Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lamoens,

heute an mein weltliches Gedicht nicht denken könne, da er sich für das Heil
seiner Hauptstadt geistlichen Übungen hingebe. Ich bat zuerst und stürmte als¬
dann, beides vergeblich. niedergeschlagen mußte ich aus dem Palaste wieder
abziehen, und dn ich es ganz unmöglich fand, jetzt unverrichteter Sache und in
der Glut dieser Sommertage nach Lissabon zurückzukehren, so dachte ich nach
Santa Cruz hincmfznreiten, und die weltberühmte Gastfreundschaft des Klosters
für einige Tage in Anspruch zu nehmen. Vielleicht ist unter den frommen
Vätern einer oder der andre, welcher, den Musen geneigt, mir den Eingang zu
König Sebastians Gemächern zu öffnen vermag. Auf alle Fälle will ich hin¬
auf -- man sagt, saa da Miranda, der Dichter, habe dort oben Gastfreund¬
schaft genossen und Frieden gefunden!

Manuel Barretv hatte aufmerksam den Worten seines Kriegsgefährten
gelauscht, aber zuletzt, als er bemerkte, daß der Ausdruck von Camoens' Gesicht
immer finsterer ward und der Sprecher zu Boden blickte, sich scheinbar ein
wenig abgewandt. Auch als Herr Luis jetzt schwieg, hielt der Edelmann das
Ange auf die beiden Tiere gerichtet, die im Vordergrunde der Schlucht neben
einander grasten, und wars leicht hin: Ich fürchte, Ihr werdet die Brüder von
Santa Cruz weniger, gastfrei finden, als ehedem. Sie wissen sich kaum der
ungestümen Bittgänger zu erwehren, welche fast täglich an die Klosterpforteu
pochen. Seit die Schiffe der Pest wegen nicht mehr im großen Hafen von
Lissabon anlegen, sondern auf den kleinen Rheden längs der Küste, seit die
Gerüchte von großen Kriegszügen unsers jungen Königs immer neue Abenteurer
ins Land ziehen, wimmelt es da oben von unwillkommnem Wallfahrern; für
edle Gäste ist weder Raum noch guter Wille mehr vorhanden, Ihr habt ja
vorhin an den Strolchen, welche mit mir herabkamen, ein Pröbchen gehabt,
welches Volk dort oben haust. Als ich vor zwei Stunden das Kloster verließ,
in dem ich alljährlich eine Seelenmesse zu Ehren meines Oheims höre, lagen
sie reihenweis in und vor den Gängen. Mich dünkt, Ihr werdet wenig Behagen
und noch weniger Frieden in Santa Cruz finden, mein Freund, und da Ihr doch
schlössen seid, nicht nach Lissabon zurückzugehen, so ist Euch vielleicht genehm,
mich gleich nach Almocegema zu begleiten. Ich bin Hagestolz, keine Hausfrau
braucht Vorbereitungen zu treffen -- mein braver Joao ist daran gewöhnt,
daß ich mit Gästen heimkehre, also besinnt Euch nicht lange, schlagt ein, Freund
Luis, und denkt, daß, je rascher Ihr kommt und je länger Ihr verweilt, die
Freude und Ehre für mich umso größer sein wird!

Dankbar sah Camoens den Edelmann an, welcher ihm so herzlich entgegen¬
kam. Aber nach kurzem Bedenken schüttelte er das Haupt und sagte: Eure
Einladung würde einen Granden von Spanien verpflichten, geschweige denn
einen armen Krieger und Poeten. Sobald ich meinen nächsten Zweck erreicht
habe, will ich keine Schwelle in Portugal eher und lieber überschreiten als die
Eure, und verweilen, so lange es Euch immer gefällt. Aber verzeiht mir, wenn


