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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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nach Art der frühern Obererbpächter, oder unmittelbar in Augriff nimmt, muß
davon abhängig bleiben, ob sich genügende Privatthätigkeit einstellt. Private
Korporationen, welche schon im Besitze von Mvorlündereien sind, kommen
erst in zweiter Linie in Frage, sie wären durch die Thätigkeit der Regierung
anzuregen.

Noch mehr Gewicht wird man auf das Vorgehen des Staates legen müssen,
wenn man sich die Frage vorlegt, ob Aussicht vorhanden sei, daß der mit der
Rentcngüterdenkschrift verbundene Hauptzweck, Vermehrung und Erhaltung des
Standes mittlerer Grundbesitzer, erreicht werde. Denn einzelne Personen, Stif¬
tungen, Korporationen n. s. w., welche ausgedehnten Grundbesitz haben, werden
mit wenigen Ausnahmen zur Erreichung solcher sozialpolitischer und politischer
Zwecke die Hand nur bieten, wenn sie dabei zugleich ihr wirtschaftliches Interesse
am besten wahren, was freilich in vielen Füllen zutreffen mag. Eine Ver¬
mehrung der bäuerlichen Stellen ist nicht in allen preußischen Provinzen not¬
wendig, wohl aber in den östlichen Provinzen. Auch hier ist die Grundbesitz¬
verteilung noch nicht überall besorgniserregend, aber die bis jetzt noch etwas
unvollkommene Statistik der Güterverteilung ergiebt doch mit voller Sicherheit
eine bedeutende, in einzelnen Distrikten gefährliche Abnahme der mittleren Be¬
sitzungen zu Gunsten der kleinen und großen Güter. Die Gefahren, welche aus
dieser Bewegung entstehen, und welche unsre ganze Kultur bedrohen, in diesen
Blättern nochmals darzustellen, ist wohl überflüssig. Ihr entgegenzuwirken,
nötigenfalls mit erheblichen Opfern, ist Pflicht jedes kräftigen Staatswesens.
Dem preußischen Staate wird die Erfüllung dieser Pflicht durch seinen bedeu¬
tenden Domänenbesitz erleichtert, und zwar befinden sich diese Domänen gerade
in den hauptsächlich gefährdeten Bezirken: Neuvorpommern, Oberschlesien und
Posen. Wenn man anch nicht daran denken darf, alle diese wertvollen Güter
zu zerschlagen, so ist doch die Möglichkeit dazu in manchen Fällen vorhanden.
Zu den Domänen gehört etwa ein Viertel der gesamten Waldungen des König¬
reiches, welche nach der Versicherung des Oberforstmeisters Danckelmann sehr
vielen gute" Boden enthalten, der rationeller landwirtschaftlich bebaut würde.
Damit steht der Regierung wiederum ein weites Terrain für die Anlage von
Rentengütern zur Verfügung. Aber das allein wird in vielen Gegenden nicht
genügen. Die Regierung muß Fonds zu ihrer Verfügung haben, mit denen
sie gelegentlich geeignete Güter erwirbt, welche zur Subhastation oder zum
Verkauf kommen.

Noch ein andrer, bisher unsers Wissens völlig unbeachtet gebliebener Weg
steht der Negierung offen, auf welchem sie in hervorragender Weise zur Erhal¬
tung der Selbständigkeit des mittlern Grundbesitzes in allen Provinzen beitragen
kann. In Holland ereignet sich oft der Fall, daß Bauern, um in den Besitz
von Kapital zu kommen, ohne sich der Gefahr kündbarer Hypotheken auszusetzen,
Erbpächter auf ihrem eignen Gute werden, indem sie von irgend jemand Kapital


nach Art der frühern Obererbpächter, oder unmittelbar in Augriff nimmt, muß
davon abhängig bleiben, ob sich genügende Privatthätigkeit einstellt. Private
Korporationen, welche schon im Besitze von Mvorlündereien sind, kommen
erst in zweiter Linie in Frage, sie wären durch die Thätigkeit der Regierung
anzuregen.

Noch mehr Gewicht wird man auf das Vorgehen des Staates legen müssen,
wenn man sich die Frage vorlegt, ob Aussicht vorhanden sei, daß der mit der
Rentcngüterdenkschrift verbundene Hauptzweck, Vermehrung und Erhaltung des
Standes mittlerer Grundbesitzer, erreicht werde. Denn einzelne Personen, Stif¬
tungen, Korporationen n. s. w., welche ausgedehnten Grundbesitz haben, werden
mit wenigen Ausnahmen zur Erreichung solcher sozialpolitischer und politischer
Zwecke die Hand nur bieten, wenn sie dabei zugleich ihr wirtschaftliches Interesse
am besten wahren, was freilich in vielen Füllen zutreffen mag. Eine Ver¬
mehrung der bäuerlichen Stellen ist nicht in allen preußischen Provinzen not¬
wendig, wohl aber in den östlichen Provinzen. Auch hier ist die Grundbesitz¬
verteilung noch nicht überall besorgniserregend, aber die bis jetzt noch etwas
unvollkommene Statistik der Güterverteilung ergiebt doch mit voller Sicherheit
eine bedeutende, in einzelnen Distrikten gefährliche Abnahme der mittleren Be¬
sitzungen zu Gunsten der kleinen und großen Güter. Die Gefahren, welche aus
dieser Bewegung entstehen, und welche unsre ganze Kultur bedrohen, in diesen
Blättern nochmals darzustellen, ist wohl überflüssig. Ihr entgegenzuwirken,
nötigenfalls mit erheblichen Opfern, ist Pflicht jedes kräftigen Staatswesens.
Dem preußischen Staate wird die Erfüllung dieser Pflicht durch seinen bedeu¬
tenden Domänenbesitz erleichtert, und zwar befinden sich diese Domänen gerade
in den hauptsächlich gefährdeten Bezirken: Neuvorpommern, Oberschlesien und
Posen. Wenn man anch nicht daran denken darf, alle diese wertvollen Güter
zu zerschlagen, so ist doch die Möglichkeit dazu in manchen Fällen vorhanden.
Zu den Domänen gehört etwa ein Viertel der gesamten Waldungen des König¬
reiches, welche nach der Versicherung des Oberforstmeisters Danckelmann sehr
vielen gute» Boden enthalten, der rationeller landwirtschaftlich bebaut würde.
Damit steht der Regierung wiederum ein weites Terrain für die Anlage von
Rentengütern zur Verfügung. Aber das allein wird in vielen Gegenden nicht
genügen. Die Regierung muß Fonds zu ihrer Verfügung haben, mit denen
sie gelegentlich geeignete Güter erwirbt, welche zur Subhastation oder zum
Verkauf kommen.

Noch ein andrer, bisher unsers Wissens völlig unbeachtet gebliebener Weg
steht der Negierung offen, auf welchem sie in hervorragender Weise zur Erhal¬
tung der Selbständigkeit des mittlern Grundbesitzes in allen Provinzen beitragen
kann. In Holland ereignet sich oft der Fall, daß Bauern, um in den Besitz
von Kapital zu kommen, ohne sich der Gefahr kündbarer Hypotheken auszusetzen,
Erbpächter auf ihrem eignen Gute werden, indem sie von irgend jemand Kapital


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/405>, abgerufen am 05.02.2025.