Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

gebietet und nicht sein Kaplan Martin Sederl, der im Umgange mit der sün¬
digen Welt fürs "Dreiiiteufeln" ist. Der Kleebmder Mucker! hat seinen Willen,
aber sein Glück ist kurz, zuerst stirbt ihm die Mutter hinweg, die sich über die
.Heirat nicht zufrieden geben kaun, dann säugt er an zu empfinden, daß das
jngeiidschöiie stattliche Weib für ihn in jedem Sinne nicht paßt, so umsichtig
sie sich auch seines Hauses annimmt und jede Pflicht erfüllt. Er fühlt sich
bald herzensmüde, und in ihrer Seele sieht es nicht besser aus. "Sie war nun
allerdings unbestrittene Herrin im Hanse, aber in welchem? Wer war sie?
's Zwischenbühler Herrgvttlmachers Weib! Wenn sie abends mit dem kleinen
Hans ans dein Arme unter die Thüre trat und hinaufsah zu dem Sternstciu-
hofe, der mit vom Sonnenuntergange erglühenden Fenstern vor ihr lag, wie sie
als Kind oft ihn gesehen, dann hätte sie gern Steine von der Straße raffen
und all die blinkenden Scheiben zu Scheiben werfen mögen; aber wie weit, wie
weit lag der prangende Hof, für sie wohl gar wie aus der Welt! Einmal streckte
das Kind nach dem Gefunkel auf der Höhe die Ärmchen ans, sie sah es über¬
rascht an. Weißt dn much, wo d' hing'hörst? Wo wir allzwei sollten sitzen,
wenn auf Wort und Schrift untern Menschen ein Verlaß wär'? Der Fratz
meint ihn nah, wie zu'n Greifen! Ob das was vorbedeut't? Mein Jesus, den
Gedanken nit los zu werden, was das für ein Unsinn ist." Sie wird ihn
denn auch nicht los, obschon sie dem Stcrnsteinhof-Toni, als er much drei
Jahren aus dem Dienste heimkommt und sie und ihr Kind auf der Straße keck
anspricht, verständlich den Weg zeigt, obschon der Toni, um in den Besitz des
Hofes zu kommen, die reiche Bauerntochter, die ihm früher zugedacht war, in
überraschend schneller Weise heimführt und den Alten ins Auszughäuscheu drängt.
Der junge Bauer findet in seiner Ehe noch weniger Glück als die Ziushofer-
Helene in der ihrigein seine Frau, Sau, gebiert ihm el" Töchterchen, ein dürftig
kränkliches Würmchen, und siecht selbst dahin; schon bei der Taufe seines Kindes
versagt sich der Toni nicht, nach der kräftigen Gestalt des jungen Weibes
des Herrgottmachcrs begehrlich hinzublicken und demnächst in der .Hütte der
alten Zinshoferin vorzusprechen, seinen Jammer lind sein Elend zu beklagen
und sich "auszureden darüber, wie anders alles hätte werden können."
Und nun folgt naturnotwendig die verhängnisvolle Unterredung zwischen dein
jungen Bauern und Helene in der Hütte der alten Zinshoferin, in welcher das
junge Weib dem Stcrnsteinhofbauern zwar noch bitter genug vorhält, was er ihr
angethan und daß er sich ihr jetzt nicht mehr nahen dürfe, ohne ihre Ehre aufs
neue und schlimmer als je zuvor zu gefährden, in der aber auch das ver¬
hängnisvolle Wort fällt, daß das Kind, welches jetzt auf "eines andern Duldung"
angewiesen ist, vielleicht noch einen Vater bekommen könne. Toni poltert heraus,
was ihm das Herz preßt: "Wie lang kanns denn mit meiner Bäuerin währen?
Vielleicht nimmt s' unser Herrgott bald zu ihm, wär ja auchs beste für sie,
denn heil und nutz wird s' doch nimmer." Da hat wohl die junge Frau noch


gebietet und nicht sein Kaplan Martin Sederl, der im Umgange mit der sün¬
digen Welt fürs „Dreiiiteufeln" ist. Der Kleebmder Mucker! hat seinen Willen,
aber sein Glück ist kurz, zuerst stirbt ihm die Mutter hinweg, die sich über die
.Heirat nicht zufrieden geben kaun, dann säugt er an zu empfinden, daß das
jngeiidschöiie stattliche Weib für ihn in jedem Sinne nicht paßt, so umsichtig
sie sich auch seines Hauses annimmt und jede Pflicht erfüllt. Er fühlt sich
bald herzensmüde, und in ihrer Seele sieht es nicht besser aus. „Sie war nun
allerdings unbestrittene Herrin im Hanse, aber in welchem? Wer war sie?
's Zwischenbühler Herrgvttlmachers Weib! Wenn sie abends mit dem kleinen
Hans ans dein Arme unter die Thüre trat und hinaufsah zu dem Sternstciu-
hofe, der mit vom Sonnenuntergange erglühenden Fenstern vor ihr lag, wie sie
als Kind oft ihn gesehen, dann hätte sie gern Steine von der Straße raffen
und all die blinkenden Scheiben zu Scheiben werfen mögen; aber wie weit, wie
weit lag der prangende Hof, für sie wohl gar wie aus der Welt! Einmal streckte
das Kind nach dem Gefunkel auf der Höhe die Ärmchen ans, sie sah es über¬
rascht an. Weißt dn much, wo d' hing'hörst? Wo wir allzwei sollten sitzen,
wenn auf Wort und Schrift untern Menschen ein Verlaß wär'? Der Fratz
meint ihn nah, wie zu'n Greifen! Ob das was vorbedeut't? Mein Jesus, den
Gedanken nit los zu werden, was das für ein Unsinn ist." Sie wird ihn
denn auch nicht los, obschon sie dem Stcrnsteinhof-Toni, als er much drei
Jahren aus dem Dienste heimkommt und sie und ihr Kind auf der Straße keck
anspricht, verständlich den Weg zeigt, obschon der Toni, um in den Besitz des
Hofes zu kommen, die reiche Bauerntochter, die ihm früher zugedacht war, in
überraschend schneller Weise heimführt und den Alten ins Auszughäuscheu drängt.
Der junge Bauer findet in seiner Ehe noch weniger Glück als die Ziushofer-
Helene in der ihrigein seine Frau, Sau, gebiert ihm el» Töchterchen, ein dürftig
kränkliches Würmchen, und siecht selbst dahin; schon bei der Taufe seines Kindes
versagt sich der Toni nicht, nach der kräftigen Gestalt des jungen Weibes
des Herrgottmachcrs begehrlich hinzublicken und demnächst in der .Hütte der
alten Zinshoferin vorzusprechen, seinen Jammer lind sein Elend zu beklagen
und sich „auszureden darüber, wie anders alles hätte werden können."
Und nun folgt naturnotwendig die verhängnisvolle Unterredung zwischen dein
jungen Bauern und Helene in der Hütte der alten Zinshoferin, in welcher das
junge Weib dem Stcrnsteinhofbauern zwar noch bitter genug vorhält, was er ihr
angethan und daß er sich ihr jetzt nicht mehr nahen dürfe, ohne ihre Ehre aufs
neue und schlimmer als je zuvor zu gefährden, in der aber auch das ver¬
hängnisvolle Wort fällt, daß das Kind, welches jetzt auf „eines andern Duldung"
angewiesen ist, vielleicht noch einen Vater bekommen könne. Toni poltert heraus,
was ihm das Herz preßt: „Wie lang kanns denn mit meiner Bäuerin währen?
