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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Rentengüter.

Wen" sein Hypothekeiigläubiger ihm, vielleicht gar nach einigen Mißernten oder
bei gestiegenen Zinsfuße, kündigt, eine Wohlthat. Öffentliche Interessen werden
durch die Begründung unablösbarcr Renten durchaus nicht gefährdet; liegt einem
Rentenbancrn im einzelnen Falle viel an der Ablösung, so wird er sie dnrch
freie Übereinkunft mit dem Rentenberechtigten stets erlangen können. Gegen die
öffentlich-rechtliche Einschränkung, daß durch Vertrag ein höherer Ablösungs-
betrag als der fünfnndzwanzigfache Betrag der Rente niemals festgestellt werden
darf, erhebt die preußische Denkschrift mit Recht den EinWurf, "daß sie zu sehr
und ohne Not das Ermessen der Beteiligte": beenge." Denn diese Bestimmung
könnte, wenn der Rentenberechtigte gegen Zahlung dieses Betrages die Ablösung
einer einseitig unkündbaren Rente nicht gestatten wollte, dem Verpflichteten die
Ablösung, welche er, was vorkommen konnte, gern teurer bezahlte, unmöglich
machen.

Die vertragsmüßig auszuschließende Veräußerung eines Teiles des Renten-
gutes oder Zerteilung desselben ohne Zustimmung des Rentenberechtigten ist
unentbehrlich. In dieser Bestimmung liegt, wie die Denkschrift sagt, vornehmlich
"die politische Bedeutung des Rechtsinstitnts, welche vielleicht auch über seine
Lebensfähigkeit entscheidet." Hervorgehoben sei, daß man nur an eine vertrags¬
mäßige Abmachung denkt, welche von den Beteiligten jederzeit vertragsmäßig zu
ändern ist, und nicht alle Rentengüter durch öffentlich-rechtliche Vorschrift un¬
teilbar macheu will, wenn auch das Hauptmotiv dieser Beschränkung geineiu-
wirtschaftlicheu Rücksichten entspringt. Zunächst liegt die letztere allerdings im
Interesse des Reuteulierechtigteu, welchem es nicht gleichgiltig sein kann, ob er
mit einem sichern Schuldner oder mit mehrere" vielleicht weniger leistungs¬
fähige" zu thun hat. Ferner würde aber ohne diese Beschränkung "der aus¬
gesprochene und durchaus berechtigte Zweck, welcher bei dem Institute der Neuten-
güter verfolgt wird: die Stärkung des Bauerustnudes, die dauernde Erhaltung
eines leistungsfähigen mittleren Grundbesitzes, die Beförderung der innern
Kolonisation, kaum erreicht werden." Denn, wenn sie auch geeignet sein mögen,
die Errichtung leistungsfähiger Stellen zu erleichtern, so geben sie doch leine
Sicherheit für ihre dauernde Erhaltung. Daß anderseits die Gebundenheit
des Grundbesitzes auch wirtschaftliche Nachteile hat, ist unbestreitbar, wenn man
auch heute mehr als in frühern Jcchreu die Schattenseiten der unbeschränkten
Teilbarkeit erkciuut hat. Es ist jedoch zu bedenken, daß ein sehr großer Teil
unsers Grundbesitzes gegenwärtig dnrch Hhpothekarvcrschulduug thatsächlich schon
ebenso gebunden ist, daß ferner nach gütlicher Übereinkunft mit dem Renten¬
berechtigten wirtschaftlich notwendige und vorteilhafte Teilungen stets vorge¬
nommen werden können. Da diese freie Übereinkunft zuweilen --- unsers Er-
achtens freilich nur in seltenen Fällen -- unerreichbar sein kann, so hat die
Regierung in der Denkschrift für Sicherungen gesorgt. "Ist die Veräußerung
oder die Zerteilung im wirtschaftliche" J"teresse notwendig, so kann die versagte


Grmzlwtm I. 1886. ü"
Rentengüter.

