
eines Rechtssatzes sich dafür eine Kontrole verschafft, daß mau nicht einem Be¬
griffe zuliebe ins Blaue ändert. Nur auf diese Weise kann die Verwaltung
auch beobachten, ob eine gemachte Konzession diejenige Ungefährlichkeit für deu
Staat hat, die man von ihr erwartete, oder nicht. Im ganzen kommt ans diese
Methode doch wenig an.
Die nächsten Fragen werden sich auf die völlige Aufhebung der bischöf¬
lichen Anzeigepflicht beziehen und auf die Schulinspektion durch römische Geist¬
liche. Die völlige Aufhebung jener Benenuuugspflicht wird wohl leine Gefahr
mit sich bringen; es wird aber gut sein, sie nur gegen Repressivbcstimmuugen
uach Art des Artikels 130^ im Strafrecht zu bewilligen. Gegen die politische
Einmischung der römischen Geistlichen müssen unsre scharfsinnigen Gesetzgeber
die Gesellschaft mehr schlitzen, als sie es bis jetzt gethan haben. In Sachen der
Schule hat Windthorst schon den zweiten Kulturkampf angesagt, und diese
Fortsetzung des Kampfes ist schwerlich zu umgehen. Bisher hat unsre parla¬
mentarische Arbeit auf dem Schulgebiete die Staatsinteressen lebhaft unterstützt,
nachdem einmal die Schulaufsicht gegen die extremen Konservativen und die
Römischen als durchaus staatlich anerkannt worden ist. Die eigentlichen Schwie¬
rigkeiten bleiben noch zu erledigen, und wieder geben dazu die polnischen Um¬
triebe deu Anlaß, denen nur durch strammere staatliche Einwirkung auf die
Volksschulen und Zurückdrängung der katholische» Geistlichen und Patronatsherren
begegnet werden kann. Es wäre betrübend, wenn bei steigender Erbitterung der
katholischen Polemik auf dem Schulgcbiete der Staat gedrängt wurde, wie in
Frankreich, den römischen Religionsunterricht den Schulen zu untersagen. Besser
jedenfalls, wenn er deu Religionsunterricht wenigstens bis zum vierzehnten
Lebensjahre der Schule ließe, ihn durch weltliche Lehrer, die keiner Sendung
der Kirche bedürften, erteilte, und die Gewissensfreiheit dadurch wahrte, daß kein
Vater genötigt würde, seinen Sohn diesem Unterrichte zu übergeben. Einer
Verfassungsänderung bedürfte es dazu allerdings auch. Ans demselben Gebiete
würde eine Änderung der Schulvorstände erforderlich sein. Eine Teilung der
Arbeit, wie sie immer notwendiger wird, würde sich dadurch vollziehen lassen,
daß den gewöhnlichen Schulvvrständen der Volksschulen nur die allgemeine per¬
sönliche und moralische Aufsicht obläge. In diesem Schnlvorstande müßte die
Ortsgemeinde, die Schulgemeinde und die kirchliche Gemeinde vertreten sein.
Dieser Vorstand hätte sich aber jeder technischen Herrschaft (methodisch-päda¬
gogischer Art) zu enthalten. Diese technische Aufsicht muß überall von dem be¬
treffenden Hauptlehrer, und zwar unter Leitung des technisch gebildeten Schnl-
inspektors, ausgeübt werden. Zu diesem Amte der Schulinspektivn dürfte ein
Geistlicher nicht als solcher geeignet sein, auch kein höherer Schulmann als
solcher, sondern mir ein solcher, der durch Übung und Praxis lind durch be¬
sondre Prüfung sich wenigstens ebensogut ausgewiesen hat wie ein erfahrener
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |