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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die Vnrchfiihrnng eines Systems von Handmerks-Gcnissenschaften.

ringern und Geschäftsverluste so gut wie gänzlich in Wegfall bringen würde?
Ist es nicht weiterhin handgreiflich, daß, sobald man weiß, daß der Geschäfts¬
betrieb sich ans eine bestimmte Anzahl von einander bekannten Gewerbsgenossen
beschränkt, auch die Formen desselben dein Einzelbedürfnis in ungemeinem Gabe
angepaßt werden könne", und damit eine der bittersten Beschwerden zumal der
kleinen Handwerker gegen die heutigen Volksbanken, "man schließe sie wohl
nicht geradezu aus, aber mau nehme keine Rücksicht auf sie und dulde sie
gewissermaßen nur, während große, umfangreiche, für die Masse der Mitglieder
aber ganz undurchsichtige Beziehungen für die ganze Geschäftsgebahrnng und
die eingeführten Usaneen maßgebend seien," beseitigt würde? Und darf nicht
endlich auch das als handgreiflich bezeichnet werden, daß gerade die Vielseitigkeit
der Geschäftsbeziehnngcn und Geschäftsfvrmen, welche den heutigen Vvlksbanken
durch die bunte Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaften nufgezwungen wird, dazu
geführt hat, die Direktoren allmächtig und den Verwaltuugsrat, die General¬
versammlung ?e, zur bloßen Dekoration zu machen, während bei einem Bank
betriebe unter wirklichen "Genossen," für den die sämtlichen Bedingungen und
Formen sich leicht im voraus feststellen lassen, auch bei einer zur Anstellung
besoldeter Beamten nötigenden Ausdehnung des Betriebes dies doch immer nur
die Beamten und nicht, wie hente nur zu vielfach, die unumschränkten Herren
des ganzen Bankgeschäftes sein würden? Bei letzteren Punkte kommt noch ein
Nebenvorteil in Betracht. Mögen die Direktoren und sonstigen Angestellten
einer Volksbank noch so ehrenwerte und wohlmeinende Leute sein: sie sind meist
Kaufleute, und als solche haben sie gewisse Anschauungen und Gewöhnungen,
welche an und sür sich ganz berechtigt sein mögen, welche aber für ein Kredit¬
institut kleiner Handwerker mindestens nicht unerläßlich siud und sich sehr
vielfach von Haus aus in eine Art Widerspruch mit den geschäftlichen Gesichts¬
punkten setzen, welche die Handwerker, von ihrem Standpunkte wiederum mit
Recht, für sich beobachtet wissen möchten. Natürlich wird der ganze Liberalismus
aus der Haut fahren wollen, wenn jemand bezweifelt, daß "kaufmännische" An¬
schauungen und Gewöhnungen irgendwo unangebracht sein könnten, denn nach
liberaler Ansicht ist ja der Handel das Lebensblut aller gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse, und das kaufmännisch geleitete Kondor ist nach
ihr der ideale Zielpunkt, nach dem in allen dem Menschengeschlechte dien¬
lichen Einrichtungen zu streben ist; aber wir sind verstockt genug, andrer Meinung
zu sein, und die ausschließliche Geltung kaufmännischen Wesens bei Hand-
werksaugelegenheiteu -- auch wo dieselben die Kreditbcfriedigung und ähnliches
betreffen -- nicht nur nicht sür notwendig, sondern nicht einmal für wünschens¬
wert zu halten. Aus den angeführten Gründen könnte und müßte es also,
wie uns scheint, den Handwerkern längst eingefallen sein, daß sie von dem Ge-
"vssenschaftsgesetzc auch in andrer als in der durch die liberale Schablone vor¬
geschriebenen Weise Gebrauch machen könnten. Es ist wahr, daß hierbei immer


Die Vnrchfiihrnng eines Systems von Handmerks-Gcnissenschaften.

