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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Gebiete der Kolonisation hat sich daher auch in frühern Zeiten vor allem die
Erbpacht bewährt. Befördert aber so das Rechtverhältnis des Rcntengutes
die Entstehung neuer Grundeigentümer, so tragt eS anderseits auch zur Er¬
haltung leistungsfähiger Höfe bei, zunächst schon dadurch, daß der Erwerber
wegen der auf längere Zeit oder für immer unkündbaren Rente sichern Boden
unter den Füßen hat. Da ferner die Veräußerung von Teilen des Nentengutes
oder die Zerteilung desselben von der Zustimmung des Rentenberechtigten ver¬
tragsmäßig abhängig gemacht und endlich in den Landesteilen, in welchen ein
dem Gesetze für die Provinz Hannover vom 2. Juni 1874 entsprechendes
"Höferccht" besteht oder eingeführt werden wird, die Eintragung des Renten-
gutes in die Höferolle") unter Ausschluß der Löschuugsbefuguis durch Vertrag
ausbedungen werden kann, so sind für die Erhaltung der als Nentengüter neu
geschaffenen Bauerhöfe weitere Garantien gegeben.

Gegen die Wiedereinführung ohne Zustimmung beider Kontrahenten für
längere Jahre oder für immer uuablösbarer Renten sind wirklich stichhaltige
Gründe nicht vorzubringen. Die immer wiederkehrenden Phrasen, daß die "ewig
unabänderliche (?) Gebundenheit ein dem Erbpächter oder Nentenbauern uner¬
träglicher Zustand werden müsse," daß "sein Nealkredit geschädigt werde," sind
unverständige theoretische Erfindungen solcher, welche ihre Weisheit aus lange
veralteten Lehrbücher" saugen. Im Gegenteil ist das Verbot einseitig uuablös¬
barer Renten eine gänzlich unbegründete und schädliche Begrenzung der Ver-
tragsfreiheit. Den mecklenburgischen Domanialerbpächtern wurde 1875 die Ab¬
lösung des Kanons mit dem fünfundzwanzigfachen Betrage desselben gestattet,
aber bis 1882 ist von dieser Befugnis nicht ein einzigesmal Gebrauch ge¬
macht worden, ob später, weiß ich nicht. Auch in den alten ostfriesischen Vcen-
kolonien ist bis jetzt nirgend abgelöst worden, obgleich hier schon der zwanzig¬
fache Betrag der Rente genügte; dagegen haben in den dortigen Moor- und
Einzelkotvnien Ablösungen stattgefunden, deren traurige Folge in vielen Füllen
Zersplitterung der Güter und vor allem Bedrängnis der Bauern durch künd¬
bare Hhpvthetcnschnlden gewesen ist. Daß in dem übrigen Dentschland vielfach
Renten abgelöst wurden, wo uur der achtzehnfache Jahresbeitrag verlangt wurde,
während der Zinsfuß für Hhpvtheken etwa vier Prozent betrug, ist wohl natür¬
lich, und doch ist die Ablösung trotz der Unterstützung der Landesrentenbanken
viel langsamer vor sich gegangen, als man erwartet hatte, auch in Süddeutsch-
land, z, B, in Baiern. Der unkündbare Kanon ist für den Landwirt, der aus
seinem Boden nur eine Rente zieht und keine Kapitalien aus ihm stampfen kaun,



") Die Eintragung in die Höferolle hindert den Eigentümer nicht in der freien Ver¬
fügung über den Hof bei Lebzeiten oder durch letztwillige Verfügung. Im Falle der Ver-
erbung ohne Testament gewährt sie jedoch ein Anerbenrecht, kraft dessen der Hof unter
gewissen Begünstigungen auf den Anerben übergeht, welche ihm die Erhaltung desselben in
der Familie erleichtern. Die Löschung der Eintragung steht dem Eigentümer stets zu.

