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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Japanische Künste.

so leicht zugänglich, daß ich mir Wohl erlauben darf, einzelne Bilder zu erwähnen,
in welchen mit einer scheinbar flüchtigen, skizzenhaften Zeichnung eine kaum zu
übertreffende Wirkuug erreicht worden ist.

Nehmen mir beispielsweise das dreibändige Werk mit Darstellungen von
Vögeln. Da sehen wir, wie drei Wildgänse in das Schilf einfallen, alle in
derselben charakteristischen Flugbewegung, aber mit verschiednen Tempo des
Flügelschlages, sodaß jeder Vogel eine etwas andre Ansicht darbietet als die
übrigen. Nur drei Farbentöne sind benutzt, Schwarz, Grau und ein gelbliches
Rot, welche zum Teil ohne Kontur aufgetragen sind -- ein Umstand, den wir
uns nachher in Erinnerung rufen wollen --, und bei so geringem Aufwande
sieht man garnicht ab, was ein Mehr von Farben oder ein weiteres Eingehen
in das Detail noch an der malerischen Wirkung bessern könnte. Ans einem
andern Blatte findet ein blutiges Gefecht zwischen zwei Sperlingen statt, zwei
weitere schießen auf sie zu, offenbar um sich an dem Kampfe zu beteiligen,
noch andre begleiten die Handlung wenigstens mit ihrem Geschrei; mir zwei
besonders wohlbeleibte wenden derselben gleichgiltig den Rücken zu. DaS lebt
alles, man meint die Tierchen fliegen zu sehen und schreien zu hören. Auch da
genügen die erwähnten drei Farbentöne, mit welchen überhaupt in diesen Bänden
das Auskommen gefunden wird. Gedruckt sind die Farben; wir können die
Eindrücke der Hvlzfvrm fühle", und hie und da zeigt sich, daß das Blatt bei
dem Ausdrücken einer Farbe nicht ganz genau aufgepaßt worden ist, sodaß die
betreffenden Partien ein wenig verschoben erscheinen. Manchmal ist auch, wo
ein kräftigeres Schwarz für notwendig befunden wurde, mit dem Pinsel nach¬
gearbeitet worden; das lehren die Farbenränder und der etwas fleckige Auftrag.
Gehen wir zu einem Buche mit Landschaften über. Da kommt dem Schwarz
und dem Weiß des Papiers lediglich ein schwaches Blau zu Hilfe, und dennoch
sind die Svmmcrbildcr mit Wald, Wiese und stillem Wasser wie die Schnee¬
landschaften tren, sprechend, stimmungsvoll. Ein wahres Meisterstück ist die
Meeresbrandung mit dem bekannten höchsten Berge des Landes, den: Fnsiyama,
im Hintergrunde. Es ist kaum denkbar, daß die gewaltige Strömung, das
Emporschwellcn und Überschlagen der Wellen, das Aufspritzen und Zerstieben
des Schaumes, ja selbst das Lichtspicl auf der Flut mit größerer Wahrheit
gemalt werden konnte. Und hier ist ans alle Farbcnzuthat verzichtet, nur für
deu Schiicegipfel, die höchstem Lichter auf den Wellen und die gleichsam schauen--
gebornen Vögel, welche die Brandung umflattern, ist das Weiß des Papiers
ausgespart, alles übrige leisten Schwarz und Grau. Ebenso bescheidet sich der
Blumenmaler. Mit ein wenig Gelb oder Blau oder Rot kommt die Individualität
der Pflanze vollständig zum Ausdruck, und bei einem Strauche, dessen grüne
Blätter rot geädert und gerändert sind und der rote Vlütenrispcn trägt, ist eine
wahre Pracht des Kolorits ermöglicht mit nur drei Farbenplatten. Und eben
bei den Pflanzen begegnen wir häufiger dem Ausdrucke" einer Farbe ohne


Japanische Künste.

so leicht zugänglich, daß ich mir Wohl erlauben darf, einzelne Bilder zu erwähnen,
in welchen mit einer scheinbar flüchtigen, skizzenhaften Zeichnung eine kaum zu
übertreffende Wirkuug erreicht worden ist.

