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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Deutschon in Ncivyori'.

werden vielfach von schweren Träumen geängstigt, welche das Übergewicht und
die einstige Herrschaft des deutschen Elementes in den I nil> >! KtAtvs zum
-- leider nur allzu schemenhaften -- Inhalt haben, die Presse betet nur zu gerne
solche Einflüsterungen nach, und eines steht fest: daß man unsern Landsleuten
keinen schlechtem Dienst erweisen könnte, als wenn man vom Mutterlande aus
eine Vertretung heimischer Interessen von ihnen verlangte, als ob diese Inter¬
essen auf beiden Seiten einnnddieselben und vereinbar seien.

Und doch -- wir bitten noch um einen Augenblick Geduld --, mag sich
jeder Einsichtige noch so klar sein, daß wirtschaftlich und politisch unsre deutschen
Brüder jenseits des Ozeans für uns verloren sind, daß jeder uns verloren ist,
der ihnen folgt, wir dürfen uns hierbei nicht beruhigen; wir dürfen das dorthin
versprengte deutsche Element nicht gleichgiltig sich selbst überlassen; wir dürfen
nicht aufhören, es in seiner Entwicklung mit dem lebhaftesten Interesse zu ver¬
folgen, denn die Augen aller Nationen sind auf dieses Element gerichtet; man
mißt den Deutschen nach der Art, wie er sich in einer so ausgesetzten Stellung
behauptet, und trotz jedes Verzichtes sind wir im höchsten Maße dabei beteiligt,
wie sich in nationaler Beziehung, in Beziehung ans das Fortleben der Rasse
die Zukunft der Deutschen jenseits des Ozeans gestaltet. Wird dieses Deutsch-
tum zertreten, eingestampft, aufgesogen, verdaut, so ist dies für uns ein Schlag
ins Gesicht, das Deutschtum ist nichts wert, sagt die Welt, man sieht es in
Amerika! und die nationale Bewegung in nnserm eignen Herzen erleidet eine
schwere Niederlage. Gelingt es dagegen, den Nasfenstolz in unsern deutschen
Brüdern jenseits des Ozeans zu kräftigen, gelingt es, dort ein Deutschtum
zu erhalten, wie emanzipirt es auch immer sei -- so bedeutet dies eine
Stärkung des nationalen Gedankens, die einem untergeordneten Praktiker
vielleicht wertlos, dem idealeren Politiker jedoch vvnungemesfener Bedeutung
fein muß.

Und nun, nachdem wir die Hauptschwierigkeiten gewürdigt und die Haupt-
gesichtspunkte hervorgehoben haben, die wir bei dem Folgenden gleichsam als
Unterton hie und da mitschwingen zu lassen bitten, wollen wir uns zu unserm
Thema wenden, zu den Deutschen von Ncwhork.

Wer in Hoboken von einen" Hamburger Packet- oder Bremer Llohddampfer
auf amerikanischen Boden tritt, fühlt sich aufs eigentümlichste berührt, weil
überall heimische Laute an sein Ohr schlagen. Das Städtchen Hoboken, welches,
am rechten Hudsonufer Newhork gegenüber gelegen, die Docks für jene Schiffe
birgt, mag zur Zeit etwa 30 000 Einwohner zählen, wovon nach oberflächlicher
Schätzung zwei Drittel Deutsche sind. Die Schiffsoffiziere bringen uns dort
in einen vollkommen deutschen Gasthof, sie führen uns dann in eine Kneipe,
wo deutsches Bier mit deutschem Gelde bezahlt wird, und landen wir an einem
Winternachmittage, so ist die "deutsche Oper" unvermeidlich, ein etwas feuchter
Knnsttcmpel, der sich freilich nicht über "Köck und Juste" und ähnliche "Musik-


Die Deutschon in Ncivyori'.

werden vielfach von schweren Träumen geängstigt, welche das Übergewicht und
die einstige Herrschaft des deutschen Elementes in den I nil> >! KtAtvs zum
— leider nur allzu schemenhaften — Inhalt haben, die Presse betet nur zu gerne
solche Einflüsterungen nach, und eines steht fest: daß man unsern Landsleuten
keinen schlechtem Dienst erweisen könnte, als wenn man vom Mutterlande aus
eine Vertretung heimischer Interessen von ihnen verlangte, als ob diese Inter¬
essen auf beiden Seiten einnnddieselben und vereinbar seien.

Und doch — wir bitten noch um einen Augenblick Geduld —, mag sich
jeder Einsichtige noch so klar sein, daß wirtschaftlich und politisch unsre deutschen
Brüder jenseits des Ozeans für uns verloren sind, daß jeder uns verloren ist,
der ihnen folgt, wir dürfen uns hierbei nicht beruhigen; wir dürfen das dorthin
versprengte deutsche Element nicht gleichgiltig sich selbst überlassen; wir dürfen
nicht aufhören, es in seiner Entwicklung mit dem lebhaftesten Interesse zu ver¬
folgen, denn die Augen aller Nationen sind auf dieses Element gerichtet; man
mißt den Deutschen nach der Art, wie er sich in einer so ausgesetzten Stellung
behauptet, und trotz jedes Verzichtes sind wir im höchsten Maße dabei beteiligt,
wie sich in nationaler Beziehung, in Beziehung ans das Fortleben der Rasse
die Zukunft der Deutschen jenseits des Ozeans gestaltet. Wird dieses Deutsch-
tum zertreten, eingestampft, aufgesogen, verdaut, so ist dies für uns ein Schlag
ins Gesicht, das Deutschtum ist nichts wert, sagt die Welt, man sieht es in
Amerika! und die nationale Bewegung in nnserm eignen Herzen erleidet eine
schwere Niederlage. Gelingt es dagegen, den Nasfenstolz in unsern deutschen
Brüdern jenseits des Ozeans zu kräftigen, gelingt es, dort ein Deutschtum
zu erhalten, wie emanzipirt es auch immer sei — so bedeutet dies eine
Stärkung des nationalen Gedankens, die einem untergeordneten Praktiker
vielleicht wertlos, dem idealeren Politiker jedoch vvnungemesfener Bedeutung
fein muß.

Und nun, nachdem wir die Hauptschwierigkeiten gewürdigt und die Haupt-
gesichtspunkte hervorgehoben haben, die wir bei dem Folgenden gleichsam als
Unterton hie und da mitschwingen zu lassen bitten, wollen wir uns zu unserm
Thema wenden, zu den Deutschen von Ncwhork.

Wer in Hoboken von einen» Hamburger Packet- oder Bremer Llohddampfer
auf amerikanischen Boden tritt, fühlt sich aufs eigentümlichste berührt, weil
überall heimische Laute an sein Ohr schlagen. Das Städtchen Hoboken, welches,
am rechten Hudsonufer Newhork gegenüber gelegen, die Docks für jene Schiffe
birgt, mag zur Zeit etwa 30 000 Einwohner zählen, wovon nach oberflächlicher
Schätzung zwei Drittel Deutsche sind. Die Schiffsoffiziere bringen uns dort
in einen vollkommen deutschen Gasthof, sie führen uns dann in eine Kneipe,
wo deutsches Bier mit deutschem Gelde bezahlt wird, und landen wir an einem
Winternachmittage, so ist die „deutsche Oper" unvermeidlich, ein etwas feuchter
Knnsttcmpel, der sich freilich nicht über „Köck und Juste" und ähnliche „Musik-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/460>, abgerufen am 05.02.2025.