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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur ^rachtwerksindustrie.

Jllustrationswut unsrer Verleger und bei dem hierdurch wiederum bei einem
großen Teile des laufenden Publikums hervorgerufenen Verlangen nach illu-
strirten Büchern war es zu erwarten, daß auch die Geschichte der römischen
Kaiserzeit dieser Manie ihren Tribut würde bringen müssen. Es ist auch da¬
gegen so lange nichts einzuwenden, als die geschichtliche Darstellung selbst den
Maßstab für die Auswahl der Abbildungen an die Hand giebt, so lange die
letzteren interessante Erzeugnisse der Kunstthätigkeit darstellen oder so lange sie
Denkmäler mit geschichtlichem Hintergründe oder geschichtliche Ereignisse selbst
vergegenwärtigen. Gerade die römische Kaiserzeit spricht durch ihre großartige
Trümmerwelt an den Stätten klassischer Kultur wie durch die unabsehbare Menge
von Denkmälern in den verschiednen Museen so deutlich zu uns, daß eine um¬
fassende Darstellung sie ebenso wie die Zeugnisse alter Schriftsteller und die
Inschriften berücksichtigen muß. Bildliche Darstellungen dieser Denkmäler werden
deshalb, wenn die Auswahl mit richtiger, durch archäologisches, überhaupt kunst-
geschichtliches Wissen gereifter Kritik, mit Geschmack und mit Sinn für das
Wichtige und das Nebensächliche geschieht, immerhin eine angenehme Ergänzung
des Textes bilden.

Im allgemeinen kann man nicht leugnen, daß unsre Verleger in der Pracht-
werkslitcratur der letzten zehn Jahre eine Fülle vorzüglicher Holzschnitte geliefert
haben; teilweise ist ganz außerordentliches geleistet wordeu. Umsomehr ist es
nun zu verwundern, wenn man bei der gegenwärtigen Vollendung des deutschen
Holzschnittes dein Publikum Produkte französischer Technik aufzutischen unter¬
nimmt, die selbst den billigsten Anforderungen eines nur nach Abbildungen
hungrigen Lesers Hohn sprechen. Dieser Vorwurf irifft aber, vou gewissen Aus¬
nahmen abgesehen, besonders Duruys Kaisergeschichte. Die Nusuahmeu bilden
die Illustrationen, die, Klcinpauls "Rom" entnommen, zwar anch Erzeugnisse
französischer Technik, aber doch nach guten photographischen Aufnahmen ange¬
fertigt sind. Die übrige Masse aber ist nach Zeichnungen geschnitten, denen
man entweder l>, priori Unvermögen in der Auffassung plastischer Formen zu¬
sprechen muß, oder die in der Reproduktion durch deu Holzschnitt einen sehr
zweifelhaften Charakter angenommen haben. Besonders sind es die Porträt¬
köpfe (Büsten und geschnittene Steine) und Porträtstatnen, die eine unglaubliche
Rohheit der Technik zeigen. Die Übertragung von Porträts in den Holzschnitt
ist keine handwerksmäßige Sache, sondern es bedarf dazu der Hand eines ge¬
schickten Künstlers, der in feinem Gefühle für das Charakteristische und Indi¬
viduelle Portrütähulichkeit erzielt, ohne dabei die durch künstlerische Gesetze
gezogenen Schranken außer Acht zu lassen. Eine feine Linienführung in Längen-
und Kreuzlagcu, Sinn für wirksame Kontraste, feine Abtönung und geschickter
Übergang vom Licht zum Schatten sind es, welche dann den Holzschnitt zum
Kunstwerke machen können. Ob Porträtstatnen und Büsten ans Marmor nach
dem genannten Verfahren herzustellen seien und ob nicht eine Reproduktion


Zur ^rachtwerksindustrie.

Jllustrationswut unsrer Verleger und bei dem hierdurch wiederum bei einem
großen Teile des laufenden Publikums hervorgerufenen Verlangen nach illu-
strirten Büchern war es zu erwarten, daß auch die Geschichte der römischen
Kaiserzeit dieser Manie ihren Tribut würde bringen müssen. Es ist auch da¬
gegen so lange nichts einzuwenden, als die geschichtliche Darstellung selbst den
Maßstab für die Auswahl der Abbildungen an die Hand giebt, so lange die
letzteren interessante Erzeugnisse der Kunstthätigkeit darstellen oder so lange sie
Denkmäler mit geschichtlichem Hintergründe oder geschichtliche Ereignisse selbst
vergegenwärtigen. Gerade die römische Kaiserzeit spricht durch ihre großartige
Trümmerwelt an den Stätten klassischer Kultur wie durch die unabsehbare Menge
von Denkmälern in den verschiednen Museen so deutlich zu uns, daß eine um¬
fassende Darstellung sie ebenso wie die Zeugnisse alter Schriftsteller und die
Inschriften berücksichtigen muß. Bildliche Darstellungen dieser Denkmäler werden
deshalb, wenn die Auswahl mit richtiger, durch archäologisches, überhaupt kunst-
geschichtliches Wissen gereifter Kritik, mit Geschmack und mit Sinn für das
Wichtige und das Nebensächliche geschieht, immerhin eine angenehme Ergänzung
des Textes bilden.