ringern und Geschäftsverluste so gut wie gänzlich in Wegfall bringen würde?
Ist es nicht weiterhin handgreiflich, daß, sobald man weiß, daß der Geschäfts¬
betrieb sich ans eine bestimmte Anzahl von einander bekannten Gewerbsgenossen
beschränkt, auch die Formen desselben dein Einzelbedürfnis in ungemeinem Gabe
angepaßt werden könne», und damit eine der bittersten Beschwerden zumal der
kleinen Handwerker gegen die heutigen Volksbanken, „man schließe sie wohl
nicht geradezu aus, aber mau nehme keine Rücksicht auf sie und dulde sie
gewissermaßen nur, während große, umfangreiche, für die Masse der Mitglieder
aber ganz undurchsichtige Beziehungen für die ganze Geschäftsgebahrnng und
die eingeführten Usaneen maßgebend seien," beseitigt würde? Und darf nicht
endlich auch das als handgreiflich bezeichnet werden, daß gerade die Vielseitigkeit
der Geschäftsbeziehnngcn und Geschäftsfvrmen, welche den heutigen Vvlksbanken
durch die bunte Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaften nufgezwungen wird, dazu
geführt hat, die Direktoren allmächtig und den Verwaltuugsrat, die General¬
versammlung ?e, zur bloßen Dekoration zu machen, während bei einem Bank
betriebe unter wirklichen „Genossen," für den die sämtlichen Bedingungen und
Formen sich leicht im voraus feststellen lassen, auch bei einer zur Anstellung
besoldeter Beamten nötigenden Ausdehnung des Betriebes dies doch immer nur
die Beamten und nicht, wie hente nur zu vielfach, die unumschränkten Herren
des ganzen Bankgeschäftes sein würden? Bei letzteren Punkte kommt noch ein
Nebenvorteil in Betracht. Mögen die Direktoren und sonstigen Angestellten
einer Volksbank noch so ehrenwerte und wohlmeinende Leute sein: sie sind meist
Kaufleute, und als solche haben sie gewisse Anschauungen und Gewöhnungen,
welche an und sür sich ganz berechtigt sein mögen, welche aber für ein Kredit¬
institut kleiner Handwerker mindestens nicht unerläßlich siud und sich sehr
vielfach von Haus aus in eine Art Widerspruch mit den geschäftlichen Gesichts¬
punkten setzen, welche die Handwerker, von ihrem Standpunkte wiederum mit
Recht, für sich beobachtet wissen möchten. Natürlich wird der ganze Liberalismus
aus der Haut fahren wollen, wenn jemand bezweifelt, daß „kaufmännische" An¬
schauungen und Gewöhnungen irgendwo unangebracht sein könnten, denn nach
liberaler Ansicht ist ja der Handel das Lebensblut aller gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse, und das kaufmännisch geleitete Kondor ist nach
ihr der ideale Zielpunkt, nach dem in allen dem Menschengeschlechte dien¬
lichen Einrichtungen zu streben ist; aber wir sind verstockt genug, andrer Meinung
zu sein, und die ausschließliche Geltung kaufmännischen Wesens bei Hand-
werksaugelegenheiteu — auch wo dieselben die Kreditbcfriedigung und ähnliches
betreffen — nicht nur nicht sür notwendig, sondern nicht einmal für wünschens¬
wert zu halten. Aus den angeführten Gründen könnte und müßte es also,
wie uns scheint, den Handwerkern längst eingefallen sein, daß sie von dem Ge-
"vssenschaftsgesetzc auch in andrer als in der durch die liberale Schablone vor¬
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[0455] Die Vnrchfiihrnng eines Systems von Handmerks-Gcnissenschaften. ringern und Geschäftsverluste so gut wie gänzlich in Wegfall bringen würde? Ist es nicht weiterhin handgreiflich, daß, sobald man weiß, daß der Geschäfts¬ betrieb sich ans eine bestimmte Anzahl von einander bekannten Gewerbsgenossen beschränkt, auch die Formen desselben dein Einzelbedürfnis in ungemeinem Gabe angepaßt werden könne», und damit eine der bittersten Beschwerden zumal der kleinen Handwerker gegen die heutigen Volksbanken, „man schließe sie wohl nicht geradezu aus, aber mau nehme keine Rücksicht auf sie und dulde sie gewissermaßen nur, während große, umfangreiche, für die Masse der Mitglieder aber ganz undurchsichtige Beziehungen für die ganze Geschäftsgebahrnng und die eingeführten Usaneen maßgebend seien," beseitigt würde? Und darf nicht endlich auch das als handgreiflich bezeichnet werden, daß gerade die Vielseitigkeit der Geschäftsbeziehnngcn und Geschäftsfvrmen, welche den heutigen Vvlksbanken durch die bunte Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaften nufgezwungen wird, dazu geführt hat, die Direktoren allmächtig und den Verwaltuugsrat, die General¬ versammlung ?e, zur bloßen Dekoration zu machen, während bei einem Bank betriebe unter wirklichen „Genossen," für den die sämtlichen Bedingungen und Formen sich leicht im voraus feststellen lassen, auch bei einer zur Anstellung besoldeter Beamten nötigenden Ausdehnung des Betriebes dies doch immer nur die Beamten und nicht, wie hente nur zu vielfach, die unumschränkten Herren des ganzen Bankgeschäftes sein würden? Bei letzteren Punkte kommt noch ein Nebenvorteil in Betracht. Mögen die Direktoren und sonstigen Angestellten einer Volksbank noch so ehrenwerte und wohlmeinende Leute sein: sie sind meist Kaufleute, und als solche haben sie gewisse Anschauungen und Gewöhnungen, welche an und sür sich ganz berechtigt sein mögen, welche aber für ein Kredit¬ institut kleiner Handwerker mindestens nicht unerläßlich siud und sich sehr vielfach von Haus aus in eine Art Widerspruch mit den geschäftlichen Gesichts¬ punkten setzen, welche die Handwerker, von ihrem Standpunkte wiederum mit Recht, für sich beobachtet wissen möchten. Natürlich wird der ganze Liberalismus aus der Haut fahren wollen, wenn jemand bezweifelt, daß „kaufmännische" An¬ schauungen und Gewöhnungen irgendwo unangebracht sein könnten, denn nach liberaler Ansicht ist ja der Handel das Lebensblut aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, und das kaufmännisch geleitete Kondor ist nach ihr der ideale Zielpunkt, nach dem in allen dem Menschengeschlechte dien¬ lichen Einrichtungen zu streben ist; aber wir sind verstockt genug, andrer Meinung zu sein, und die ausschließliche Geltung kaufmännischen Wesens bei Hand- werksaugelegenheiteu — auch wo dieselben die Kreditbcfriedigung und ähnliches betreffen — nicht nur nicht sür notwendig, sondern nicht einmal für wünschens¬ wert zu halten. Aus den angeführten Gründen könnte und müßte es also, wie uns scheint, den Handwerkern längst eingefallen sein, daß sie von dem Ge- "vssenschaftsgesetzc auch in andrer als in der durch die liberale Schablone vor¬ geschriebenen Weise Gebrauch machen könnten. Es ist wahr, daß hierbei immer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/455>, abgerufen am 05.02.2025.