Lamoens,

heute an mein weltliches Gedicht nicht denken könne, da er sich für das Heil
seiner Hauptstadt geistlichen Übungen hingebe. Ich bat zuerst und stürmte als¬
dann, beides vergeblich. niedergeschlagen mußte ich aus dem Palaste wieder
abziehen, und dn ich es ganz unmöglich fand, jetzt unverrichteter Sache und in
der Glut dieser Sommertage nach Lissabon zurückzukehren, so dachte ich nach
Santa Cruz hincmfznreiten, und die weltberühmte Gastfreundschaft des Klosters
für einige Tage in Anspruch zu nehmen. Vielleicht ist unter den frommen
Vätern einer oder der andre, welcher, den Musen geneigt, mir den Eingang zu
König Sebastians Gemächern zu öffnen vermag. Auf alle Fälle will ich hin¬
auf — man sagt, saa da Miranda, der Dichter, habe dort oben Gastfreund¬
schaft genossen und Frieden gefunden!

Manuel Barretv hatte aufmerksam den Worten seines Kriegsgefährten
gelauscht, aber zuletzt, als er bemerkte, daß der Ausdruck von Camoens' Gesicht
immer finsterer ward und der Sprecher zu Boden blickte, sich scheinbar ein
wenig abgewandt. Auch als Herr Luis jetzt schwieg, hielt der Edelmann das
Ange auf die beiden Tiere gerichtet, die im Vordergrunde der Schlucht neben
einander grasten, und wars leicht hin: Ich fürchte, Ihr werdet die Brüder von
Santa Cruz weniger, gastfrei finden, als ehedem. Sie wissen sich kaum der
ungestümen Bittgänger zu erwehren, welche fast täglich an die Klosterpforteu
pochen. Seit die Schiffe der Pest wegen nicht mehr im großen Hafen von
Lissabon anlegen, sondern auf den kleinen Rheden längs der Küste, seit die
Gerüchte von großen Kriegszügen unsers jungen Königs immer neue Abenteurer
ins Land ziehen, wimmelt es da oben von unwillkommnem Wallfahrern; für
edle Gäste ist weder Raum noch guter Wille mehr vorhanden, Ihr habt ja
vorhin an den Strolchen, welche mit mir herabkamen, ein Pröbchen gehabt,
welches Volk dort oben haust. Als ich vor zwei Stunden das Kloster verließ,
in dem ich alljährlich eine Seelenmesse zu Ehren meines Oheims höre, lagen
sie reihenweis in und vor den Gängen. Mich dünkt, Ihr werdet wenig Behagen
und noch weniger Frieden in Santa Cruz finden, mein Freund, und da Ihr doch
schlössen seid, nicht nach Lissabon zurückzugehen, so ist Euch vielleicht genehm,
mich gleich nach Almocegema zu begleiten. Ich bin Hagestolz, keine Hausfrau
braucht Vorbereitungen zu treffen — mein braver Joao ist daran gewöhnt,
daß ich mit Gästen heimkehre, also besinnt Euch nicht lange, schlagt ein, Freund
Luis, und denkt, daß, je rascher Ihr kommt und je länger Ihr verweilt, die
Freude und Ehre für mich umso größer sein wird!

Dankbar sah Camoens den Edelmann an, welcher ihm so herzlich entgegen¬
kam. Aber nach kurzem Bedenken schüttelte er das Haupt und sagte: Eure
Einladung würde einen Granden von Spanien verpflichten, geschweige denn
einen armen Krieger und Poeten. Sobald ich meinen nächsten Zweck erreicht
habe, will ich keine Schwelle in Portugal eher und lieber überschreiten als die
Eure, und verweilen, so lange es Euch immer gefällt. Aber verzeiht mir, wenn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197475"/>
          <fw type="header" place="top"> Lamoens,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_135" prev="#ID_134"> heute an mein weltliches Gedicht nicht denken könne, da er sich für das Heil<lb/>
seiner Hauptstadt geistlichen Übungen hingebe. Ich bat zuerst und stürmte als¬<lb/>
dann, beides vergeblich. niedergeschlagen mußte ich aus dem Palaste wieder<lb/>
abziehen, und dn ich es ganz unmöglich fand, jetzt unverrichteter Sache und in<lb/>
der Glut dieser Sommertage nach Lissabon zurückzukehren, so dachte ich nach<lb/>
Santa Cruz hincmfznreiten, und die weltberühmte Gastfreundschaft des Klosters<lb/>
für einige Tage in Anspruch zu nehmen. Vielleicht ist unter den frommen<lb/>
Vätern einer oder der andre, welcher, den Musen geneigt, mir den Eingang zu<lb/>
König Sebastians Gemächern zu öffnen vermag. Auf alle Fälle will ich hin¬<lb/>
auf &#x2014; man sagt, saa da Miranda, der Dichter, habe dort oben Gastfreund¬<lb/>
schaft genossen und Frieden gefunden!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136"> Manuel Barretv hatte aufmerksam den Worten seines Kriegsgefährten<lb/>
gelauscht, aber zuletzt, als er bemerkte, daß der Ausdruck von Camoens' Gesicht<lb/>
immer finsterer ward und der Sprecher zu Boden blickte, sich scheinbar ein<lb/>
wenig abgewandt. Auch als Herr Luis jetzt schwieg, hielt der Edelmann das<lb/>
Ange auf die beiden Tiere gerichtet, die im Vordergrunde der Schlucht neben<lb/>
einander grasten, und wars leicht hin: Ich fürchte, Ihr werdet die Brüder von<lb/>
Santa Cruz weniger, gastfrei finden, als ehedem. Sie wissen sich kaum der<lb/>
ungestümen Bittgänger zu erwehren, welche fast täglich an die Klosterpforteu<lb/>
pochen. Seit die Schiffe der Pest wegen nicht mehr im großen Hafen von<lb/>
Lissabon anlegen, sondern auf den kleinen Rheden längs der Küste, seit die<lb/>
Gerüchte von großen Kriegszügen unsers jungen Königs immer neue Abenteurer<lb/>
ins Land ziehen, wimmelt es da oben von unwillkommnem Wallfahrern; für<lb/>
edle Gäste ist weder Raum noch guter Wille mehr vorhanden, Ihr habt ja<lb/>
vorhin an den Strolchen, welche mit mir herabkamen, ein Pröbchen gehabt,<lb/>
welches Volk dort oben haust. Als ich vor zwei Stunden das Kloster verließ,<lb/>
in dem ich alljährlich eine Seelenmesse zu Ehren meines Oheims höre, lagen<lb/>
sie reihenweis in und vor den Gängen. Mich dünkt, Ihr werdet wenig Behagen<lb/>
und noch weniger Frieden in Santa Cruz finden, mein Freund, und da Ihr doch<lb/>
schlössen seid, nicht nach Lissabon zurückzugehen, so ist Euch vielleicht genehm,<lb/>
mich gleich nach Almocegema zu begleiten. Ich bin Hagestolz, keine Hausfrau<lb/>
braucht Vorbereitungen zu treffen &#x2014; mein braver Joao ist daran gewöhnt,<lb/>
daß ich mit Gästen heimkehre, also besinnt Euch nicht lange, schlagt ein, Freund<lb/>
Luis, und denkt, daß, je rascher Ihr kommt und je länger Ihr verweilt, die<lb/>
Freude und Ehre für mich umso größer sein wird!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_137" next="#ID_138"> Dankbar sah Camoens den Edelmann an, welcher ihm so herzlich entgegen¬<lb/>
