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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoöns.

von dem er den breiten Hut abnahm, auf den Arm legend, ganz wie einer,
der solches Lager von alters her gewohnt ist. Er schien behaglich dem Rauschen
des Wassers über und unter sich zu lausche". In dem dunkeln linken Ange
des Mannes -- das rechte war mit einem schmalen, brannen Seidentuch ver¬
hüllt -- war jedoch ein Ausdruck, ein träumerischer stiller Glanz, welcher verriet,
daß er in der wolkenlosen Bläue über sich mehr wahrnahm, als ein andrer
erblickt hätte.

Er würde noch länger aufgeschaut haben, wenn ihm die einsame Nast im
Schatten der Korkeichen weiter gegönnt worden wäre. Aber selbst ein Träumer,
wie er, mußte zuletzt Wohl die Laute vernehmen, die aus einiger Entfernung
von der Straße in die Schlucht herabdrängen. Scheltende und bittende
Stimmen, dazwischen der rasche Trab eines Pferdes oder Maultieres, das
.Wälschen einer Peitsche und dann wieder heftiger Wortwechsel wurden von jener
Seite hörbar, wo der Weg ans der Senkung gegen das Kloster zum heiligen
Kreuz anstieg. Der Austauschende konnte eine wiederholte heftige Abweisung
und darauf fremde, rauhe Stimmen, halb bittend, halb drohend, unterscheiden.

Unwillkürlich griff er an den Knauf feines Schwertes, einer guten spanischen
Klinge, die in unscheinbarer Lederscheide ruhte. Gleich darauf aber ließ er die
Rechte lässig wieder vom Griff gleiten und lächelte vor sich hin, da er jetzt
die Worte der scheltenden Stimme wohl unterschied:

Nicht einen Fajardo sollt ihr Hallunken haben, wenn ihr mir noch einmal
erzählt, daß ihr Hunger leidet! Habe ich nicht mit meinem Gott sei Dank
guten Augen gesehen, wie ihr alle Armensuppe der frommen Brüder von
Santa Cruz in eure Mäuler hinabschüttetet, sodaß für andre, bedürftigere
kaum eine Schüssel voll übrig blieb? Hat nicht jeder von euch so viel Mais¬
brot eingesteckt, als ihr nur in die Taschen eurer Jacken stopfen konntet? Und
schaut nicht dem Langen dort ans dem Gurt der Pluderhose ein Schinken¬
knochen hervor, den ihm der Bruder Küchenmeister jedenfalls nicht mitgegeben
hat? Wollt ihr also sagen, daß ihr Durst habt und als Vorgeschmack der
Hölle geschwefelten Wein von Carmvellos trinken müßt, und wollt ihr mir
eine Bedingung erfüllen, so soll mirs auf ein paar Kupfermünzen nicht an¬
kommen.

Euer Herrlichkeit hat zu befehlen! hörte der Lauscher antworten. Wir
sind arme, abgedankte Seeleute und es stünde uns schlecht an, einem vornehmen
und großmüchtigen Herrn zu widersprechen. Wir haben also Durst, und weil
es nach Eurer Herrlichkeit Befehl Wein von Carcavellos sein soll, in dem wir
ihn löschen, so werdet Ihr schon etwas Silber statt Kupfer an uns wenden
müssen. Euer Gnaden Bedingung aber --

Ist einfach und wird euch uicht beschweren, versetzte der Angebettelte,
dessen Stimme in dem Gesichte des stattlichen Mannes in der Schlucht einen
eigentümlichen Ausdruck von Spannung hervorrief. Der Lauschende hatte sich


Lamoöns.

von dem er den breiten Hut abnahm, auf den Arm legend, ganz wie einer,
der solches Lager von alters her gewohnt ist. Er schien behaglich dem Rauschen
des Wassers über und unter sich zu lausche». In dem dunkeln linken Ange
des Mannes — das rechte war mit einem schmalen, brannen Seidentuch ver¬
hüllt — war jedoch ein Ausdruck, ein träumerischer stiller Glanz, welcher verriet,
daß er in der wolkenlosen Bläue über sich mehr wahrnahm, als ein andrer
erblickt hätte.

Er würde noch länger aufgeschaut haben, wenn ihm die einsame Nast im
Schatten der Korkeichen weiter gegönnt worden wäre. Aber selbst ein Träumer,
wie er, mußte zuletzt Wohl die Laute vernehmen, die aus einiger Entfernung
von der Straße in die Schlucht herabdrängen. Scheltende und bittende
Stimmen, dazwischen der rasche Trab eines Pferdes oder Maultieres, das
.Wälschen einer Peitsche und dann wieder heftiger Wortwechsel wurden von jener
Seite hörbar, wo der Weg ans der Senkung gegen das Kloster zum heiligen
Kreuz anstieg. Der Austauschende konnte eine wiederholte heftige Abweisung
und darauf fremde, rauhe Stimmen, halb bittend, halb drohend, unterscheiden.

Unwillkürlich griff er an den Knauf feines Schwertes, einer guten spanischen
Klinge, die in unscheinbarer Lederscheide ruhte. Gleich darauf aber ließ er die
Rechte lässig wieder vom Griff gleiten und lächelte vor sich hin, da er jetzt
die Worte der scheltenden Stimme wohl unterschied:

Nicht einen Fajardo sollt ihr Hallunken haben, wenn ihr mir noch einmal
erzählt, daß ihr Hunger leidet! Habe ich nicht mit meinem Gott sei Dank
guten Augen gesehen, wie ihr alle Armensuppe der frommen Brüder von
Santa Cruz in eure Mäuler hinabschüttetet, sodaß für andre, bedürftigere
kaum eine Schüssel voll übrig blieb? Hat nicht jeder von euch so viel Mais¬
brot eingesteckt, als ihr nur in die Taschen eurer Jacken stopfen konntet? Und
schaut nicht dem Langen dort ans dem Gurt der Pluderhose ein Schinken¬
knochen hervor, den ihm der Bruder Küchenmeister jedenfalls nicht mitgegeben
hat? Wollt ihr also sagen, daß ihr Durst habt und als Vorgeschmack der
Hölle geschwefelten Wein von Carmvellos trinken müßt, und wollt ihr mir
eine Bedingung erfüllen, so soll mirs auf ein paar Kupfermünzen nicht an¬
kommen.

Euer Herrlichkeit hat zu befehlen! hörte der Lauscher antworten. Wir
sind arme, abgedankte Seeleute und es stünde uns schlecht an, einem vornehmen
und großmüchtigen Herrn zu widersprechen. Wir haben also Durst, und weil
es nach Eurer Herrlichkeit Befehl Wein von Carcavellos sein soll, in dem wir
ihn löschen, so werdet Ihr schon etwas Silber statt Kupfer an uns wenden
müssen. Euer Gnaden Bedingung aber —

Ist einfach und wird euch uicht beschweren, versetzte der Angebettelte,
dessen Stimme in dem Gesichte des stattlichen Mannes in der Schlucht einen
eigentümlichen Ausdruck von Spannung hervorrief. Der Lauschende hatte sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/47>, abgerufen am 05.02.2025.