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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.

Kirchenpforte gegenüberlag. In ihrem Schatten hielt er sich in dem Augenblicke
verborgen, in welchem sich die Thür in der rundbogigen Nische wieder öffnete
und die beiden Frauen auf den Stufen zur Garteuterrasse erschienen. Die
Herzogin warf einen verwunderten Blick uns den sonnenüberglänzten leeren Raum,
Catarina aber hatte sofort den Harrenden wahrgenommen und gab der Herzogin
einen Wink. Diese gebot offenbar dem jungen Mädchen keinen Schritt gegen
den Platanengang hin zu thun. Die alte Dame aber ging ohne Zögern dem
Dichter entgegen und sagte mit ruhiger Bestimmtheit: Was begehrt Ihr von
uns, Senhor Luis? Ein Mann wie Ihr treibt nicht müßiges Spiel, wie es
den leichtfertige!! jungen Narren dieses Hofes zuweilen beliebt, und stört die stille
Andacht von Frauen nicht ohne ernsten Anlaß, Ihr habt uns etwas zu sagen?

In der That, erlauchte Frau, versetzte Camoens, den bei dieser unerwartet
scharfen Ansprache ein Zweifel beschlich, ob er den rechten Augenblick gewählt
habe. Ich fühle mich nicht so rein, wie Ihr in Eurer Güte voraussetzt, und
doch nicht so schuldig, wie ich Euch nach diesem Geständnis erscheinen mag.
Ich bin so lange durch fremde Lande gepilgert, ohne daß ein Heller Strahl
heimatlicher Schönheit meinen Weg erhellt hat, daß mich dieses Licht nur all¬
zumächtig anlockt. Eure holde Pflegebefohlene weckt mir zudem die seligsten und
die schmerzlichsten Stunden, die ich durchlebt, aus dem Grabe --

Ich weiß, ich weiß davon, Senhor! fiel ihm die Herzogin ins Wort. Ihr
thätet besser, ruhen zu lassen, was nach Gottes Willen vorüber ist. Und wenn
es Euch durchaus drängt, meinem Kinde Eure Dichtergabe zu beweisen, so solltet
Ihr für Eure Sonette eine bessere Zeit als die Stunde nach der Morgen¬
andacht suchen. Komm hierher, Catarina, es ist Senhor Luis Camoens,
der des Glaubens lebt, daß er dir gestern Abend seine Huldigung nicht deutlich
genug dargebracht habe und dies jetzt mit einem Sonett -- oder ists eine Canzone,
Herr Luis? -- nachholen will.

Ihr irrt Euch, erlauchte Frau, entgegnete Camoens, dessen Wangen beim
Spott der alten Dame von flüchtiger Glut überhaucht wurden. Ich habe nie
zu den Poeten gezählt, denen rasch ans die Lippe springt, was ihnen die Muse
geschenkt hat. Ich würde Zeit und Ort schicklicher zu wählen verstehen, wenn
ich Donna Catarina mit meinen Liedern zu erfreuen glaubte. Aber mich dünkt,
daß es für die Bitte um ein Werk des Erbarmens keinen bessern Augenblick geben
könne, als den, in welchem ich Euch nahe!

Ihr habt Recht, Senhor! sagte Catarina eifrig, ehe die Herzogin ihrer
Pflegebefohlenen das Wort abzuschneiden vermochte. Was ist Eure Bitte, wem
und womit könnte ich helfen? Für welchen Unglücklichen sucht Ihr Beistand
und erweist mir die Ehre, dabei auch an mich zu denken?

(Fortsetzung folgt.)




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig, -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Camoens.

Kirchenpforte gegenüberlag. In ihrem Schatten hielt er sich in dem Augenblicke
verborgen, in welchem sich die Thür in der rundbogigen Nische wieder öffnete
und die beiden Frauen auf den Stufen zur Garteuterrasse erschienen. Die
Herzogin warf einen verwunderten Blick uns den sonnenüberglänzten leeren Raum,
Catarina aber hatte sofort den Harrenden wahrgenommen und gab der Herzogin
einen Wink. Diese gebot offenbar dem jungen Mädchen keinen Schritt gegen
den Platanengang hin zu thun. Die alte Dame aber ging ohne Zögern dem
Dichter entgegen und sagte mit ruhiger Bestimmtheit: Was begehrt Ihr von
uns, Senhor Luis? Ein Mann wie Ihr treibt nicht müßiges Spiel, wie es
den leichtfertige!! jungen Narren dieses Hofes zuweilen beliebt, und stört die stille
Andacht von Frauen nicht ohne ernsten Anlaß, Ihr habt uns etwas zu sagen?

In der That, erlauchte Frau, versetzte Camoens, den bei dieser unerwartet
scharfen Ansprache ein Zweifel beschlich, ob er den rechten Augenblick gewählt
habe. Ich fühle mich nicht so rein, wie Ihr in Eurer Güte voraussetzt, und
doch nicht so schuldig, wie ich Euch nach diesem Geständnis erscheinen mag.
Ich bin so lange durch fremde Lande gepilgert, ohne daß ein Heller Strahl
heimatlicher Schönheit meinen Weg erhellt hat, daß mich dieses Licht nur all¬
zumächtig anlockt. Eure holde Pflegebefohlene weckt mir zudem die seligsten und
die schmerzlichsten Stunden, die ich durchlebt, aus dem Grabe —

Ich weiß, ich weiß davon, Senhor! fiel ihm die Herzogin ins Wort. Ihr
thätet besser, ruhen zu lassen, was nach Gottes Willen vorüber ist. Und wenn
es Euch durchaus drängt, meinem Kinde Eure Dichtergabe zu beweisen, so solltet
Ihr für Eure Sonette eine bessere Zeit als die Stunde nach der Morgen¬
andacht suchen. Komm hierher, Catarina, es ist Senhor Luis Camoens,
der des Glaubens lebt, daß er dir gestern Abend seine Huldigung nicht deutlich
genug dargebracht habe und dies jetzt mit einem Sonett — oder ists eine Canzone,
Herr Luis? — nachholen will.

Ihr irrt Euch, erlauchte Frau, entgegnete Camoens, dessen Wangen beim
Spott der alten Dame von flüchtiger Glut überhaucht wurden. Ich habe nie
zu den Poeten gezählt, denen rasch ans die Lippe springt, was ihnen die Muse
geschenkt hat. Ich würde Zeit und Ort schicklicher zu wählen verstehen, wenn
ich Donna Catarina mit meinen Liedern zu erfreuen glaubte. Aber mich dünkt,
daß es für die Bitte um ein Werk des Erbarmens keinen bessern Augenblick geben
könne, als den, in welchem ich Euch nahe!

Ihr habt Recht, Senhor! sagte Catarina eifrig, ehe die Herzogin ihrer
Pflegebefohlenen das Wort abzuschneiden vermochte. Was ist Eure Bitte, wem
und womit könnte ich helfen? Für welchen Unglücklichen sucht Ihr Beistand
und erweist mir die Ehre, dabei auch an mich zu denken?

(Fortsetzung folgt.)




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/440>, abgerufen am 05.02.2025.