Wen» sein Hypothekeiigläubiger ihm, vielleicht gar nach einigen Mißernten oder
bei gestiegenen Zinsfuße, kündigt, eine Wohlthat. Öffentliche Interessen werden
durch die Begründung unablösbarcr Renten durchaus nicht gefährdet; liegt einem
Rentenbancrn im einzelnen Falle viel an der Ablösung, so wird er sie dnrch
freie Übereinkunft mit dem Rentenberechtigten stets erlangen können. Gegen die
öffentlich-rechtliche Einschränkung, daß durch Vertrag ein höherer Ablösungs-
betrag als der fünfnndzwanzigfache Betrag der Rente niemals festgestellt werden
darf, erhebt die preußische Denkschrift mit Recht den EinWurf, „daß sie zu sehr
und ohne Not das Ermessen der Beteiligte«: beenge." Denn diese Bestimmung
könnte, wenn der Rentenberechtigte gegen Zahlung dieses Betrages die Ablösung
einer einseitig unkündbaren Rente nicht gestatten wollte, dem Verpflichteten die
Ablösung, welche er, was vorkommen konnte, gern teurer bezahlte, unmöglich
machen.

Die vertragsmüßig auszuschließende Veräußerung eines Teiles des Renten-
gutes oder Zerteilung desselben ohne Zustimmung des Rentenberechtigten ist
unentbehrlich. In dieser Bestimmung liegt, wie die Denkschrift sagt, vornehmlich
„die politische Bedeutung des Rechtsinstitnts, welche vielleicht auch über seine
Lebensfähigkeit entscheidet." Hervorgehoben sei, daß man nur an eine vertrags¬
mäßige Abmachung denkt, welche von den Beteiligten jederzeit vertragsmäßig zu
ändern ist, und nicht alle Rentengüter durch öffentlich-rechtliche Vorschrift un¬
teilbar macheu will, wenn auch das Hauptmotiv dieser Beschränkung geineiu-
wirtschaftlicheu Rücksichten entspringt. Zunächst liegt die letztere allerdings im
Interesse des Reuteulierechtigteu, welchem es nicht gleichgiltig sein kann, ob er
mit einem sichern Schuldner oder mit mehrere» vielleicht weniger leistungs¬
fähige» zu thun hat. Ferner würde aber ohne diese Beschränkung „der aus¬
gesprochene und durchaus berechtigte Zweck, welcher bei dem Institute der Neuten-
güter verfolgt wird: die Stärkung des Bauerustnudes, die dauernde Erhaltung
eines leistungsfähigen mittleren Grundbesitzes, die Beförderung der innern
Kolonisation, kaum erreicht werden." Denn, wenn sie auch geeignet sein mögen,
die Errichtung leistungsfähiger Stellen zu erleichtern, so geben sie doch leine
Sicherheit für ihre dauernde Erhaltung. Daß anderseits die Gebundenheit
des Grundbesitzes auch wirtschaftliche Nachteile hat, ist unbestreitbar, wenn man
auch heute mehr als in frühern Jcchreu die Schattenseiten der unbeschränkten
Teilbarkeit erkciuut hat. Es ist jedoch zu bedenken, daß ein sehr großer Teil
unsers Grundbesitzes gegenwärtig dnrch Hhpothekarvcrschulduug thatsächlich schon
ebenso gebunden ist, daß ferner nach gütlicher Übereinkunft mit dem Renten¬
berechtigten wirtschaftlich notwendige und vorteilhafte Teilungen stets vorge¬
nommen werden können. Da diese freie Übereinkunft zuweilen -— unsers Er-
achtens freilich nur in seltenen Fällen — unerreichbar sein kann, so hat die
Regierung in der Denkschrift für Sicherungen gesorgt. „Ist die Veräußerung
oder die Zerteilung im wirtschaftliche» J»teresse notwendig, so kann die versagte


