Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.nur staatliche Beweggründe mit den kirchlichen im Kampfe liegen. Bei uns Daran ist nichts zu ändern. Den einzigen Fall, welcher diese Verbitterung Bis zum Überdruß ist es wiederholt worden, weshalb sich unser Staat im Es ist nun eine Verdunklung der kirchenpolitischen Frage, wenn man die nur staatliche Beweggründe mit den kirchlichen im Kampfe liegen. Bei uns Daran ist nichts zu ändern. Den einzigen Fall, welcher diese Verbitterung Bis zum Überdruß ist es wiederholt worden, weshalb sich unser Staat im Es ist nun eine Verdunklung der kirchenpolitischen Frage, wenn man die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197981"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1644" prev="#ID_1643"> nur staatliche Beweggründe mit den kirchlichen im Kampfe liegen. Bei uns<lb/> stellt sich sofort zugleich eine Konfessionspolemik ein. Die katholische Minder¬<lb/> heit fühlt sich einer protestantischen Mehrheit gegenüber, und nicht bloß dem<lb/> Staate. Die Bitterkeit wird dadurch großer; man jammert über Vergewaltigung<lb/> nicht nur vom Staate, sondern auch von dem protestantischen Staate ans.</p><lb/> <p xml:id="ID_1645"> Daran ist nichts zu ändern. Den einzigen Fall, welcher diese Verbitterung<lb/> beseitigen würde, wagen nur wenige Menschen ins Auge zu fassen, den Fall der<lb/> wiederhergestellten Einheit der Konfession. Wenn nur katholische oder nur<lb/> evangelische Christen unser Land bewohnten, so wäre der Kampf vorbei, oder<lb/> er wäre kaum noch wahrzunehmen. Gewalt kann dies Resultat nicht zu stände<lb/> bringen, weder staatliche noch kirchliche. Der echte Katholik glaubt freilich, daß<lb/> die Evangelischen einmal wieder nach Rom zurückkehren werden. Aber es ist<lb/> ein schweres Stück, so viele Millionen protestantischer Christen umzustimmen.<lb/> Der Syllabus läßt darum auch uicht zu, daß die „Kirche" uur geistliche Mittel<lb/> gegen Andersgläubige anwenden dürfe. Wenn durch Gottes Gnade einmal<lb/> wieder die erforderliche politische Macht für den Katholizismus gewonnen ist,<lb/> dann tritt auch diese politische Macht in den Dienst der Ketzerbekehrung. Viel¬<lb/> leicht daß dann Deutschland nach den bekannten letzten Kämpfen auf märkischen<lb/> Sande wieder ganz römisch fühlt. Aber wir können diese Zukunft nicht sicher<lb/> in Rechnung ziehen. Vorläufig wird in Deutschland die Mischung der Kon¬<lb/> fessionen nur noch bunter, wie natürlich. Es fragt sich daher, ob es nicht zeit¬<lb/> weilige Auskunftsmittel giebt, die eine erträgliche Stimmung zwischen den ver-<lb/> schiednen Elementen des kirchlich-staatlichen Lebens ermöglichen, ohne der Zukunft<lb/> vorzugreifen. Der preußische Staat bejaht dies.</p><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Bis zum Überdruß ist es wiederholt worden, weshalb sich unser Staat im<lb/> Jahre 1872 entschloß, der sogenannten Freiheit der römischen Kirche entgegen¬<lb/> zutreten. Die Konfessionen werden sich darüber nie verständigen, und der Staat<lb/> nie mit der römischen Kirche. Das wissen auch beide Parteien. Indes im<lb/> einzelnen kaun man schon jetzt sehen, daß sich die Dinge immer glimpflicher<lb/> machen werden. Denn es ist selbstverständlich, daß der Kampf schließlich die<lb/> Sehnsucht nach Frieden hervorruft. Bei uns scheidet sich die Periode der sieb¬<lb/> ziger Jahre reinlich von der der achtziger Jahre. Die erste baut die unter<lb/> dem freundlichen Namen der „Maigesetze" bekannte Eindämmung der römischen<lb/> Freiheiten, die achtziger Periode reißt sie nicht ganz ab, setzt aber Schleußen<lb/> hinein, um den Andrang der Flut etwas zu vermindern; denn das Wasser hat<lb/> auch seine Gesetze.</p><lb/> <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Es ist nun eine Verdunklung der kirchenpolitischen Frage, wenn man die<lb/> nächste, eben gezeichnete friedliche Wendung für ein Preisgeben der großen An¬<lb/> gelegenheit der religiösen Zukunft, für ein Preisgeben der staatlichen Selb¬<lb/> ständigkeit erklärt. Nur von einem kleinlichen Gesichtspunkte aus könnte man<lb/> jedes Nachgeben in einzelnen Maßregeln für ein Unheil halten, wenn man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
nur staatliche Beweggründe mit den kirchlichen im Kampfe liegen. Bei uns
stellt sich sofort zugleich eine Konfessionspolemik ein. Die katholische Minder¬
heit fühlt sich einer protestantischen Mehrheit gegenüber, und nicht bloß dem
Staate. Die Bitterkeit wird dadurch großer; man jammert über Vergewaltigung
nicht nur vom Staate, sondern auch von dem protestantischen Staate ans.