Gebiete der Kolonisation hat sich daher auch in frühern Zeiten vor allem die
Erbpacht bewährt. Befördert aber so das Rechtverhältnis des Rcntengutes
die Entstehung neuer Grundeigentümer, so tragt eS anderseits auch zur Er¬
haltung leistungsfähiger Höfe bei, zunächst schon dadurch, daß der Erwerber
wegen der auf längere Zeit oder für immer unkündbaren Rente sichern Boden
unter den Füßen hat. Da ferner die Veräußerung von Teilen des Nentengutes
oder die Zerteilung desselben von der Zustimmung des Rentenberechtigten ver¬
tragsmäßig abhängig gemacht und endlich in den Landesteilen, in welchen ein
dem Gesetze für die Provinz Hannover vom 2. Juni 1874 entsprechendes
„Höferccht" besteht oder eingeführt werden wird, die Eintragung des Renten-
gutes in die Höferolle") unter Ausschluß der Löschuugsbefuguis durch Vertrag
ausbedungen werden kann, so sind für die Erhaltung der als Nentengüter neu
geschaffenen Bauerhöfe weitere Garantien gegeben.

Gegen die Wiedereinführung ohne Zustimmung beider Kontrahenten für
längere Jahre oder für immer uuablösbarer Renten sind wirklich stichhaltige
Gründe nicht vorzubringen. Die immer wiederkehrenden Phrasen, daß die „ewig
unabänderliche (?) Gebundenheit ein dem Erbpächter oder Nentenbauern uner¬
träglicher Zustand werden müsse," daß „sein Nealkredit geschädigt werde," sind
unverständige theoretische Erfindungen solcher, welche ihre Weisheit aus lange
veralteten Lehrbücher» saugen. Im Gegenteil ist das Verbot einseitig uuablös¬
barer Renten eine gänzlich unbegründete und schädliche Begrenzung der Ver-
tragsfreiheit. Den mecklenburgischen Domanialerbpächtern wurde 1875 die Ab¬
lösung des Kanons mit dem fünfundzwanzigfachen Betrage desselben gestattet,
aber bis 1882 ist von dieser Befugnis nicht ein einzigesmal Gebrauch ge¬
macht worden, ob später, weiß ich nicht. Auch in den alten ostfriesischen Vcen-
kolonien ist bis jetzt nirgend abgelöst worden, obgleich hier schon der zwanzig¬
fache Betrag der Rente genügte; dagegen haben in den dortigen Moor- und
Einzelkotvnien Ablösungen stattgefunden, deren traurige Folge in vielen Füllen
Zersplitterung der Güter und vor allem Bedrängnis der Bauern durch künd¬
bare Hhpvthetcnschnlden gewesen ist. Daß in dem übrigen Dentschland vielfach
Renten abgelöst wurden, wo uur der achtzehnfache Jahresbeitrag verlangt wurde,
während der Zinsfuß für Hhpvtheken etwa vier Prozent betrug, ist wohl natür¬
lich, und doch ist die Ablösung trotz der Unterstützung der Landesrentenbanken
viel langsamer vor sich gegangen, als man erwartet hatte, auch in Süddeutsch-
land, z, B, in Baiern. Der unkündbare Kanon ist für den Landwirt, der aus
seinem Boden nur eine Rente zieht und keine Kapitalien aus ihm stampfen kaun,



») Die Eintragung in die Höferolle hindert den Eigentümer nicht in der freien Ver¬
fügung über den Hof bei Lebzeiten oder durch letztwillige Verfügung. Im Falle der Ver-
erbung ohne Testament gewährt sie jedoch ein Anerbenrecht, kraft dessen der Hof unter
gewissen Begünstigungen auf den Anerben übergeht, welche ihm die Erhaltung desselben in
der Familie erleichtern. Die Löschung der Eintragung steht dem Eigentümer stets zu.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/400>, abgerufen am 05.02.2025.