Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Schiffsncnnon, Auf jedem Gebiete spielen Äußerlichkeiten eine gewisse Rolle, und es ist Man spreche dem deutschen Volke den Reichtum an irdischen Gütern, man So lange es seefahrende Nationen giebt, so lange war es Sitte und Gebrauch, Schiffsncnnon, Auf jedem Gebiete spielen Äußerlichkeiten eine gewisse Rolle, und es ist Man spreche dem deutschen Volke den Reichtum an irdischen Gütern, man So lange es seefahrende Nationen giebt, so lange war es Sitte und Gebrauch, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197893"/> <fw type="header" place="top"> Schiffsncnnon,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1355"> Auf jedem Gebiete spielen Äußerlichkeiten eine gewisse Rolle, und es ist<lb/> nicht immer richtig, sie — weil es eben Äußerlichkeiten sind — mit Nichtachtung<lb/> zu behandeln, ihnen diejenige Aufmerksamkeit zu versagen, die sie wohl verdienen.<lb/> So hat auch das Leben und Treiben, welches mit dem Bau, der Vollendung<lb/> und der Bestimmung der Schiffe verbunden ist, gewisse Äußerlichkeiten, die nicht<lb/> allein mit Wohlwollen, sondern bei den hauptseefahrenden Nationen sogar mit<lb/> einer gewissen Poesie behandelt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1356"> Man spreche dem deutschen Volke den Reichtum an irdischen Gütern, man<lb/> spreche ihm — und es geschieht nicht selten, selbst von hervorragender Stelle —<lb/> den nationalen Sinn, den Geist des Zusammenhaltens ab, die dichterische<lb/> Denkungsart, einen romantischen, der Phantasie folgenden Hang wird man ihm<lb/> sicher nicht absprechen können. Fast auf allen Gebieten tritt er zu Tage; ja<lb/> es läßt sich sogar behaupten, daß er ans Gebieten, die lediglich praktischer Natur<lb/> sind und ihn wohl entbehren könnten, zuweilen hindernd in den Weg tritt.<lb/> Dagegen giebt es Gebiete, wo er recht eigentlich hingehört, und es scheint<lb/> seltsam, daß man ihn auf solchen Gebieten doch manchmal zu vermissen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1357"> So lange es seefahrende Nationen giebt, so lange war es Sitte und Gebrauch,<lb/> teils aus praktischen, teils aus sentimentalen Gründen, den Schiffen Namen zu<lb/> geben. Das Feierliche, Stille, die gewissermaßen geisterhafte Bewegung, die<lb/> dem am weiten Seehorizont erscheinenden Schiffe anhaftet, macht es zum lebenden<lb/> Wesen. Auch die rohesten Völker haben sich dieser Poesie zugänglich gezeigt<lb/> und haben vorzugsweise ihren Schiffen die Namen von Personen beigelegt.<lb/> Daß man auch Länder-, Städte-, Flußnamcn wählte, war erst einer neueren<lb/> Zeit vorbehalten. Früher hatten für solche Zwecke Männernamen für das<lb/> Große und Starke, Frauen- und Mädchennamen für das Zierliche und Leichte<lb/> in der Hauptsache den Vorrang. In monarchischen Staaten nahmen selbst¬<lb/> verständlich die Namen des Herrscherhauses eine» Hauptplatz ein, und wo die<lb/> Landeskirche eine lange Liste von Heiligennamen bot, da pflegte man diese Ver¬<lb/> treter des frommen Glaubens mit Vorliebe in den auf Kampf und Zerstörung<lb/> ausgehende» Flotten und in den Namen ihrer Schiffe wiederzufinden. Im<lb/> Punkte der Fürstennamen suchte man anch die Größe und Macht des Fahr¬<lb/> zeuges in Einklang zu bringen mit der Erhabenheit des Nameusträgers. Zur<lb/> Zeit Heinrichs VIII. war es der drsa.t Hg.rr^, zur Zeit Ludwigs XIV. der<lb/> Loleil Royiü, zu der des zweiten Georg die (jusvir Llmrlotts, die auch in den<lb/> Seeschlachten ihrer Zeit den ersten Rang und die Hauptbedeutung in Anspruch<lb/> nahmen. Wo immer das monarchische Regiment sich am kräftigsten ausdrückte,<lb/> da standen die Namen der Fürsten, und nächst ihnen die Namen berühmter<lb/> Helden in See- und Landschlachten, sodann auch die Namen der Plätze, wo<lb/> diese geliefert wurden, im Vordergründe ; dagegen glänzten die Heiligen- und die<lb/> Apostelnamen überall da, wo die Kirche Roms, des östlichen wie des westlichen,<lb/> und ihre Vertreter mit den dynastischen Namen den gleichen Rang beanspruchten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Schiffsncnnon,
Auf jedem Gebiete spielen Äußerlichkeiten eine gewisse Rolle, und es ist
nicht immer richtig, sie — weil es eben Äußerlichkeiten sind — mit Nichtachtung
zu behandeln, ihnen diejenige Aufmerksamkeit zu versagen, die sie wohl verdienen.
