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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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neben Esmah iiuf einem Felsstücke saß und ihr anhaltend zusprach. Die Maurin
lauschte ihm mit einem Ausdrucke kindlichen Vertrauens, der sich bis in ihre
Haltung hinein kundgab. Sie wandte das Gesicht zu dem höher sitzenden
empor und legte zwar nach ihrer Gewohnheit ihre Arme an die Brust, hielt
aber zugleich nach seiner Weisung andächtig ihre kleinen Hände gefaltet. Camoens
war der erste, der im Heranschveiten den Wiedersehen" glückseliger Sicherheit
und neuer Lebenshoffnung auf den schönen Zügen erblickte, die er beim ersten
Begegnen mit Esmah von Furcht entstellt gesehen hatte. Er hemmte unwill¬
kürlich seine Schritte und faßte Barretvs Arm:

Das Morgenlicht ist auf ihrem süßen Gesichte und in ihrer Seele! flüsterte
er dem Gefährten zu. Sie schlägt die große" braunen Augen zu dem Priester
auf, als ob er ihr Gottes Hauch unmittelbar spenden könne. Barreto war
nicht minder bewegt als sein poetischer Freund, aber getreu seiner Natur ent-
gegnete er ernst: Möge ihr diese Stunde in jedem Betracht zum Heile ausschlagen!

Camoens fühlte eine leise Regung von Unwillen über die endlosen
Bedenken, die selbst in dieser Stunde die Welt nicht leuchten und schimmern
sehen wollten. Indes blieb nicht Zeit zu einem Zwiste. Esmah, die zwar un¬
verwandt zu Pater Henriqnes aufsah, aber das feine Ohr ihres Stammes
besaß, hörte die Tritte der Herannahenden, und Pater Henriqnes nahm zu¬
gleich die Männer jenseits des Baches wahr. Er neigte sich zu Esmah und sagte
ihr noch wenige Worte, um Barreto und Camoens, welche inzwischen die Steine
überschritten hatten, die hier eine rohe Brücke über das Wasser bildeten, laut
willkommen zu heißen. Indem er mit ihnen zusammentraf, nahm er Barreto,
der mit einem Dank beginnen wollte, das Wort von den Lippen.

Dom Antonio, der Marschall, hat mich hoch geehrt, indem er mir Eure
Bitte wegen jenes Mädchens vortrug, Senhor Manuel, begann er mit einer
Stimme, deren milder Wohllaut den rasch erregbaren Dichter augenblicklich für
ihn gewann. Ich gab Euch Recht, daß in diesem besondern Falle keine Zeit
zu verlieren sei, obschon ich sonst kein Freund von hastigen Bekehrungen bin.
Ich ging darum schon gestern am Spätnachmittage hier herauf, Eure Schutz¬
befohlene zu sehen und ihre" Seelenzustand zu erforschen. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß sie sich im Drange ihrer Umstände zu unsrer Kirche wendet, aber
es kann ja keine Sünde sein, sich in höchster Not des Lebens in Gottes Schoß
zu flüchten. Ihre Seele ist empfänglich für die heilige Lehre, und ich glaube
es verantworten zu können, daß ich ihr diesen Morgen die Taufe erteile und
ihr auch den Namen Esmah lasse, wie sie gebeten hat.

Und Ihr, Pater Henriqnes, Ihr habt die Nacht in Gebeten verwandt?
fragte Barreto, dem es nicht entging, daß der greise Priester bleich und er¬
schöpft aussah.

Nicht ganz, Herr Manuel! gab er ruhig zur Antwort. Die Hirtin und
ihre Gefährtin wollten mir den Schutz der Hütte dort angedeihen lassen und


neben Esmah iiuf einem Felsstücke saß und ihr anhaltend zusprach. Die Maurin
lauschte ihm mit einem Ausdrucke kindlichen Vertrauens, der sich bis in ihre
Haltung hinein kundgab. Sie wandte das Gesicht zu dem höher sitzenden
empor und legte zwar nach ihrer Gewohnheit ihre Arme an die Brust, hielt
aber zugleich nach seiner Weisung andächtig ihre kleinen Hände gefaltet. Camoens
war der erste, der im Heranschveiten den Wiedersehen« glückseliger Sicherheit
und neuer Lebenshoffnung auf den schönen Zügen erblickte, die er beim ersten
Begegnen mit Esmah von Furcht entstellt gesehen hatte. Er hemmte unwill¬
kürlich seine Schritte und faßte Barretvs Arm:

Das Morgenlicht ist auf ihrem süßen Gesichte und in ihrer Seele! flüsterte
er dem Gefährten zu. Sie schlägt die große» braunen Augen zu dem Priester
auf, als ob er ihr Gottes Hauch unmittelbar spenden könne. Barreto war
nicht minder bewegt als sein poetischer Freund, aber getreu seiner Natur ent-
gegnete er ernst: Möge ihr diese Stunde in jedem Betracht zum Heile ausschlagen!

Camoens fühlte eine leise Regung von Unwillen über die endlosen
Bedenken, die selbst in dieser Stunde die Welt nicht leuchten und schimmern
sehen wollten. Indes blieb nicht Zeit zu einem Zwiste. Esmah, die zwar un¬
verwandt zu Pater Henriqnes aufsah, aber das feine Ohr ihres Stammes
besaß, hörte die Tritte der Herannahenden, und Pater Henriqnes nahm zu¬
gleich die Männer jenseits des Baches wahr. Er neigte sich zu Esmah und sagte
ihr noch wenige Worte, um Barreto und Camoens, welche inzwischen die Steine
überschritten hatten, die hier eine rohe Brücke über das Wasser bildeten, laut
willkommen zu heißen. Indem er mit ihnen zusammentraf, nahm er Barreto,
der mit einem Dank beginnen wollte, das Wort von den Lippen.

