Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die wirtschaftliche Tage der Arbeiter Großbritanniens und Irlands. der arbeitenden Klassen in gewissem Maße bereits geübt hat, und daß eine Es ist bekannt, daß Armut und Elend im Eastcud von London chronisch Die Gründe dafür, daß die Zustände seit Ende 1885 sich in London noch Die wirtschaftliche Tage der Arbeiter Großbritanniens und Irlands. der arbeitenden Klassen in gewissem Maße bereits geübt hat, und daß eine Es ist bekannt, daß Armut und Elend im Eastcud von London chronisch Die Gründe dafür, daß die Zustände seit Ende 1885 sich in London noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197922"/> <fw type="header" place="top"> Die wirtschaftliche Tage der Arbeiter Großbritanniens und Irlands.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> der arbeitenden Klassen in gewissem Maße bereits geübt hat, und daß eine<lb/> weitere Rückwirkung bei längerer Dauer der Handclsstvcknng nicht ausbleiben<lb/> wird. Aber es ist zu weit gegangen, wenn man in obigen Zahlen ohne weiteres<lb/> einen Gradmesser für die gcgeinvärtige Lage der Arbeiter erkennen will. Es<lb/> ist dies schon um deswillen unrichtig, weil die wirkliche Beschäftigung der Ar¬<lb/> beiter in weit geringerem Maße aus den umgesetzten Werten als aus den ganz<lb/> anders gestalteten Ansätzen der Wacircnmenge zu ersehen ist. Überdies kommt<lb/> in Betracht, daß bei einer Depression des Handels und der Industrie die Lage<lb/> der Arbeiterklassen nie früher und immer nur insoweit in Mitleidenschaft ge¬<lb/> raten kann, als durch die Handelsstockung thatsächlich die Einstellung oder Ein¬<lb/> schränkung von Betrieben oder die Herabsetzung von Löhnen herbeigeführt wird.<lb/> Thatsächlich sind solche Folgen bisher nur in einzelnen Zweigen des Handels<lb/> und der Industrie, nämlich in der Eisen- und der Znckerindnstrie, dem Schiff¬<lb/> ball und dem Schiffsverkehr, eingetreten. Von einer allgemeinen Notlage des<lb/> Arbeiterstandes kann daher für jetzt noch keine Rede sein. Zuzugeben ist da¬<lb/> gegen, daß die Verhältnisse der Arbeiter sich an einzelnen Orten, wo die ge¬<lb/> dachten Industriezweige ihren Hauptsitz haben, verschlechtert, und daß sie be¬<lb/> sonders in der Hauptstadt infolge des Zusammentreffens jener allgemeinen<lb/> Gründe mit besondern lokalen Umständen sich besonders ungünstig gestaltet haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466"> Es ist bekannt, daß Armut und Elend im Eastcud von London chronisch<lb/> sind. Wie bereits erwähnt, hat das Mansionhonse-Komitee berichtet, daß die<lb/> Armut dort im Jahre.1885 zwar nicht so akut wie 1879 gewesen sei, daß sie<lb/> aber an Ausbreitung gegen frühere Jahre zugenommen habe. Als Ursachen<lb/> der traurigen Zustände werden angegeben: 1. der Mangel, die Unregelmäßigkeit<lb/> und die geringe Bezahlung für die Arbeit. Insbesondre wird angeführt, daß<lb/> 7000 bis 8000 Dockarbeiter ohne Beschäftigung seien; 2. der Rückgang einzelner<lb/> Handelszweige und die Verlegung einzelner Etablissements in andre Stadt¬<lb/> gegenden; 3. die unrichtige Verwendung und Verteilung der Unterstützungen;<lb/> 4. die hohen Mieter; 3. die Zunahme der Einwanderung nach London; 6. der<lb/> Charakter eines großen Teiles der Arbeiter, insbesondre ihre Trägheit und ihr<lb/> Mangel an Sparsamkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467" next="#ID_1468"> Die Gründe dafür, daß die Zustände seit Ende 1885 sich in London noch<lb/> weiter verschlechtert haben, dürften in folgendem zu finden sein. Es darf ange¬<lb/> nommen werden, daß die in der letzten Zeit erfolgten, oben erwähnten Betriebs-<lb/> einschräntnngcn und Lvhnrcduktionen sich im Eastend nicht nur unmittelbar,<lb/> sondern auch dadurch fühlbar gemacht haben, daß sie eine große Anzahl von<lb/> beschäftigungslosen Personen in die Hauptstadt getrieben haben. Bezüglich der<lb/> Seeleute wird dies durch eine kürzlich von Sir Thomas Brassch in einem<lb/> Meeting in London gehaltene Rede bestätigt. Als ein Beleg hierfür mag auch<lb/> die steigende Eifersucht der hiesigen Arbeiter gegen den Zuzug fremder und<lb/> namentlich ausländischer Arbeitskräfte gelten. Der Hauptgrund ist aber der ganz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
Die wirtschaftliche Tage der Arbeiter Großbritanniens und Irlands.