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[0401] Rentengüter. Wen» sein Hypothekeiigläubiger ihm, vielleicht gar nach einigen Mißernten oder bei gestiegenen Zinsfuße, kündigt, eine Wohlthat. Öffentliche Interessen werden durch die Begründung unablösbarcr Renten durchaus nicht gefährdet; liegt einem Rentenbancrn im einzelnen Falle viel an der Ablösung, so wird er sie dnrch freie Übereinkunft mit dem Rentenberechtigten stets erlangen können. Gegen die öffentlich-rechtliche Einschränkung, daß durch Vertrag ein höherer Ablösungs- betrag als der fünfnndzwanzigfache Betrag der Rente niemals festgestellt werden darf, erhebt die preußische Denkschrift mit Recht den EinWurf, „daß sie zu sehr und ohne Not das Ermessen der Beteiligte«: beenge." Denn diese Bestimmung könnte, wenn der Rentenberechtigte gegen Zahlung dieses Betrages die Ablösung einer einseitig unkündbaren Rente nicht gestatten wollte, dem Verpflichteten die Ablösung, welche er, was vorkommen konnte, gern teurer bezahlte, unmöglich machen. Die vertragsmüßig auszuschließende Veräußerung eines Teiles des Renten- gutes oder Zerteilung desselben ohne Zustimmung des Rentenberechtigten ist unentbehrlich. In dieser Bestimmung liegt, wie die Denkschrift sagt, vornehmlich „die politische Bedeutung des Rechtsinstitnts, welche vielleicht auch über seine Lebensfähigkeit entscheidet." Hervorgehoben sei, daß man nur an eine vertrags¬ mäßige Abmachung denkt, welche von den Beteiligten jederzeit vertragsmäßig zu ändern ist, und nicht alle Rentengüter durch öffentlich-rechtliche Vorschrift un¬ teilbar macheu will, wenn auch das Hauptmotiv dieser Beschränkung geineiu- wirtschaftlicheu Rücksichten entspringt. Zunächst liegt die letztere allerdings im Interesse des Reuteulierechtigteu, welchem es nicht gleichgiltig sein kann, ob er mit einem sichern Schuldner oder mit mehrere» vielleicht weniger leistungs¬ fähige» zu thun hat. Ferner würde aber ohne diese Beschränkung „der aus¬ gesprochene und durchaus berechtigte Zweck, welcher bei dem Institute der Neuten- güter verfolgt wird: die Stärkung des Bauerustnudes, die dauernde Erhaltung eines leistungsfähigen mittleren Grundbesitzes, die Beförderung der innern Kolonisation, kaum erreicht werden." Denn, wenn sie auch geeignet sein mögen, die Errichtung leistungsfähiger Stellen zu erleichtern, so geben sie doch leine Sicherheit für ihre dauernde Erhaltung. Daß anderseits die Gebundenheit des Grundbesitzes auch wirtschaftliche Nachteile hat, ist unbestreitbar, wenn man auch heute mehr als in frühern Jcchreu die Schattenseiten der unbeschränkten Teilbarkeit erkciuut hat. Es ist jedoch zu bedenken, daß ein sehr großer Teil unsers Grundbesitzes gegenwärtig dnrch Hhpothekarvcrschulduug thatsächlich schon ebenso gebunden ist, daß ferner nach gütlicher Übereinkunft mit dem Renten¬ berechtigten wirtschaftlich notwendige und vorteilhafte Teilungen stets vorge¬ nommen werden können. Da diese freie Übereinkunft zuweilen -— unsers Er- achtens freilich nur in seltenen Fällen — unerreichbar sein kann, so hat die Regierung in der Denkschrift für Sicherungen gesorgt. „Ist die Veräußerung oder die Zerteilung im wirtschaftliche» J»teresse notwendig, so kann die versagte Grmzlwtm I. 1886. ü»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/401>, abgerufen am 05.02.2025.