So hat auch das Leben und Treiben, welches mit dem Bau, der Vollendung
und der Bestimmung der Schiffe verbunden ist, gewisse Äußerlichkeiten, die nicht
allein mit Wohlwollen, sondern bei den hauptseefahrenden Nationen sogar mit
einer gewissen Poesie behandelt werden.
Man spreche dem deutschen Volke den Reichtum an irdischen Gütern, man
spreche ihm — und es geschieht nicht selten, selbst von hervorragender Stelle —
den nationalen Sinn, den Geist des Zusammenhaltens ab, die dichterische
Denkungsart, einen romantischen, der Phantasie folgenden Hang wird man ihm
sicher nicht absprechen können. Fast auf allen Gebieten tritt er zu Tage; ja
es läßt sich sogar behaupten, daß er ans Gebieten, die lediglich praktischer Natur
sind und ihn wohl entbehren könnten, zuweilen hindernd in den Weg tritt.
Dagegen giebt es Gebiete, wo er recht eigentlich hingehört, und es scheint
seltsam, daß man ihn auf solchen Gebieten doch manchmal zu vermissen hat.
So lange es seefahrende Nationen giebt, so lange war es Sitte und Gebrauch,
teils aus praktischen, teils aus sentimentalen Gründen, den Schiffen Namen zu
geben. Das Feierliche, Stille, die gewissermaßen geisterhafte Bewegung, die
dem am weiten Seehorizont erscheinenden Schiffe anhaftet, macht es zum lebenden
Wesen. Auch die rohesten Völker haben sich dieser Poesie zugänglich gezeigt
und haben vorzugsweise ihren Schiffen die Namen von Personen beigelegt.
Daß man auch Länder-, Städte-, Flußnamcn wählte, war erst einer neueren
Zeit vorbehalten. Früher hatten für solche Zwecke Männernamen für das
Große und Starke, Frauen- und Mädchennamen für das Zierliche und Leichte
in der Hauptsache den Vorrang. In monarchischen Staaten nahmen selbst¬
verständlich die Namen des Herrscherhauses eine» Hauptplatz ein, und wo die
Landeskirche eine lange Liste von Heiligennamen bot, da pflegte man diese Ver¬
treter des frommen Glaubens mit Vorliebe in den auf Kampf und Zerstörung
ausgehende» Flotten und in den Namen ihrer Schiffe wiederzufinden. Im
Punkte der Fürstennamen suchte man anch die Größe und Macht des Fahr¬
zeuges in Einklang zu bringen mit der Erhabenheit des Nameusträgers. Zur
Zeit Heinrichs VIII. war es der drsa.t Hg.rr^, zur Zeit Ludwigs XIV. der
Loleil Royiü, zu der des zweiten Georg die (jusvir Llmrlotts, die auch in den
Seeschlachten ihrer Zeit den ersten Rang und die Hauptbedeutung in Anspruch
nahmen. Wo immer das monarchische Regiment sich am kräftigsten ausdrückte,
da standen die Namen der Fürsten, und nächst ihnen die Namen berühmter
Helden in See- und Landschlachten, sodann auch die Namen der Plätze, wo
diese geliefert wurden, im Vordergründe ; dagegen glänzten die Heiligen- und die
Apostelnamen überall da, wo die Kirche Roms, des östlichen wie des westlichen,
und ihre Vertreter mit den dynastischen Namen den gleichen Rang beanspruchten.
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