Daran ist nichts zu ändern. Den einzigen Fall, welcher diese Verbitterung
beseitigen würde, wagen nur wenige Menschen ins Auge zu fassen, den Fall der
wiederhergestellten Einheit der Konfession. Wenn nur katholische oder nur
evangelische Christen unser Land bewohnten, so wäre der Kampf vorbei, oder
er wäre kaum noch wahrzunehmen. Gewalt kann dies Resultat nicht zu stände
bringen, weder staatliche noch kirchliche. Der echte Katholik glaubt freilich, daß
die Evangelischen einmal wieder nach Rom zurückkehren werden. Aber es ist
ein schweres Stück, so viele Millionen protestantischer Christen umzustimmen.
Der Syllabus läßt darum auch uicht zu, daß die „Kirche" uur geistliche Mittel
gegen Andersgläubige anwenden dürfe. Wenn durch Gottes Gnade einmal
wieder die erforderliche politische Macht für den Katholizismus gewonnen ist,
dann tritt auch diese politische Macht in den Dienst der Ketzerbekehrung. Viel¬
leicht daß dann Deutschland nach den bekannten letzten Kämpfen auf märkischen
Sande wieder ganz römisch fühlt. Aber wir können diese Zukunft nicht sicher
in Rechnung ziehen. Vorläufig wird in Deutschland die Mischung der Kon¬
fessionen nur noch bunter, wie natürlich. Es fragt sich daher, ob es nicht zeit¬
weilige Auskunftsmittel giebt, die eine erträgliche Stimmung zwischen den ver-
schiednen Elementen des kirchlich-staatlichen Lebens ermöglichen, ohne der Zukunft
vorzugreifen. Der preußische Staat bejaht dies.
Bis zum Überdruß ist es wiederholt worden, weshalb sich unser Staat im
Jahre 1872 entschloß, der sogenannten Freiheit der römischen Kirche entgegen¬
zutreten. Die Konfessionen werden sich darüber nie verständigen, und der Staat
nie mit der römischen Kirche. Das wissen auch beide Parteien. Indes im
einzelnen kaun man schon jetzt sehen, daß sich die Dinge immer glimpflicher
machen werden. Denn es ist selbstverständlich, daß der Kampf schließlich die
Sehnsucht nach Frieden hervorruft. Bei uns scheidet sich die Periode der sieb¬
ziger Jahre reinlich von der der achtziger Jahre. Die erste baut die unter
dem freundlichen Namen der „Maigesetze" bekannte Eindämmung der römischen
Freiheiten, die achtziger Periode reißt sie nicht ganz ab, setzt aber Schleußen
hinein, um den Andrang der Flut etwas zu vermindern; denn das Wasser hat
auch seine Gesetze.
Es ist nun eine Verdunklung der kirchenpolitischen Frage, wenn man die
nächste, eben gezeichnete friedliche Wendung für ein Preisgeben der großen An¬
gelegenheit der religiösen Zukunft, für ein Preisgeben der staatlichen Selb¬
ständigkeit erklärt. Nur von einem kleinlichen Gesichtspunkte aus könnte man
jedes Nachgeben in einzelnen Maßregeln für ein Unheil halten, wenn man
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |