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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Beaumarchais.

MM Marie Antoinette vorbereite, daß Sardines' ganze Zukunft davon abhänge,
ob er den Druck derselben hintertreiben könne; er erbiete sich aber, auch diesmal
die nötigen Schritte zu thun. Snrtincs ist mit allem einverstanden, giebt ihm
Geld und Vollmachten, und Beaumarchais geht wieder nach London, von da,
ohne einen Auftrag dazu zu haben, über Amsterdam, Köln und Frankfurt nach
Wien, um sich als beglaubigter Vertrauensmann des Königs bei Maria Theresia
einzudrängen und die Gunst der Kaiserin durch seine angeblichen Bemühungen
um ihre Tochter zu gewinnen. Einen ganzen Roman ersann er sich zu diesem.
Zwecke: er sei dem betrügerischen Drucker Nngclueci, der ihm nicht alle Exemplare
einer Schmähschrift gegen die junge Königin abgeliefert habe, nach Nürnberg
gefolgt, in der Nähe dieser Stadt habe er ihn eingeholt, ihn gezwungen, sein
Felleisen zu offnen und die untcrschlagnen Exemplare der Schandschrift auszu¬
liefern, den Elende" selbst habe er laufen lassen. Unmittelbar nach diesem
glücklichen Abenteuer sei er von Banditen überfallen und verwundet worden,
doch habe er sich ihrer erwehrt und sei nun nach Wien geeilt, um die Kaiserin
von dem allen in Kenntnis zu setzen und sie zu bitten, jenen gefährlichen
Angclueei verfolgen zu lassen; man müsse ihn ein- für allemal unschädlich machen.
Daß dies alles plumpe Erfindungen waren, hat schon Fürst Kaunitz erkannt,
und darum endigte Beaumarchais' Wiener Reise mit einem kläglichen Fiasko.
Der Staatskanzler meinte sogar, Beaumarchais habe jene Schmähschrift, die er der
Kaiserin vorlegte -- ihr Titel war ^.v>8 ü. >->. dra-nous "zspiZMols --, selbst verfaßt;
Arneth, der die Aktenstücke über diese Episode zuerst veröffentlichte -- in der
1868 erschienenen Schrift ,.Beaumarchais und Svnnenfels" -- schloß sich dieser
Meinung an, Bettelheim dagegen kann sie nicht teilen: der Stil des ^.vis sei
von dem der AüinoirvL gegen Goczmann gar zu sehr verschieden. Aber wie
sich das auch immer Verhalten mag: in welchem Lichte erscheint uns hier abermals
der Dichter des "Figaro," der heldenhafte Bruder in Goethes "Clavigo"! Der
Staatskanzler sandte ihm acht Grenadiere auf sein Zimmer und verhängte einen
sehr unangenehmen Hausarrest über ihn, der 31 Tage dauerte. Auf Verwendung
des Versailler Hofes, die Beaumarchais' Gönner Sardines ausgewirkt hatte,
wurde er dann freigelassen, ja Kaunitz ließ ihm 1000 Dukaten als Gnadengeschenk
oder Schmerzensgeld anweisen, die Beaumarchais zwar zuerst hochtrabend
zurückwies, schließlich aber doch einsteckte. Kaunitz aber traf das Nichtige, wenn
er an den österreichischen Botschafter, den Grafen Merey in Paris schrieb: "Der
lockern Moral Sardines' gesellt sich in diesem Falle noch sein höchst persönliches
Interesse, ein Subjekt wie Beaumarchais, den er selbst dem Könige als Ver¬
trauensmann empfohlen hat, nicht nnr zu entschuldigen, sondern zu verteidigen."
Beaumarchais selbst nannte er einen ärolo, der im Grunde genommen die Galeere
verdient habe und von Glück sagen könne, daß er mit der Heimsuchung von ein
paar Grenadieren davon gekommen sei. Wir können dem Staatskanzler auch
hierin nicht so Unrecht geben.


Beaumarchais.

MM Marie Antoinette vorbereite, daß Sardines' ganze Zukunft davon abhänge,
ob er den Druck derselben hintertreiben könne; er erbiete sich aber, auch diesmal
die nötigen Schritte zu thun. Snrtincs ist mit allem einverstanden, giebt ihm
Geld und Vollmachten, und Beaumarchais geht wieder nach London, von da,
ohne einen Auftrag dazu zu haben, über Amsterdam, Köln und Frankfurt nach
Wien, um sich als beglaubigter Vertrauensmann des Königs bei Maria Theresia
einzudrängen und die Gunst der Kaiserin durch seine angeblichen Bemühungen
um ihre Tochter zu gewinnen. Einen ganzen Roman ersann er sich zu diesem.
Zwecke: er sei dem betrügerischen Drucker Nngclueci, der ihm nicht alle Exemplare
einer Schmähschrift gegen die junge Königin abgeliefert habe, nach Nürnberg
gefolgt, in der Nähe dieser Stadt habe er ihn eingeholt, ihn gezwungen, sein
Felleisen zu offnen und die untcrschlagnen Exemplare der Schandschrift auszu¬
liefern, den Elende» selbst habe er laufen lassen. Unmittelbar nach diesem
glücklichen Abenteuer sei er von Banditen überfallen und verwundet worden,
doch habe er sich ihrer erwehrt und sei nun nach Wien geeilt, um die Kaiserin
von dem allen in Kenntnis zu setzen und sie zu bitten, jenen gefährlichen
Angclueei verfolgen zu lassen; man müsse ihn ein- für allemal unschädlich machen.
Daß dies alles plumpe Erfindungen waren, hat schon Fürst Kaunitz erkannt,
und darum endigte Beaumarchais' Wiener Reise mit einem kläglichen Fiasko.
Der Staatskanzler meinte sogar, Beaumarchais habe jene Schmähschrift, die er der
Kaiserin vorlegte — ihr Titel war ^.v>8 ü. >->. dra-nous «zspiZMols —, selbst verfaßt;
Arneth, der die Aktenstücke über diese Episode zuerst veröffentlichte — in der
1868 erschienenen Schrift ,.Beaumarchais und Svnnenfels" — schloß sich dieser
Meinung an, Bettelheim dagegen kann sie nicht teilen: der Stil des ^.vis sei
von dem der AüinoirvL gegen Goczmann gar zu sehr verschieden. Aber wie
sich das auch immer Verhalten mag: in welchem Lichte erscheint uns hier abermals
der Dichter des „Figaro," der heldenhafte Bruder in Goethes „Clavigo"! Der
Staatskanzler sandte ihm acht Grenadiere auf sein Zimmer und verhängte einen
sehr unangenehmen Hausarrest über ihn, der 31 Tage dauerte. Auf Verwendung
des Versailler Hofes, die Beaumarchais' Gönner Sardines ausgewirkt hatte,
wurde er dann freigelassen, ja Kaunitz ließ ihm 1000 Dukaten als Gnadengeschenk
oder Schmerzensgeld anweisen, die Beaumarchais zwar zuerst hochtrabend
zurückwies, schließlich aber doch einsteckte. Kaunitz aber traf das Nichtige, wenn
er an den österreichischen Botschafter, den Grafen Merey in Paris schrieb: „Der
lockern Moral Sardines' gesellt sich in diesem Falle noch sein höchst persönliches
Interesse, ein Subjekt wie Beaumarchais, den er selbst dem Könige als Ver¬
trauensmann empfohlen hat, nicht nnr zu entschuldigen, sondern zu verteidigen."
Beaumarchais selbst nannte er einen ärolo, der im Grunde genommen die Galeere
verdient habe und von Glück sagen könne, daß er mit der Heimsuchung von ein
paar Grenadieren davon gekommen sei. Wir können dem Staatskanzler auch
hierin nicht so Unrecht geben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/504>, abgerufen am 05.02.2025.