Im allgemeinen kann man nicht leugnen, daß unsre Verleger in der Pracht-
werkslitcratur der letzten zehn Jahre eine Fülle vorzüglicher Holzschnitte geliefert
haben; teilweise ist ganz außerordentliches geleistet wordeu. Umsomehr ist es
nun zu verwundern, wenn man bei der gegenwärtigen Vollendung des deutschen
Holzschnittes dein Publikum Produkte französischer Technik aufzutischen unter¬
nimmt, die selbst den billigsten Anforderungen eines nur nach Abbildungen
hungrigen Lesers Hohn sprechen. Dieser Vorwurf irifft aber, vou gewissen Aus¬
nahmen abgesehen, besonders Duruys Kaisergeschichte. Die Nusuahmeu bilden
die Illustrationen, die, Klcinpauls „Rom" entnommen, zwar anch Erzeugnisse
französischer Technik, aber doch nach guten photographischen Aufnahmen ange¬
fertigt sind. Die übrige Masse aber ist nach Zeichnungen geschnitten, denen
man entweder l>, priori Unvermögen in der Auffassung plastischer Formen zu¬
sprechen muß, oder die in der Reproduktion durch deu Holzschnitt einen sehr
zweifelhaften Charakter angenommen haben. Besonders sind es die Porträt¬
köpfe (Büsten und geschnittene Steine) und Porträtstatnen, die eine unglaubliche
Rohheit der Technik zeigen. Die Übertragung von Porträts in den Holzschnitt
ist keine handwerksmäßige Sache, sondern es bedarf dazu der Hand eines ge¬
schickten Künstlers, der in feinem Gefühle für das Charakteristische und Indi¬
viduelle Portrütähulichkeit erzielt, ohne dabei die durch künstlerische Gesetze
gezogenen Schranken außer Acht zu lassen. Eine feine Linienführung in Längen-
und Kreuzlagcu, Sinn für wirksame Kontraste, feine Abtönung und geschickter
Übergang vom Licht zum Schatten sind es, welche dann den Holzschnitt zum
Kunstwerke machen können. Ob Porträtstatnen und Büsten ans Marmor nach
dem genannten Verfahren herzustellen seien und ob nicht eine Reproduktion


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[0476] Zur ^rachtwerksindustrie. Jllustrationswut unsrer Verleger und bei dem hierdurch wiederum bei einem großen Teile des laufenden Publikums hervorgerufenen Verlangen nach illu- strirten Büchern war es zu erwarten, daß auch die Geschichte der römischen Kaiserzeit dieser Manie ihren Tribut würde bringen müssen. Es ist auch da¬ gegen so lange nichts einzuwenden, als die geschichtliche Darstellung selbst den Maßstab für die Auswahl der Abbildungen an die Hand giebt, so lange die letzteren interessante Erzeugnisse der Kunstthätigkeit darstellen oder so lange sie Denkmäler mit geschichtlichem Hintergründe oder geschichtliche Ereignisse selbst vergegenwärtigen. Gerade die römische Kaiserzeit spricht durch ihre großartige Trümmerwelt an den Stätten klassischer Kultur wie durch die unabsehbare Menge von Denkmälern in den verschiednen Museen so deutlich zu uns, daß eine um¬ fassende Darstellung sie ebenso wie die Zeugnisse alter Schriftsteller und die Inschriften berücksichtigen muß. Bildliche Darstellungen dieser Denkmäler werden deshalb, wenn die Auswahl mit richtiger, durch archäologisches, überhaupt kunst- geschichtliches Wissen gereifter Kritik, mit Geschmack und mit Sinn für das Wichtige und das Nebensächliche geschieht, immerhin eine angenehme Ergänzung des Textes bilden. Im allgemeinen kann man nicht leugnen, daß unsre Verleger in der Pracht- werkslitcratur der letzten zehn Jahre eine Fülle vorzüglicher Holzschnitte geliefert haben; teilweise ist ganz außerordentliches geleistet wordeu. Umsomehr ist es nun zu verwundern, wenn man bei der gegenwärtigen Vollendung des deutschen Holzschnittes dein Publikum Produkte französischer Technik aufzutischen unter¬ nimmt, die selbst den billigsten Anforderungen eines nur nach Abbildungen hungrigen Lesers Hohn sprechen. Dieser Vorwurf irifft aber, vou gewissen Aus¬ nahmen abgesehen, besonders Duruys Kaisergeschichte. Die Nusuahmeu bilden die Illustrationen, die, Klcinpauls „Rom" entnommen, zwar anch Erzeugnisse französischer Technik, aber doch nach guten photographischen Aufnahmen ange¬ fertigt sind. Die übrige Masse aber ist nach Zeichnungen geschnitten, denen man entweder l>, priori Unvermögen in der Auffassung plastischer Formen zu¬ sprechen muß, oder die in der Reproduktion durch deu Holzschnitt einen sehr zweifelhaften Charakter angenommen haben. Besonders sind es die Porträt¬ köpfe (Büsten und geschnittene Steine) und Porträtstatnen, die eine unglaubliche Rohheit der Technik zeigen. Die Übertragung von Porträts in den Holzschnitt ist keine handwerksmäßige Sache, sondern es bedarf dazu der Hand eines ge¬ schickten Künstlers, der in feinem Gefühle für das Charakteristische und Indi¬ viduelle Portrütähulichkeit erzielt, ohne dabei die durch künstlerische Gesetze gezogenen Schranken außer Acht zu lassen. Eine feine Linienführung in Längen- und Kreuzlagcu, Sinn für wirksame Kontraste, feine Abtönung und geschickter Übergang vom Licht zum Schatten sind es, welche dann den Holzschnitt zum Kunstwerke machen können. Ob Porträtstatnen und Büsten ans Marmor nach dem genannten Verfahren herzustellen seien und ob nicht eine Reproduktion

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/476>, abgerufen am 05.02.2025.