der arbeitenden Klassen in gewissem Maße bereits geübt hat, und daß eine
weitere Rückwirkung bei längerer Dauer der Handclsstvcknng nicht ausbleiben
wird. Aber es ist zu weit gegangen, wenn man in obigen Zahlen ohne weiteres
einen Gradmesser für die gcgeinvärtige Lage der Arbeiter erkennen will. Es
ist dies schon um deswillen unrichtig, weil die wirkliche Beschäftigung der Ar¬
beiter in weit geringerem Maße aus den umgesetzten Werten als aus den ganz
anders gestalteten Ansätzen der Wacircnmenge zu ersehen ist. Überdies kommt
in Betracht, daß bei einer Depression des Handels und der Industrie die Lage
der Arbeiterklassen nie früher und immer nur insoweit in Mitleidenschaft ge¬
raten kann, als durch die Handelsstockung thatsächlich die Einstellung oder Ein¬
schränkung von Betrieben oder die Herabsetzung von Löhnen herbeigeführt wird.
Thatsächlich sind solche Folgen bisher nur in einzelnen Zweigen des Handels
und der Industrie, nämlich in der Eisen- und der Znckerindnstrie, dem Schiff¬
ball und dem Schiffsverkehr, eingetreten. Von einer allgemeinen Notlage des
Arbeiterstandes kann daher für jetzt noch keine Rede sein. Zuzugeben ist da¬
gegen, daß die Verhältnisse der Arbeiter sich an einzelnen Orten, wo die ge¬
dachten Industriezweige ihren Hauptsitz haben, verschlechtert, und daß sie be¬
sonders in der Hauptstadt infolge des Zusammentreffens jener allgemeinen
Gründe mit besondern lokalen Umständen sich besonders ungünstig gestaltet haben.
Es ist bekannt, daß Armut und Elend im Eastcud von London chronisch
sind. Wie bereits erwähnt, hat das Mansionhonse-Komitee berichtet, daß die
Armut dort im Jahre.1885 zwar nicht so akut wie 1879 gewesen sei, daß sie
aber an Ausbreitung gegen frühere Jahre zugenommen habe. Als Ursachen
der traurigen Zustände werden angegeben: 1. der Mangel, die Unregelmäßigkeit
und die geringe Bezahlung für die Arbeit. Insbesondre wird angeführt, daß
7000 bis 8000 Dockarbeiter ohne Beschäftigung seien; 2. der Rückgang einzelner
Handelszweige und die Verlegung einzelner Etablissements in andre Stadt¬
gegenden; 3. die unrichtige Verwendung und Verteilung der Unterstützungen;
4. die hohen Mieter; 3. die Zunahme der Einwanderung nach London; 6. der
Charakter eines großen Teiles der Arbeiter, insbesondre ihre Trägheit und ihr
Mangel an Sparsamkeit.
Die Gründe dafür, daß die Zustände seit Ende 1885 sich in London noch
weiter verschlechtert haben, dürften in folgendem zu finden sein. Es darf ange¬
nommen werden, daß die in der letzten Zeit erfolgten, oben erwähnten Betriebs-
einschräntnngcn und Lvhnrcduktionen sich im Eastend nicht nur unmittelbar,
sondern auch dadurch fühlbar gemacht haben, daß sie eine große Anzahl von
beschäftigungslosen Personen in die Hauptstadt getrieben haben. Bezüglich der
Seeleute wird dies durch eine kürzlich von Sir Thomas Brassch in einem
Meeting in London gehaltene Rede bestätigt. Als ein Beleg hierfür mag auch
die steigende Eifersucht der hiesigen Arbeiter gegen den Zuzug fremder und
namentlich ausländischer Arbeitskräfte gelten. Der Hauptgrund ist aber der ganz
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |