Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Aus dein goldiwn Prag. hat Professur Gegeubauer im "Athenäum" -- dem Organ der tschechischen Uni¬ Aber kehren wir -zur deutschen Gesellschaft Prags zurück, der diese Zeilen Aus dein goldiwn Prag. hat Professur Gegeubauer im „Athenäum" — dem Organ der tschechischen Uni¬ Aber kehren wir -zur deutschen Gesellschaft Prags zurück, der diese Zeilen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197941"/> <fw type="header" place="top"> Aus dein goldiwn Prag.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1513" prev="#ID_1512"> hat Professur Gegeubauer im „Athenäum" — dem Organ der tschechischen Uni¬<lb/> versität — auf die Notwendigkeit einer Nachprüfung der Königiuhofer Hand¬<lb/> schrift hingewiesen, nachdem sich bereits die literarische Abteilung der Hure-Je^irr<lb/> ^Wenig. fast einstimmig zur deutschen Ansicht bekannt hatte, daß diese Handschrift<lb/> eine Fälschung sei; vor dreißig Jahren war es einem tschechischen Gelehrten,<lb/> dem verstorbenen Sembera, noch sehr übel angerechnet worden, daß er es wagte,<lb/> eine solche Ansicht zu äußern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1514" next="#ID_1515"> Aber kehren wir -zur deutschen Gesellschaft Prags zurück, der diese Zeilen<lb/> ja vorzüglich gewidmet sein sollen. Es giebt da wieder drei oder vier Kreise:<lb/> der eine umfaßt die Großindustriellen, der andre die Universität, ein dritter die<lb/> höhere Beamtenschaft, dem sich auch viele Offiziere zugesellen. Die ersten beiden<lb/> finden sich im Kasino vereinigt, das heißt, sie sind Mitglieder, zahlen ihren<lb/> Jahresbeitrag und lesen vielleicht ihre Zeitungen dort, an den Uuterhaltuugs-<lb/> abenden nehmen sie aber nicht teil, da gehört das Terrain den wohlhabendern<lb/> jüdischen Familien, die so wieder ihren eignen Zirkel bilden. Die Beamtenschaft<lb/> hat ihren Mittelpunkt auf der Kleiuseite in der „Austria," wo am flottesten<lb/> getanzt und am gemütlichsten geplaudert wird, wo mau sehr viele hübsche<lb/> Mädchen und sehr viele „fesche" Leutnants trifft. Wie in allen kleinern und<lb/> mittlern Städten — oder um uns vorsichtiger auszudrücken, wie in allen<lb/> Städten, die nicht Großstadt sind — wird dem Fremden in allen diesen .Kreisen<lb/> etwas spröde begegnet, er wird in die Privatzirkel nicht so bald Zutritt erlangen,<lb/> wenn er nicht mit gewichtigen Empfehlungen herkommt. Auf den Elitebälleu<lb/> findet man viel großstädtische Eleganz, und in ihren Komitees macht sich zumeist<lb/> eine ebenfalls ganz großstädtisch angehauchte blasirte und arrogante Jugend<lb/> breit, der das Geld der Väter jenen Amplomb des Auftretens giebt, unter dem<lb/> sie die innere Leere verstecken. An gesellschaftlichen Ressourcen bietet das deutsche<lb/> Prag nicht wenig; an musikalischen Sinn soll das Publikum, so versichern uus<lb/> Sachverständige, sogar den Wienern überlegen sein: es soll sich nicht so leicht<lb/> etwas weismachen lassen. Wnllnvfer ist der Liebling der Opernbesucher, er ist<lb/> nicht nur als Tenorist bedeutend, sondern auch ein guter Liederkomponist. Das<lb/> Theater ist gut, und in strengem Regiment und weisem Haushalt mit den Geld¬<lb/> mitteln kann die jetzige Direktion wohl als Muster dienen. Sie huldigt uicht<lb/> dem Irrtum, dem wohl Laube zuerst weitere Geltung verschafft hat, als müßten<lb/> Schauspielerleistungen, wenn sie sich nur über das gewöhnlichste Mittelmaß er¬<lb/> heben, höher bezahlt werden als wichtige Ämter im Staate. Im Wiener Burg¬<lb/> theater giebt es heute noch Schauspieler — die jetzige Direktion ist ja unschuldig<lb/> daran —, die Hungers sterben müßten, wenn man sie entließe; sie beziehen aber<lb/> 3000 Gulden Gehalt, andre, die mit 900 Gulden genug bezahlt würden, haben<lb/> 4000. Mit einem solchen Unfug gründlich aufzuräumen ist der Direktor des<lb/> Prager Landcstheater der richtige Mann: er hat mehrere junge Damen von<lb/> recht hübschem Talent, die erste Partien singen oder sprechen, mit 12—1500</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
Aus dein goldiwn Prag.
