Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.dieses gliicksfrohe heitere Gesicht, und der einzig lesbare Gedanke in demselben Es ist leicht zu sehen, daß auch Anzengrubers inniger Anschluß an die dieses gliicksfrohe heitere Gesicht, und der einzig lesbare Gedanke in demselben Es ist leicht zu sehen, daß auch Anzengrubers inniger Anschluß an die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197839"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1216" prev="#ID_1215"> dieses gliicksfrohe heitere Gesicht, und der einzig lesbare Gedanke in demselben<lb/> »Erreicht« zuckte mich nicht durch die Muskeln als miterdrückter Jubelschrei,<lb/> sondern barg sich hinter einer stillfreudigen, selbstbegnügten Miene/' Der feindliche<lb/> Alte muß erfahren, daß ihm diese Gegnerin mehr als gewachsen ist, er wird<lb/> durch sie tief gedemütigt und muß sich mehr und mehr eingestehen, daß in Helene<lb/> die rechte Bäuerin auf dem großen Hofe sitzt, besser als der eigne Sohn geeignet,<lb/> den Besitz zusammenzuhalten, zur Herrschaft geboren, Sie ist jetzt allem ge¬<lb/> wachsen, auch der Katastrophe, welche unes kurzer Zeit über sie hereinbricht.<lb/> Toni, ihr zweiter Manu, ist noch Reservist, wird zum Regimente einberufen und<lb/> fällt in den Gefechten mit den aufständischen Boechesen, Rasch entschlossen legt<lb/> die Sterusteinhvfbäuerin dem Alten die Sorge um den Enkel aufs Gewissen,<lb/> „Den Buben weis und lehr du, laß ihm's nit entgelten, was d' etwa noch von<lb/> früher her gegen mich hast," Es erfolgt eine völlige Versöhnung Helmes mit<lb/> dem alten Stcrnsteinhvfbaueru, und so lebt sie fortan Jahr um Jahr, wie es<lb/> ihr ziemt, sie denkt nicht wieder an Verheiratung, „Ihr Unabhängigkeitssinn,<lb/> der schließlich dem Anwesen und dessen Erben zu Gute kam, ihr allerdings nicht<lb/> von Eitelkeit freies Bemühen, den eignen Jungen und die Stieftochter recht¬<lb/> schaffen zu erziehen, um als achtbare Mutter wohlgearteter Kinder vor den<lb/> Augen der Welt dazustehen, ihre Bereitwilligkeit, Bedürftigen beizubringen, da<lb/> ihr der Anblick der Not, die sie aus eigner Erfahrung kannte, peinlich war und<lb/> sie sich gern von selbem loskaufte, ihre Freigebigkeit für gemeinnützige Zwecke,<lb/> Straßen- und Brückenanlagen, Schulbänken und dergleichen — aber auch nur<lb/> für solche, nie für fragwürdige, das alles waren ebenso viel Steine, die sie<lb/> bei den Leuten im Brette hatte, sie galt für ein Keruweib in allen Stücken.<lb/> Über dieses Keruweib vergaß man die Zinshofer-Dirn und des Herrgottlmachers<lb/> Weib, man fragte nicht darnach, was die Sternstcinhoferin gewesen, noch was<lb/> sie würde, man nahm sie, wie sie war."</p><lb/> <p xml:id="ID_1217" next="#ID_1218"> Es ist leicht zu sehen, daß auch Anzengrubers inniger Anschluß an die<lb/> Bescheidenheit der Natur, seine darstellende Wiedergabe der gut belauschten<lb/> Wirklichkeit nicht frei von dem Pessimismus ist. der sich nun einmal mit<lb/> dem modernen Naturalismus paart. Immerhin aber hält sich Anzengruber<lb/> innerhalb jeuer Schranken, in denen die poetische Wirkung noch möglich ist,<lb/> er aualhsirt uicht aus der bloßen Freude am Schlechte», Niedrigen und Ge¬<lb/> meinen, sondern weil ihm das Rätsel des Lebens schwer auf der Seele liegt.<lb/> Seine innerste Empfindung gegenüber dem Dargestellten drückt vielleicht der<lb/> Pfarrer im letzten Gespräche mit dem übereifriger Kaplan aus. Es ist klar,<lb/> daß die Charakteristik der Heldin keine Glorifikation derselben fein soll, lind der<lb/> Dichter überläßt es dem Leser, wie er sich mit der Sternsteinhvfbä'ueriu Helene<lb/> abfinden will. Es ist ein dunkles, ja wenn man will ein furchtbares Stück<lb/> Leben, das im Stcrusteiuhvf vorgeführt wird, aber menschlichen Anteil können<lb/> und mögen wir ihm dennoch nicht versagen. Auch stellt sich der Verfasser nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
dieses gliicksfrohe heitere Gesicht, und der einzig lesbare Gedanke in demselben
»Erreicht« zuckte mich nicht durch die Muskeln als miterdrückter Jubelschrei,
sondern barg sich hinter einer stillfreudigen, selbstbegnügten Miene/' Der feindliche
Alte muß erfahren, daß ihm diese Gegnerin mehr als gewachsen ist, er wird
durch sie tief gedemütigt und muß sich mehr und mehr eingestehen, daß in Helene
die rechte Bäuerin auf dem großen Hofe sitzt, besser als der eigne Sohn geeignet,
den Besitz zusammenzuhalten, zur Herrschaft geboren, Sie ist jetzt allem ge¬
wachsen, auch der Katastrophe, welche unes kurzer Zeit über sie hereinbricht.
