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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

fast um Kopflänge überragte, und ging mit ihm wieder dem Ruheplatz unter
den Korkeichen zu, den er eben verlassen hatte. Sein Gesicht abwendend, als
wollte er den wiedergefundnen Freund das bittre Lächeln nicht wahrnehmen lassen,
welches seine Lippen zusammmcnzog, erwiederte er: Euer Vetter, Herr Pedro
Barrcto, hätte mich beinahe dazu gebracht, mein kindisches Gelübde zu halten!
Es ist nicht sein Verdienst, daß es für mich nicht Nacht geworden ist an der
heißen, unwirtlichen Küste von Ostafrika!

Ich weiß, ich weiß, fiel Herr Manuel ein, indem er sich auf den bemoosten
Felsblöcken niederließ und den wiedecgefundncn Freund zu sich herabzog, um
besser in das edelgeschnittene, aber bräunlich blasse und sorgcngefnrchte Gesicht
des etwa fünfundvicrzigjährigen Maunes blicken zu können. Es ist Euer Pocten-
schicksal, Luis Camoens, daß Ihr Euch in Menschen und Dingen fortgesetzt
tänscht und die eigne adliche Empfindung in klägliche Seelen hineintrage. Mein
Vetter Pedro ist einer der armseligsten Wichte dieses allergläubigsteu König¬
reiches und der größte Narr von Portugal obendrein! Es mag ein gutes
Stück Arbeit gewesen sein, dem Hochmut des würdigen Herrn die tägliche Nah¬
rung zu reichen -- aber Ihr hättet nach allem, was Ihr in Goa erlebt habt,
ein wenig bedenklicher in der Wahl Eurer Reisegesellschaft und, verzeiht mir,
ein weniger klüger sein sollen.

Luis Camoens schlug das dunkle Auge nieder und sagte, nachdem er einen
Augenblick gezögert hatte: Erführet Ihr noch nie, daß ein ärmliches Mißgeschick
uns ebensowohl verwehren kann, klug, als edel und großmütig zu handeln?
Ich sehnte mich aus Asien sort und meinte, es sei schon ein Gewinn, der Gewinn,
der Heimat ein paar hundert Meilen näher zu kommen. Das war denn frei¬
lich ein Irrtum, ich fand mich in Sofala ferner von dem Lande meiner Sehn-
sucht, als einst an der Küste von China! Doch ziemt es mir nicht, zu klagen,
da Ihr mich so freundlichen Empfangs würdigt. Laßt mich lieber wissen, wie
es Euch ergangen ist, seit wir zuletzt bei Jorge Pinto am Hafendamme vor
Goa Kanariensekt tranken und von Lissabon und den Bergen von Cintra träumten.

Es ist mir besser ergangen, als ich verdient habe, entgegnete der Edel¬
mann schlicht. Ihr wißt, daß ich Erbe der Güter meines Oheims Antao Ni-
beiro ward. Als ich aus Indien heimkehrte und in mein Recht trat, hatten
mir die Verwalter und die Behörden des Königs beinahe die Hälfte von allem
gelassen, was vorhanden gewesen war! Ihr werdet gestehen, daß Dame For¬
tuna mich noch hold angelächelt hat. Seitdem sitze ich zwischen Berg und
Meer, ans meinem Landgute Almocegcma, einem alten Maurenschlosse, sehe das
Brot, das ich esse, und den Wein, den ich trinke, wachsen, und lobe Gott vor
allem für den hellen, kühlen Quell im Hofe, den ein braver Hassen oder Omar,
welchem das Haus einst gehörte, in Stein gefaßt hat. Dort müßt Ihr bald sitzen.
Senhor Luis, es ist schattig wie hier und das Wasser so köstlich wie dieses.
Habt Ihr Euern Durst hier schon gestillt?


Grenzboten I. 1886 - y
Lamoens.

fast um Kopflänge überragte, und ging mit ihm wieder dem Ruheplatz unter
den Korkeichen zu, den er eben verlassen hatte. Sein Gesicht abwendend, als
wollte er den wiedergefundnen Freund das bittre Lächeln nicht wahrnehmen lassen,
welches seine Lippen zusammmcnzog, erwiederte er: Euer Vetter, Herr Pedro
Barrcto, hätte mich beinahe dazu gebracht, mein kindisches Gelübde zu halten!
Es ist nicht sein Verdienst, daß es für mich nicht Nacht geworden ist an der
heißen, unwirtlichen Küste von Ostafrika!

Ich weiß, ich weiß, fiel Herr Manuel ein, indem er sich auf den bemoosten
Felsblöcken niederließ und den wiedecgefundncn Freund zu sich herabzog, um
besser in das edelgeschnittene, aber bräunlich blasse und sorgcngefnrchte Gesicht
des etwa fünfundvicrzigjährigen Maunes blicken zu können. Es ist Euer Pocten-
schicksal, Luis Camoens, daß Ihr Euch in Menschen und Dingen fortgesetzt
tänscht und die eigne adliche Empfindung in klägliche Seelen hineintrage. Mein
Vetter Pedro ist einer der armseligsten Wichte dieses allergläubigsteu König¬
reiches und der größte Narr von Portugal obendrein! Es mag ein gutes
Stück Arbeit gewesen sein, dem Hochmut des würdigen Herrn die tägliche Nah¬
rung zu reichen — aber Ihr hättet nach allem, was Ihr in Goa erlebt habt,
ein wenig bedenklicher in der Wahl Eurer Reisegesellschaft und, verzeiht mir,
ein weniger klüger sein sollen.

Luis Camoens schlug das dunkle Auge nieder und sagte, nachdem er einen
Augenblick gezögert hatte: Erführet Ihr noch nie, daß ein ärmliches Mißgeschick
uns ebensowohl verwehren kann, klug, als edel und großmütig zu handeln?
Ich sehnte mich aus Asien sort und meinte, es sei schon ein Gewinn, der Gewinn,
der Heimat ein paar hundert Meilen näher zu kommen. Das war denn frei¬
lich ein Irrtum, ich fand mich in Sofala ferner von dem Lande meiner Sehn-
sucht, als einst an der Küste von China! Doch ziemt es mir nicht, zu klagen,
da Ihr mich so freundlichen Empfangs würdigt. Laßt mich lieber wissen, wie
es Euch ergangen ist, seit wir zuletzt bei Jorge Pinto am Hafendamme vor
Goa Kanariensekt tranken und von Lissabon und den Bergen von Cintra träumten.

Es ist mir besser ergangen, als ich verdient habe, entgegnete der Edel¬
mann schlicht. Ihr wißt, daß ich Erbe der Güter meines Oheims Antao Ni-
beiro ward. Als ich aus Indien heimkehrte und in mein Recht trat, hatten
mir die Verwalter und die Behörden des Königs beinahe die Hälfte von allem
gelassen, was vorhanden gewesen war! Ihr werdet gestehen, daß Dame For¬
tuna mich noch hold angelächelt hat. Seitdem sitze ich zwischen Berg und
Meer, ans meinem Landgute Almocegcma, einem alten Maurenschlosse, sehe das
Brot, das ich esse, und den Wein, den ich trinke, wachsen, und lobe Gott vor
allem für den hellen, kühlen Quell im Hofe, den ein braver Hassen oder Omar,
welchem das Haus einst gehörte, in Stein gefaßt hat. Dort müßt Ihr bald sitzen.
Senhor Luis, es ist schattig wie hier und das Wasser so köstlich wie dieses.
Habt Ihr Euern Durst hier schon gestillt?


Grenzboten I. 1886 - y
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/49>, abgerufen am 05.02.2025.