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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.

Gewiß, indem ich Eurer gedachte! antwortete Camoens höflich und wies
den Hornbecher vor, aus dem er vorhin getrunken hatte. Manuel Barreto er¬
griff ihn mit einer lebhaften Bewegung und rief erstaunt: Wahrhaftig der Becher
aus dem Horn des Ungetüms, das wir hinter Pantschim erlegten! Ihr habt
ihn gut bewahrt, mir wird der fröhliche Jagdtag und alles, was sich an ihm
begab, mit einemmale wieder lebendig!

So wißt Ihr auch, daß nicht wir beide das Nashorn erlegt haben, daß
es von Euerm Stoß allein zusammenbrach, und daß wir nicht hier beisammen¬
säßen, wenn der gute Stoß nicht zur rechten Zeit gekommen wäre! versetzte
Camoens. Der Becher, den Ihr in Goa fertigen ließet, ist nicht wieder von
meiner Seite gekommen, ich habe ihn oft gefüllt, immer aber dabei dankend
Eurer gedacht, Manuel, selbst wenn mir in böser Stunde das Leben zur Last war!

Aber das alles könnten wir daheim unter den alten Säulen meines Hofes
auch besprechen, sagte der Edelmann, welcher während dieser Unterredung im
Gesicht des Wiedergcfundnen mehr gelesen hatte, als Luis ahnte. Sagt mir,
woher und wohin des Weges, mein Freund, und wie bald ich hoffen darf, Euch
als willkommnen Gast an meiner Pforte zu begrüßen?

Manuel Barreto lächelte dabei dem neben ihm sitzenden so ermutigend, so
herzlich bittend zu, daß die ausweichende Antwort, welche Camoens eben hatte
geben wollen, aus dessen Lippen erstarb. Mit einer Bewegung, welche er nicht
mehr zu verbergen suchte, entgegnete der Dichter:

Mein Mißgeschick führte mich hier herauf, Senhor Manuel. Seit meiner
Heimkehr hat mein Leben nnr noch dem Werke gehört, das Ihr ja kennt! Das
große Gedicht suchte ich zu vollenden und in würdiger Weise meinem Volke
darzubieten. Ich ließ es mich Anstrengungen genug kosten, der Dichtung den
erhabnen Schutz zu sicher", ohne den bei uns nichts mehr gedeiht. Es ist nicht
leicht, zu unserm jungen König zu dringen, und mehr als einmal, wem, mir
ein Gönner den Weg zu ihm öffnen und ebnen wollte, lag ich krank in Lissabon
oder war sonst verhindert, mich am Hofe des Königs zu zeigen. In voriger
Woche empfing ich die Botschaft, daß mich der allergläübigste König sehen wolle,
wenn ich zuvor eine Woche oder etwas länger auf dem Lande zugebracht hätte.
Ihr wißt, daß in der Hauptstadt die Pest gewütet hat und noch umherschleicht.
Dom Sebastian ist von seinen Ratgebern genötigt worden, die gesunde Bergluft
von Cintra zu suchen, und niemand, welcher unmittelbar von Lissabon kommt,
wird zu ihm gelassen. Ich ermöglichte einen Aufenthalt in Pedro Braun und
ritt heute Morgen von dort zum Königsschlosfe hinauf.

Nun, und dann? fragte Manuel Barreto lebhaft, da Camoens mit einem
Ausdruck zornigen Unmuth plötzlich inne hielt.

Dann fand ich, daß der Wind im Schlosse rascher umspringt als der
Monsun im indischen Meere! versetzte Herr Luis. Ich drang nicht weiter als
bis zum Grafen von Porto Santo vor und mußte hören, daß der König gerade


Camoens.

Gewiß, indem ich Eurer gedachte! antwortete Camoens höflich und wies
den Hornbecher vor, aus dem er vorhin getrunken hatte. Manuel Barreto er¬
griff ihn mit einer lebhaften Bewegung und rief erstaunt: Wahrhaftig der Becher
aus dem Horn des Ungetüms, das wir hinter Pantschim erlegten! Ihr habt
ihn gut bewahrt, mir wird der fröhliche Jagdtag und alles, was sich an ihm
begab, mit einemmale wieder lebendig!

So wißt Ihr auch, daß nicht wir beide das Nashorn erlegt haben, daß
es von Euerm Stoß allein zusammenbrach, und daß wir nicht hier beisammen¬
säßen, wenn der gute Stoß nicht zur rechten Zeit gekommen wäre! versetzte
Camoens. Der Becher, den Ihr in Goa fertigen ließet, ist nicht wieder von
meiner Seite gekommen, ich habe ihn oft gefüllt, immer aber dabei dankend
Eurer gedacht, Manuel, selbst wenn mir in böser Stunde das Leben zur Last war!

Aber das alles könnten wir daheim unter den alten Säulen meines Hofes
auch besprechen, sagte der Edelmann, welcher während dieser Unterredung im
Gesicht des Wiedergcfundnen mehr gelesen hatte, als Luis ahnte. Sagt mir,
woher und wohin des Weges, mein Freund, und wie bald ich hoffen darf, Euch
als willkommnen Gast an meiner Pforte zu begrüßen?

Manuel Barreto lächelte dabei dem neben ihm sitzenden so ermutigend, so
herzlich bittend zu, daß die ausweichende Antwort, welche Camoens eben hatte
geben wollen, aus dessen Lippen erstarb. Mit einer Bewegung, welche er nicht
mehr zu verbergen suchte, entgegnete der Dichter:

Mein Mißgeschick führte mich hier herauf, Senhor Manuel. Seit meiner
Heimkehr hat mein Leben nnr noch dem Werke gehört, das Ihr ja kennt! Das
große Gedicht suchte ich zu vollenden und in würdiger Weise meinem Volke
darzubieten. Ich ließ es mich Anstrengungen genug kosten, der Dichtung den
erhabnen Schutz zu sicher», ohne den bei uns nichts mehr gedeiht. Es ist nicht
leicht, zu unserm jungen König zu dringen, und mehr als einmal, wem, mir
ein Gönner den Weg zu ihm öffnen und ebnen wollte, lag ich krank in Lissabon
oder war sonst verhindert, mich am Hofe des Königs zu zeigen. In voriger
Woche empfing ich die Botschaft, daß mich der allergläübigste König sehen wolle,
wenn ich zuvor eine Woche oder etwas länger auf dem Lande zugebracht hätte.
Ihr wißt, daß in der Hauptstadt die Pest gewütet hat und noch umherschleicht.
Dom Sebastian ist von seinen Ratgebern genötigt worden, die gesunde Bergluft
von Cintra zu suchen, und niemand, welcher unmittelbar von Lissabon kommt,
wird zu ihm gelassen. Ich ermöglichte einen Aufenthalt in Pedro Braun und
ritt heute Morgen von dort zum Königsschlosfe hinauf.

Nun, und dann? fragte Manuel Barreto lebhaft, da Camoens mit einem
Ausdruck zornigen Unmuth plötzlich inne hielt.

Dann fand ich, daß der Wind im Schlosse rascher umspringt als der
Monsun im indischen Meere! versetzte Herr Luis. Ich drang nicht weiter als
bis zum Grafen von Porto Santo vor und mußte hören, daß der König gerade


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/50>, abgerufen am 05.02.2025.