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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Deutschen in Newyork.

werter und Arbeiter, welche viel zu schwerfällig sind, um uicht so ziemlich alles
von ihrer heimischen Art einzubüßen, während sie sich dem großen Umdcnkungs-
prozeß unterziehen, sich dem amerikanischen Leben und besonders den: politischen
und kommunalen Leben anpassen. Es sind nicht immer die besten, im Gegen¬
teil vielfach gerade die minderwertigen und stupideren Elemente, welche ihr
Volkstum länger festhalten, namentlich die ganz Unfähigen, welche das Eng¬
lische nie erlernen.

Die praktische Folge, die sich unweigerlich aus dem Hineinziehen des Deut¬
schen in die amerikanische Interessensphäre ergiebt, ist eine Teilnahme an den
Geschicke" der neuen Heimat, die, wem? auch im Anfang noch so lästig, schlie߬
lich wohl immer spontan wird, und nun kommt zu den erwähnten Schwierig¬
keiten noch eine weitere. Dies ist die außerordentliche nationale Eitelkeit und
Reizbarkeit der Herren des Landes, die in dieser Beziehung den Spaniern und
Franzosen gleichstehen, die Engländer noch übertreffen. Abgesehen davon, daß
der trennende Ozean nur einem Bruchteil Begüterter ermöglicht, den Kontinent
zu sehen, sind es doch allein die wenigen Hochgebildeten, die etwas beschämt
"ut in sich gekehrt nach Hause kommen; das Gros mit seinem unhistorischen,
unphilosophischen Sinn, der über nichts nachdenkt als über das geliebte nemo^
MÄliing-, rennt stumpfsinnig und verständnislos an den reizvollsten Stätten
unsrer alten Kultur vorüber; der zurückbleibende Rest aber ist vollends geneigt,
uns ernsthaft zu fragen, ob wir in Deutschland Eisenbahnen und Telegraphen
hätten (ein> .pou Ks-of tslöAraxkis in Aorinmr/? von't 8-^ tuae!), und
hält irgend einen sdox Iceexer vom Lande für ein viel höher organisirtes Wesen
als einen festländischen Minister. Nirgends in der Welt trifft man eine so hoch
entwickelte Fähigkeit, über dasjenige abzuurteilen, was man nicht versteht
(voromon wird es drüben genannt), und dies alles im Verein mit dem
beklagenswerten Götzendienst des Mutterlandes, welches fast ein Jahrhundert
lang vor dem "jungen Niesen" urteilslos auf den Knieen lag, haben einen der¬
artig beschränkten Dünkel erzogen und das Selbstgefühl des Amerikaners in
einer Weise hinaufgeschraubt, daß er nahezu unfähig geworden ist, der Eigenart
einer andern Nationalität gerecht zu werden. So haben denn vor allem das
Mißtrauen und die unverhohlene Verachtung, mit der die Klasse, welche das
Heft in den Händen hielt, von Anbeginn auf die Deutschen herabsah, dem Auf-
sauguugsprozeß außerordentlichen Vorschub geleistet. Nur wenige fühlten, be¬
sonders in früherer Zeit, den Halt in sich, standhaft den blooä^ vrckolurmn. zu
spielen. Ganz schweigen wollen wir von den Kindern, den ullis Dntolüös, den
ewigen Opfern von Hänselei und Spott auf der Straße und in den Schulen.

Neuerdings ist nun mit der steigenden Wohlhabende.it des deutschen Ele¬
mentes und besonders mit dem konstatirten Rückgange der anglo-amerikanischen
Rasse in Bezug auf die Fortpflanzung, das Mißtrauen gegen unsre Stammes¬
brüder in politischer Beziehung noch gewachsen. Die amerikanischen Volkswirte


Die Deutschen in Newyork.

werter und Arbeiter, welche viel zu schwerfällig sind, um uicht so ziemlich alles
von ihrer heimischen Art einzubüßen, während sie sich dem großen Umdcnkungs-
prozeß unterziehen, sich dem amerikanischen Leben und besonders den: politischen
und kommunalen Leben anpassen. Es sind nicht immer die besten, im Gegen¬
teil vielfach gerade die minderwertigen und stupideren Elemente, welche ihr
Volkstum länger festhalten, namentlich die ganz Unfähigen, welche das Eng¬
lische nie erlernen.

Die praktische Folge, die sich unweigerlich aus dem Hineinziehen des Deut¬
schen in die amerikanische Interessensphäre ergiebt, ist eine Teilnahme an den
Geschicke» der neuen Heimat, die, wem? auch im Anfang noch so lästig, schlie߬
lich wohl immer spontan wird, und nun kommt zu den erwähnten Schwierig¬
keiten noch eine weitere. Dies ist die außerordentliche nationale Eitelkeit und
Reizbarkeit der Herren des Landes, die in dieser Beziehung den Spaniern und
Franzosen gleichstehen, die Engländer noch übertreffen. Abgesehen davon, daß
der trennende Ozean nur einem Bruchteil Begüterter ermöglicht, den Kontinent
zu sehen, sind es doch allein die wenigen Hochgebildeten, die etwas beschämt
»ut in sich gekehrt nach Hause kommen; das Gros mit seinem unhistorischen,
unphilosophischen Sinn, der über nichts nachdenkt als über das geliebte nemo^
MÄliing-, rennt stumpfsinnig und verständnislos an den reizvollsten Stätten
unsrer alten Kultur vorüber; der zurückbleibende Rest aber ist vollends geneigt,
uns ernsthaft zu fragen, ob wir in Deutschland Eisenbahnen und Telegraphen
hätten (ein> .pou Ks-of tslöAraxkis in Aorinmr/? von't 8-^ tuae!), und
hält irgend einen sdox Iceexer vom Lande für ein viel höher organisirtes Wesen
als einen festländischen Minister. Nirgends in der Welt trifft man eine so hoch
entwickelte Fähigkeit, über dasjenige abzuurteilen, was man nicht versteht
(voromon wird es drüben genannt), und dies alles im Verein mit dem
beklagenswerten Götzendienst des Mutterlandes, welches fast ein Jahrhundert
lang vor dem „jungen Niesen" urteilslos auf den Knieen lag, haben einen der¬
artig beschränkten Dünkel erzogen und das Selbstgefühl des Amerikaners in
einer Weise hinaufgeschraubt, daß er nahezu unfähig geworden ist, der Eigenart
einer andern Nationalität gerecht zu werden. So haben denn vor allem das
Mißtrauen und die unverhohlene Verachtung, mit der die Klasse, welche das
Heft in den Händen hielt, von Anbeginn auf die Deutschen herabsah, dem Auf-
sauguugsprozeß außerordentlichen Vorschub geleistet. Nur wenige fühlten, be¬
sonders in früherer Zeit, den Halt in sich, standhaft den blooä^ vrckolurmn. zu
spielen. Ganz schweigen wollen wir von den Kindern, den ullis Dntolüös, den
ewigen Opfern von Hänselei und Spott auf der Straße und in den Schulen.

Neuerdings ist nun mit der steigenden Wohlhabende.it des deutschen Ele¬
mentes und besonders mit dem konstatirten Rückgange der anglo-amerikanischen
Rasse in Bezug auf die Fortpflanzung, das Mißtrauen gegen unsre Stammes¬
brüder in politischer Beziehung noch gewachsen. Die amerikanischen Volkswirte


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[0459] Die Deutschen in Newyork. werter und Arbeiter, welche viel zu schwerfällig sind, um uicht so ziemlich alles von ihrer heimischen Art einzubüßen, während sie sich dem großen Umdcnkungs- prozeß unterziehen, sich dem amerikanischen Leben und besonders den: politischen und kommunalen Leben anpassen. Es sind nicht immer die besten, im Gegen¬ teil vielfach gerade die minderwertigen und stupideren Elemente, welche ihr Volkstum länger festhalten, namentlich die ganz Unfähigen, welche das Eng¬ lische nie erlernen. Die praktische Folge, die sich unweigerlich aus dem Hineinziehen des Deut¬ schen in die amerikanische Interessensphäre ergiebt, ist eine Teilnahme an den Geschicke» der neuen Heimat, die, wem? auch im Anfang noch so lästig, schlie߬ lich wohl immer spontan wird, und nun kommt zu den erwähnten Schwierig¬ keiten noch eine weitere. Dies ist die außerordentliche nationale Eitelkeit und Reizbarkeit der Herren des Landes, die in dieser Beziehung den Spaniern und Franzosen gleichstehen, die Engländer noch übertreffen. Abgesehen davon, daß der trennende Ozean nur einem Bruchteil Begüterter ermöglicht, den Kontinent zu sehen, sind es doch allein die wenigen Hochgebildeten, die etwas beschämt »ut in sich gekehrt nach Hause kommen; das Gros mit seinem unhistorischen, unphilosophischen Sinn, der über nichts nachdenkt als über das geliebte nemo^ MÄliing-, rennt stumpfsinnig und verständnislos an den reizvollsten Stätten unsrer alten Kultur vorüber; der zurückbleibende Rest aber ist vollends geneigt, uns ernsthaft zu fragen, ob wir in Deutschland Eisenbahnen und Telegraphen hätten (ein> .pou Ks-of tslöAraxkis in Aorinmr/? von't 8-^ tuae!), und hält irgend einen sdox Iceexer vom Lande für ein viel höher organisirtes Wesen als einen festländischen Minister. Nirgends in der Welt trifft man eine so hoch entwickelte Fähigkeit, über dasjenige abzuurteilen, was man nicht versteht (voromon wird es drüben genannt), und dies alles im Verein mit dem beklagenswerten Götzendienst des Mutterlandes, welches fast ein Jahrhundert lang vor dem „jungen Niesen" urteilslos auf den Knieen lag, haben einen der¬ artig beschränkten Dünkel erzogen und das Selbstgefühl des Amerikaners in einer Weise hinaufgeschraubt, daß er nahezu unfähig geworden ist, der Eigenart einer andern Nationalität gerecht zu werden. So haben denn vor allem das Mißtrauen und die unverhohlene Verachtung, mit der die Klasse, welche das Heft in den Händen hielt, von Anbeginn auf die Deutschen herabsah, dem Auf- sauguugsprozeß außerordentlichen Vorschub geleistet. Nur wenige fühlten, be¬ sonders in früherer Zeit, den Halt in sich, standhaft den blooä^ vrckolurmn. zu spielen. Ganz schweigen wollen wir von den Kindern, den ullis Dntolüös, den ewigen Opfern von Hänselei und Spott auf der Straße und in den Schulen. Neuerdings ist nun mit der steigenden Wohlhabende.it des deutschen Ele¬ mentes und besonders mit dem konstatirten Rückgange der anglo-amerikanischen Rasse in Bezug auf die Fortpflanzung, das Mißtrauen gegen unsre Stammes¬ brüder in politischer Beziehung noch gewachsen. Die amerikanischen Volkswirte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/459>, abgerufen am 05.02.2025.