Nehmen mir beispielsweise das dreibändige Werk mit Darstellungen von
Vögeln. Da sehen wir, wie drei Wildgänse in das Schilf einfallen, alle in
derselben charakteristischen Flugbewegung, aber mit verschiednen Tempo des
Flügelschlages, sodaß jeder Vogel eine etwas andre Ansicht darbietet als die
übrigen. Nur drei Farbentöne sind benutzt, Schwarz, Grau und ein gelbliches
Rot, welche zum Teil ohne Kontur aufgetragen sind — ein Umstand, den wir
uns nachher in Erinnerung rufen wollen —, und bei so geringem Aufwande
sieht man garnicht ab, was ein Mehr von Farben oder ein weiteres Eingehen
in das Detail noch an der malerischen Wirkung bessern könnte. Ans einem
andern Blatte findet ein blutiges Gefecht zwischen zwei Sperlingen statt, zwei
weitere schießen auf sie zu, offenbar um sich an dem Kampfe zu beteiligen,
noch andre begleiten die Handlung wenigstens mit ihrem Geschrei; mir zwei
besonders wohlbeleibte wenden derselben gleichgiltig den Rücken zu. DaS lebt
alles, man meint die Tierchen fliegen zu sehen und schreien zu hören. Auch da
genügen die erwähnten drei Farbentöne, mit welchen überhaupt in diesen Bänden
das Auskommen gefunden wird. Gedruckt sind die Farben; wir können die
Eindrücke der Hvlzfvrm fühle», und hie und da zeigt sich, daß das Blatt bei
dem Ausdrücken einer Farbe nicht ganz genau aufgepaßt worden ist, sodaß die
betreffenden Partien ein wenig verschoben erscheinen. Manchmal ist auch, wo
ein kräftigeres Schwarz für notwendig befunden wurde, mit dem Pinsel nach¬
gearbeitet worden; das lehren die Farbenränder und der etwas fleckige Auftrag.
Gehen wir zu einem Buche mit Landschaften über. Da kommt dem Schwarz
und dem Weiß des Papiers lediglich ein schwaches Blau zu Hilfe, und dennoch
sind die Svmmcrbildcr mit Wald, Wiese und stillem Wasser wie die Schnee¬
landschaften tren, sprechend, stimmungsvoll. Ein wahres Meisterstück ist die
Meeresbrandung mit dem bekannten höchsten Berge des Landes, den: Fnsiyama,
im Hintergrunde. Es ist kaum denkbar, daß die gewaltige Strömung, das
Emporschwellcn und Überschlagen der Wellen, das Aufspritzen und Zerstieben
des Schaumes, ja selbst das Lichtspicl auf der Flut mit größerer Wahrheit
gemalt werden konnte. Und hier ist ans alle Farbcnzuthat verzichtet, nur für
deu Schiicegipfel, die höchstem Lichter auf den Wellen und die gleichsam schauen--
gebornen Vögel, welche die Brandung umflattern, ist das Weiß des Papiers
ausgespart, alles übrige leisten Schwarz und Grau. Ebenso bescheidet sich der
Blumenmaler. Mit ein wenig Gelb oder Blau oder Rot kommt die Individualität
der Pflanze vollständig zum Ausdruck, und bei einem Strauche, dessen grüne
Blätter rot geädert und gerändert sind und der rote Vlütenrispcn trägt, ist eine
wahre Pracht des Kolorits ermöglicht mit nur drei Farbenplatten. Und eben
bei den Pflanzen begegnen wir häufiger dem Ausdrucke» einer Farbe ohne


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[0418] Japanische Künste. so leicht zugänglich, daß ich mir Wohl erlauben darf, einzelne Bilder zu erwähnen, in welchen mit einer scheinbar flüchtigen, skizzenhaften Zeichnung eine kaum zu übertreffende Wirkuug erreicht worden ist. Nehmen mir beispielsweise das dreibändige Werk mit Darstellungen von Vögeln. Da sehen wir, wie drei Wildgänse in das Schilf einfallen, alle in derselben charakteristischen Flugbewegung, aber mit verschiednen Tempo des Flügelschlages, sodaß jeder Vogel eine etwas andre Ansicht darbietet als die übrigen. Nur drei Farbentöne sind benutzt, Schwarz, Grau und ein gelbliches Rot, welche zum Teil ohne Kontur aufgetragen sind — ein Umstand, den wir uns nachher in Erinnerung rufen wollen —, und bei so geringem Aufwande sieht man garnicht ab, was ein Mehr von Farben oder ein weiteres Eingehen in das Detail noch an der malerischen Wirkung bessern könnte. Ans einem andern Blatte findet ein blutiges Gefecht zwischen zwei Sperlingen statt, zwei weitere schießen auf sie zu, offenbar um sich an dem Kampfe zu beteiligen, noch andre begleiten die Handlung wenigstens mit ihrem Geschrei; mir zwei besonders wohlbeleibte wenden derselben gleichgiltig den Rücken zu. DaS lebt alles, man meint die Tierchen fliegen zu sehen und schreien zu hören. Auch da genügen die erwähnten drei Farbentöne, mit welchen überhaupt in diesen Bänden das Auskommen gefunden wird. Gedruckt sind die Farben; wir können die Eindrücke der Hvlzfvrm fühle», und hie und da zeigt sich, daß das Blatt bei dem Ausdrücken einer Farbe nicht ganz genau aufgepaßt worden ist, sodaß die betreffenden Partien ein wenig verschoben erscheinen. Manchmal ist auch, wo ein kräftigeres Schwarz für notwendig befunden wurde, mit dem Pinsel nach¬ gearbeitet worden; das lehren die Farbenränder und der etwas fleckige Auftrag. Gehen wir zu einem Buche mit Landschaften über. Da kommt dem Schwarz und dem Weiß des Papiers lediglich ein schwaches Blau zu Hilfe, und dennoch sind die Svmmcrbildcr mit Wald, Wiese und stillem Wasser wie die Schnee¬ landschaften tren, sprechend, stimmungsvoll. Ein wahres Meisterstück ist die Meeresbrandung mit dem bekannten höchsten Berge des Landes, den: Fnsiyama, im Hintergrunde. Es ist kaum denkbar, daß die gewaltige Strömung, das Emporschwellcn und Überschlagen der Wellen, das Aufspritzen und Zerstieben des Schaumes, ja selbst das Lichtspicl auf der Flut mit größerer Wahrheit gemalt werden konnte. Und hier ist ans alle Farbcnzuthat verzichtet, nur für deu Schiicegipfel, die höchstem Lichter auf den Wellen und die gleichsam schauen-- gebornen Vögel, welche die Brandung umflattern, ist das Weiß des Papiers ausgespart, alles übrige leisten Schwarz und Grau. Ebenso bescheidet sich der Blumenmaler. Mit ein wenig Gelb oder Blau oder Rot kommt die Individualität der Pflanze vollständig zum Ausdruck, und bei einem Strauche, dessen grüne Blätter rot geädert und gerändert sind und der rote Vlütenrispcn trägt, ist eine wahre Pracht des Kolorits ermöglicht mit nur drei Farbenplatten. Und eben bei den Pflanzen begegnen wir häufiger dem Ausdrucke» einer Farbe ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/418>, abgerufen am 05.02.2025.