Vielleicht nimmt s' unser Herrgott bald zu ihm, wär ja auchs beste für sie,
denn heil und nutz wird s' doch nimmer." Da hat wohl die junge Frau noch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197837"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1214" prev="#ID_1213" next="#ID_1215"> gebietet und nicht sein Kaplan Martin Sederl, der im Umgange mit der sün¬<lb/>
digen Welt fürs &#x201E;Dreiiiteufeln" ist. Der Kleebmder Mucker! hat seinen Willen,<lb/>
aber sein Glück ist kurz, zuerst stirbt ihm die Mutter hinweg, die sich über die<lb/>
.Heirat nicht zufrieden geben kaun, dann säugt er an zu empfinden, daß das<lb/>
jngeiidschöiie stattliche Weib für ihn in jedem Sinne nicht paßt, so umsichtig<lb/>
sie sich auch seines Hauses annimmt und jede Pflicht erfüllt. Er fühlt sich<lb/>
bald herzensmüde, und in ihrer Seele sieht es nicht besser aus. &#x201E;Sie war nun<lb/>
allerdings unbestrittene Herrin im Hanse, aber in welchem? Wer war sie?<lb/>
's Zwischenbühler Herrgvttlmachers Weib! Wenn sie abends mit dem kleinen<lb/>
Hans ans dein Arme unter die Thüre trat und hinaufsah zu dem Sternstciu-<lb/>
hofe, der mit vom Sonnenuntergange erglühenden Fenstern vor ihr lag, wie sie<lb/>
als Kind oft ihn gesehen, dann hätte sie gern Steine von der Straße raffen<lb/>
und all die blinkenden Scheiben zu Scheiben werfen mögen; aber wie weit, wie<lb/>
weit lag der prangende Hof, für sie wohl gar wie aus der Welt! Einmal streckte<lb/>
das Kind nach dem Gefunkel auf der Höhe die Ärmchen ans, sie sah es über¬<lb/>
rascht an. Weißt dn much, wo d' hing'hörst? Wo wir allzwei sollten sitzen,<lb/>
wenn auf Wort und Schrift untern Menschen ein Verlaß wär'? Der Fratz<lb/>
meint ihn nah, wie zu'n Greifen! Ob das was vorbedeut't? Mein Jesus, den<lb/>
Gedanken nit los zu werden, was das für ein Unsinn ist." Sie wird ihn<lb/>
denn auch nicht los, obschon sie dem Stcrnsteinhof-Toni, als er much drei<lb/>
Jahren aus dem Dienste heimkommt und sie und ihr Kind auf der Straße keck<lb/>
anspricht, verständlich den Weg zeigt, obschon der Toni, um in den Besitz des<lb/>
Hofes zu kommen, die reiche Bauerntochter, die ihm früher zugedacht war, in<lb/>
überraschend schneller Weise heimführt und den Alten ins Auszughäuscheu drängt.<lb/>
Der junge Bauer findet in seiner Ehe noch weniger Glück als die Ziushofer-<lb/>
Helene in der ihrigein seine Frau, Sau, gebiert ihm el» Töchterchen, ein dürftig<lb/>
kränkliches Würmchen, und siecht selbst dahin; schon bei der Taufe seines Kindes<lb/>
versagt sich der Toni nicht, nach der kräftigen Gestalt des jungen Weibes<lb/>
des Herrgottmachcrs begehrlich hinzublicken und demnächst in der .Hütte der<lb/>
alten Zinshoferin vorzusprechen, seinen Jammer lind sein Elend zu beklagen<lb/>
und sich &#x201E;auszureden darüber, wie anders alles hätte werden können."<lb/>
Und nun folgt naturnotwendig die verhängnisvolle Unterredung zwischen dein<lb/>
jungen Bauern und Helene in der Hütte der alten Zinshoferin, in welcher das<lb/>
junge Weib dem Stcrnsteinhofbauern zwar noch bitter genug vorhält, was er ihr<lb/>
angethan und daß er sich ihr jetzt nicht mehr nahen dürfe, ohne ihre Ehre aufs<lb/>
neue und schlimmer als je zuvor zu gefährden, in der aber auch das ver¬<lb/>
hängnisvolle Wort fällt, daß das Kind, welches jetzt auf &#x201E;eines andern Duldung"<lb/>
angewiesen ist, vielleicht noch einen Vater bekommen könne. Toni poltert heraus,<lb/>