hat Professur Gegeubauer im „Athenäum" — dem Organ der tschechischen Uni¬
versität — auf die Notwendigkeit einer Nachprüfung der Königiuhofer Hand¬
schrift hingewiesen, nachdem sich bereits die literarische Abteilung der Hure-Je^irr
^Wenig. fast einstimmig zur deutschen Ansicht bekannt hatte, daß diese Handschrift
eine Fälschung sei; vor dreißig Jahren war es einem tschechischen Gelehrten,
dem verstorbenen Sembera, noch sehr übel angerechnet worden, daß er es wagte,
eine solche Ansicht zu äußern.
Aber kehren wir -zur deutschen Gesellschaft Prags zurück, der diese Zeilen
ja vorzüglich gewidmet sein sollen. Es giebt da wieder drei oder vier Kreise:
der eine umfaßt die Großindustriellen, der andre die Universität, ein dritter die
höhere Beamtenschaft, dem sich auch viele Offiziere zugesellen. Die ersten beiden
finden sich im Kasino vereinigt, das heißt, sie sind Mitglieder, zahlen ihren
Jahresbeitrag und lesen vielleicht ihre Zeitungen dort, an den Uuterhaltuugs-
abenden nehmen sie aber nicht teil, da gehört das Terrain den wohlhabendern
jüdischen Familien, die so wieder ihren eignen Zirkel bilden. Die Beamtenschaft
hat ihren Mittelpunkt auf der Kleiuseite in der „Austria," wo am flottesten
getanzt und am gemütlichsten geplaudert wird, wo mau sehr viele hübsche
Mädchen und sehr viele „fesche" Leutnants trifft. Wie in allen kleinern und
mittlern Städten — oder um uns vorsichtiger auszudrücken, wie in allen
Städten, die nicht Großstadt sind — wird dem Fremden in allen diesen .Kreisen
etwas spröde begegnet, er wird in die Privatzirkel nicht so bald Zutritt erlangen,
wenn er nicht mit gewichtigen Empfehlungen herkommt. Auf den Elitebälleu
findet man viel großstädtische Eleganz, und in ihren Komitees macht sich zumeist
eine ebenfalls ganz großstädtisch angehauchte blasirte und arrogante Jugend
breit, der das Geld der Väter jenen Amplomb des Auftretens giebt, unter dem
sie die innere Leere verstecken. An gesellschaftlichen Ressourcen bietet das deutsche
Prag nicht wenig; an musikalischen Sinn soll das Publikum, so versichern uus
Sachverständige, sogar den Wienern überlegen sein: es soll sich nicht so leicht
etwas weismachen lassen. Wnllnvfer ist der Liebling der Opernbesucher, er ist
nicht nur als Tenorist bedeutend, sondern auch ein guter Liederkomponist. Das
Theater ist gut, und in strengem Regiment und weisem Haushalt mit den Geld¬
mitteln kann die jetzige Direktion wohl als Muster dienen. Sie huldigt uicht
dem Irrtum, dem wohl Laube zuerst weitere Geltung verschafft hat, als müßten
Schauspielerleistungen, wenn sie sich nur über das gewöhnlichste Mittelmaß er¬
heben, höher bezahlt werden als wichtige Ämter im Staate. Im Wiener Burg¬
theater giebt es heute noch Schauspieler — die jetzige Direktion ist ja unschuldig
daran —, die Hungers sterben müßten, wenn man sie entließe; sie beziehen aber
3000 Gulden Gehalt, andre, die mit 900 Gulden genug bezahlt würden, haben
4000. Mit einem solchen Unfug gründlich aufzuräumen ist der Direktor des
Prager Landcstheater der richtige Mann: er hat mehrere junge Damen von
recht hübschem Talent, die erste Partien singen oder sprechen, mit 12—1500
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