kam. Aber nach kurzem Bedenken schüttelte er das Haupt und sagte: Eure<lb/>
Einladung würde einen Granden von Spanien verpflichten, geschweige denn<lb/>
einen armen Krieger und Poeten. Sobald ich meinen nächsten Zweck erreicht<lb/>
habe, will ich keine Schwelle in Portugal eher und lieber überschreiten als die<lb/>
Eure, und verweilen, so lange es Euch immer gefällt. Aber verzeiht mir, wenn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Lamoens, heute an mein weltliches Gedicht nicht denken könne, da er sich für das Heil seiner Hauptstadt geistlichen Übungen hingebe. Ich bat zuerst und stürmte als¬ dann, beides vergeblich. niedergeschlagen mußte ich aus dem Palaste wieder abziehen, und dn ich es ganz unmöglich fand, jetzt unverrichteter Sache und in der Glut dieser Sommertage nach Lissabon zurückzukehren, so dachte ich nach Santa Cruz hincmfznreiten, und die weltberühmte Gastfreundschaft des Klosters für einige Tage in Anspruch zu nehmen. Vielleicht ist unter den frommen Vätern einer oder der andre, welcher, den Musen geneigt, mir den Eingang zu König Sebastians Gemächern zu öffnen vermag. Auf alle Fälle will ich hin¬ auf — man sagt, saa da Miranda, der Dichter, habe dort oben Gastfreund¬ schaft genossen und Frieden gefunden! Manuel Barretv hatte aufmerksam den Worten seines Kriegsgefährten gelauscht, aber zuletzt, als er bemerkte, daß der Ausdruck von Camoens' Gesicht immer finsterer ward und der Sprecher zu Boden blickte, sich scheinbar ein wenig abgewandt. Auch als Herr Luis jetzt schwieg, hielt der Edelmann das Ange auf die beiden Tiere gerichtet, die im Vordergrunde der Schlucht neben einander grasten, und wars leicht hin: Ich fürchte, Ihr werdet die Brüder von Santa Cruz weniger, gastfrei finden, als ehedem. Sie wissen sich kaum der ungestümen Bittgänger zu erwehren, welche fast täglich an die Klosterpforteu pochen. Seit die Schiffe der Pest wegen nicht mehr im großen Hafen von Lissabon anlegen, sondern auf den kleinen Rheden längs der Küste, seit die Gerüchte von großen Kriegszügen unsers jungen Königs immer neue Abenteurer ins Land ziehen, wimmelt es da oben von unwillkommnem Wallfahrern; für edle Gäste ist weder Raum noch guter Wille mehr vorhanden, Ihr habt ja vorhin an den Strolchen, welche mit mir herabkamen, ein Pröbchen gehabt, welches Volk dort oben haust. Als ich vor zwei Stunden das Kloster verließ, in dem ich alljährlich eine Seelenmesse zu Ehren meines Oheims höre, lagen sie reihenweis in und vor den Gängen. Mich dünkt, Ihr werdet wenig Behagen und noch weniger Frieden in Santa Cruz finden, mein Freund, und da Ihr doch schlössen seid, nicht nach Lissabon zurückzugehen, so ist Euch vielleicht genehm, mich gleich nach Almocegema zu begleiten. Ich bin Hagestolz, keine Hausfrau braucht Vorbereitungen zu treffen — mein braver Joao ist daran gewöhnt, daß ich mit Gästen heimkehre, also besinnt Euch nicht lange, schlagt ein, Freund Luis, und denkt, daß, je rascher Ihr kommt und je länger Ihr verweilt, die Freude und Ehre für mich umso größer sein wird! Dankbar sah Camoens den Edelmann an, welcher ihm so herzlich entgegen¬ kam. Aber nach kurzem Bedenken schüttelte er das Haupt und sagte: Eure Einladung würde einen Granden von Spanien verpflichten, geschweige denn einen armen Krieger und Poeten. Sobald ich meinen nächsten Zweck erreicht habe, will ich keine Schwelle in Portugal eher und lieber überschreiten als die Eure, und verweilen, so lange es Euch immer gefällt. Aber verzeiht mir, wenn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/51
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/51>, abgerufen am 05.02.2025.