Toni, ihr zweiter Manu, ist noch Reservist, wird zum Regimente einberufen und
fällt in den Gefechten mit den aufständischen Boechesen, Rasch entschlossen legt
die Sterusteinhvfbäuerin dem Alten die Sorge um den Enkel aufs Gewissen,
„Den Buben weis und lehr du, laß ihm's nit entgelten, was d' etwa noch von
früher her gegen mich hast," Es erfolgt eine völlige Versöhnung Helmes mit
dem alten Stcrnsteinhvfbaueru, und so lebt sie fortan Jahr um Jahr, wie es
ihr ziemt, sie denkt nicht wieder an Verheiratung, „Ihr Unabhängigkeitssinn,
der schließlich dem Anwesen und dessen Erben zu Gute kam, ihr allerdings nicht
von Eitelkeit freies Bemühen, den eignen Jungen und die Stieftochter recht¬
schaffen zu erziehen, um als achtbare Mutter wohlgearteter Kinder vor den
Augen der Welt dazustehen, ihre Bereitwilligkeit, Bedürftigen beizubringen, da
ihr der Anblick der Not, die sie aus eigner Erfahrung kannte, peinlich war und
sie sich gern von selbem loskaufte, ihre Freigebigkeit für gemeinnützige Zwecke,
Straßen- und Brückenanlagen, Schulbänken und dergleichen — aber auch nur
für solche, nie für fragwürdige, das alles waren ebenso viel Steine, die sie
bei den Leuten im Brette hatte, sie galt für ein Keruweib in allen Stücken.
Über dieses Keruweib vergaß man die Zinshofer-Dirn und des Herrgottlmachers
Weib, man fragte nicht darnach, was die Sternstcinhoferin gewesen, noch was
sie würde, man nahm sie, wie sie war."
Es ist leicht zu sehen, daß auch Anzengrubers inniger Anschluß an die
Bescheidenheit der Natur, seine darstellende Wiedergabe der gut belauschten
Wirklichkeit nicht frei von dem Pessimismus ist. der sich nun einmal mit
dem modernen Naturalismus paart. Immerhin aber hält sich Anzengruber
innerhalb jeuer Schranken, in denen die poetische Wirkung noch möglich ist,
er aualhsirt uicht aus der bloßen Freude am Schlechte», Niedrigen und Ge¬
meinen, sondern weil ihm das Rätsel des Lebens schwer auf der Seele liegt.
Seine innerste Empfindung gegenüber dem Dargestellten drückt vielleicht der
Pfarrer im letzten Gespräche mit dem übereifriger Kaplan aus. Es ist klar,
daß die Charakteristik der Heldin keine Glorifikation derselben fein soll, lind der
Dichter überläßt es dem Leser, wie er sich mit der Sternsteinhvfbä'ueriu Helene
abfinden will. Es ist ein dunkles, ja wenn man will ein furchtbares Stück
Leben, das im Stcrusteiuhvf vorgeführt wird, aber menschlichen Anteil können
und mögen wir ihm dennoch nicht versagen. Auch stellt sich der Verfasser nicht
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