was ihm das Herz preßt: &#x201E;Wie lang kanns denn mit meiner Bäuerin währen?<lb/>
Vielleicht nimmt s' unser Herrgott bald zu ihm, wär ja auchs beste für sie,<lb/>
denn heil und nutz wird s' doch nimmer." Da hat wohl die junge Frau noch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0413] gebietet und nicht sein Kaplan Martin Sederl, der im Umgange mit der sün¬ digen Welt fürs „Dreiiiteufeln" ist. Der Kleebmder Mucker! hat seinen Willen, aber sein Glück ist kurz, zuerst stirbt ihm die Mutter hinweg, die sich über die .Heirat nicht zufrieden geben kaun, dann säugt er an zu empfinden, daß das jngeiidschöiie stattliche Weib für ihn in jedem Sinne nicht paßt, so umsichtig sie sich auch seines Hauses annimmt und jede Pflicht erfüllt. Er fühlt sich bald herzensmüde, und in ihrer Seele sieht es nicht besser aus. „Sie war nun allerdings unbestrittene Herrin im Hanse, aber in welchem? Wer war sie? 's Zwischenbühler Herrgvttlmachers Weib! Wenn sie abends mit dem kleinen Hans ans dein Arme unter die Thüre trat und hinaufsah zu dem Sternstciu- hofe, der mit vom Sonnenuntergange erglühenden Fenstern vor ihr lag, wie sie als Kind oft ihn gesehen, dann hätte sie gern Steine von der Straße raffen und all die blinkenden Scheiben zu Scheiben werfen mögen; aber wie weit, wie weit lag der prangende Hof, für sie wohl gar wie aus der Welt! Einmal streckte das Kind nach dem Gefunkel auf der Höhe die Ärmchen ans, sie sah es über¬ rascht an. Weißt dn much, wo d' hing'hörst? Wo wir allzwei sollten sitzen, wenn auf Wort und Schrift untern Menschen ein Verlaß wär'? Der Fratz meint ihn nah, wie zu'n Greifen! Ob das was vorbedeut't? Mein Jesus, den Gedanken nit los zu werden, was das für ein Unsinn ist." Sie wird ihn denn auch nicht los, obschon sie dem Stcrnsteinhof-Toni, als er much drei Jahren aus dem Dienste heimkommt und sie und ihr Kind auf der Straße keck anspricht, verständlich den Weg zeigt, obschon der Toni, um in den Besitz des Hofes zu kommen, die reiche Bauerntochter, die ihm früher zugedacht war, in überraschend schneller Weise heimführt und den Alten ins Auszughäuscheu drängt. Der junge Bauer findet in seiner Ehe noch weniger Glück als die Ziushofer- Helene in der ihrigein seine Frau, Sau, gebiert ihm el» Töchterchen, ein dürftig kränkliches Würmchen, und siecht selbst dahin; schon bei der Taufe seines Kindes versagt sich der Toni nicht, nach der kräftigen Gestalt des jungen Weibes des Herrgottmachcrs begehrlich hinzublicken und demnächst in der .Hütte der alten Zinshoferin vorzusprechen, seinen Jammer lind sein Elend zu beklagen und sich „auszureden darüber, wie anders alles hätte werden können." Und nun folgt naturnotwendig die verhängnisvolle Unterredung zwischen dein jungen Bauern und Helene in der Hütte der alten Zinshoferin, in welcher das junge Weib dem Stcrnsteinhofbauern zwar noch bitter genug vorhält, was er ihr angethan und daß er sich ihr jetzt nicht mehr nahen dürfe, ohne ihre Ehre aufs neue und schlimmer als je zuvor zu gefährden, in der aber auch das ver¬ hängnisvolle Wort fällt, daß das Kind, welches jetzt auf „eines andern Duldung" angewiesen ist, vielleicht noch einen Vater bekommen könne. Toni poltert heraus, was ihm das Herz preßt: „Wie lang kanns denn mit meiner Bäuerin währen? Vielleicht nimmt s' unser Herrgott bald zu ihm, wär ja auchs beste für sie, denn heil und nutz wird s' doch nimmer." Da hat wohl die junge Frau noch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/413>, abgerufen am 05.02.2025.