Dom Antonio, der Marschall, hat mich hoch geehrt, indem er mir Eure
Bitte wegen jenes Mädchens vortrug, Senhor Manuel, begann er mit einer
Stimme, deren milder Wohllaut den rasch erregbaren Dichter augenblicklich für
ihn gewann. Ich gab Euch Recht, daß in diesem besondern Falle keine Zeit
zu verlieren sei, obschon ich sonst kein Freund von hastigen Bekehrungen bin.
Ich ging darum schon gestern am Spätnachmittage hier herauf, Eure Schutz¬
befohlene zu sehen und ihre» Seelenzustand zu erforschen. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß sie sich im Drange ihrer Umstände zu unsrer Kirche wendet, aber
es kann ja keine Sünde sein, sich in höchster Not des Lebens in Gottes Schoß
zu flüchten. Ihre Seele ist empfänglich für die heilige Lehre, und ich glaube
es verantworten zu können, daß ich ihr diesen Morgen die Taufe erteile und
ihr auch den Namen Esmah lasse, wie sie gebeten hat.

Und Ihr, Pater Henriqnes, Ihr habt die Nacht in Gebeten verwandt?
fragte Barreto, dem es nicht entging, daß der greise Priester bleich und er¬
schöpft aussah.

Nicht ganz, Herr Manuel! gab er ruhig zur Antwort. Die Hirtin und
ihre Gefährtin wollten mir den Schutz der Hütte dort angedeihen lassen und


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[0528] neben Esmah iiuf einem Felsstücke saß und ihr anhaltend zusprach. Die Maurin lauschte ihm mit einem Ausdrucke kindlichen Vertrauens, der sich bis in ihre Haltung hinein kundgab. Sie wandte das Gesicht zu dem höher sitzenden empor und legte zwar nach ihrer Gewohnheit ihre Arme an die Brust, hielt aber zugleich nach seiner Weisung andächtig ihre kleinen Hände gefaltet. Camoens war der erste, der im Heranschveiten den Wiedersehen« glückseliger Sicherheit und neuer Lebenshoffnung auf den schönen Zügen erblickte, die er beim ersten Begegnen mit Esmah von Furcht entstellt gesehen hatte. Er hemmte unwill¬ kürlich seine Schritte und faßte Barretvs Arm: Das Morgenlicht ist auf ihrem süßen Gesichte und in ihrer Seele! flüsterte er dem Gefährten zu. Sie schlägt die große» braunen Augen zu dem Priester auf, als ob er ihr Gottes Hauch unmittelbar spenden könne. Barreto war nicht minder bewegt als sein poetischer Freund, aber getreu seiner Natur ent- gegnete er ernst: Möge ihr diese Stunde in jedem Betracht zum Heile ausschlagen! Camoens fühlte eine leise Regung von Unwillen über die endlosen Bedenken, die selbst in dieser Stunde die Welt nicht leuchten und schimmern sehen wollten. Indes blieb nicht Zeit zu einem Zwiste. Esmah, die zwar un¬ verwandt zu Pater Henriqnes aufsah, aber das feine Ohr ihres Stammes besaß, hörte die Tritte der Herannahenden, und Pater Henriqnes nahm zu¬ gleich die Männer jenseits des Baches wahr. Er neigte sich zu Esmah und sagte ihr noch wenige Worte, um Barreto und Camoens, welche inzwischen die Steine überschritten hatten, die hier eine rohe Brücke über das Wasser bildeten, laut willkommen zu heißen. Indem er mit ihnen zusammentraf, nahm er Barreto, der mit einem Dank beginnen wollte, das Wort von den Lippen. Dom Antonio, der Marschall, hat mich hoch geehrt, indem er mir Eure Bitte wegen jenes Mädchens vortrug, Senhor Manuel, begann er mit einer Stimme, deren milder Wohllaut den rasch erregbaren Dichter augenblicklich für ihn gewann. Ich gab Euch Recht, daß in diesem besondern Falle keine Zeit zu verlieren sei, obschon ich sonst kein Freund von hastigen Bekehrungen bin. Ich ging darum schon gestern am Spätnachmittage hier herauf, Eure Schutz¬ befohlene zu sehen und ihre» Seelenzustand zu erforschen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie sich im Drange ihrer Umstände zu unsrer Kirche wendet, aber es kann ja keine Sünde sein, sich in höchster Not des Lebens in Gottes Schoß zu flüchten. Ihre Seele ist empfänglich für die heilige Lehre, und ich glaube es verantworten zu können, daß ich ihr diesen Morgen die Taufe erteile und ihr auch den Namen Esmah lasse, wie sie gebeten hat. Und Ihr, Pater Henriqnes, Ihr habt die Nacht in Gebeten verwandt? fragte Barreto, dem es nicht entging, daß der greise Priester bleich und er¬ schöpft aussah. Nicht ganz, Herr Manuel! gab er ruhig zur Antwort. Die Hirtin und ihre Gefährtin wollten mir den Schutz der Hütte dort angedeihen lassen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/528>, abgerufen am 05.02.2025.