Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die hannoversche Gesellschaft. Sie war zu irgendeinem Kaffee eingeladen und von der Wirtin in der rechten Aus allen diesen Gründen bildete sich, ganz abgesehen von den politischen Natürlich wurden die leitenden Herren der zweiten Gesellschaft für ihr Im Laufe der Jahre hat in dieser Beziehung allerdings eine gewisse Rück¬ Übrigens stellten die Trümmer der alten hannoverschen Gesellschaft allen Die hannoversche Gesellschaft. Sie war zu irgendeinem Kaffee eingeladen und von der Wirtin in der rechten Aus allen diesen Gründen bildete sich, ganz abgesehen von den politischen Natürlich wurden die leitenden Herren der zweiten Gesellschaft für ihr Im Laufe der Jahre hat in dieser Beziehung allerdings eine gewisse Rück¬ Übrigens stellten die Trümmer der alten hannoverschen Gesellschaft allen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197782"/> <fw type="header" place="top"> Die hannoversche Gesellschaft.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055"> Sie war zu irgendeinem Kaffee eingeladen und von der Wirtin in der rechten<lb/> Ecke des Sofas placirt worden. Dort blieb sie auch ruhig sitzen, als die Frau<lb/> Appellationsgerichtspräsidentin erschien und sie wutschnaubenden Blickes von<lb/> unten bis oben maß. Ihr Verbrechen ward ihr erst einige Tage später durch<lb/> eine neue Bekannte klar gemacht, verziehen worden ist es ihr nie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1057"> Aus allen diesen Gründen bildete sich, ganz abgesehen von den politischen<lb/> Gegensätzen, eine gewisse Kluft zwischen den Resten der alten hannöverschen Ge¬<lb/> sellschaft und den neu hinzugekommenen Mitbürgern. Die zweite Gesellschaft<lb/> suchte daraus Nutzen zu ziehen und kam den preußischen Beamten und Offizieren<lb/> mit weit geöffneten Armen entgegen. Diese begingen den großen Fehler, der<lb/> Verlockung nicht zu widerstehen und sich gleichzeitig mißbilligend über hamiovcrsches<lb/> Cliquenwesen zu ciußeru. Natürlich wurde hannoverscherseits mit tadelnden Be¬<lb/> merkungen geantwortet, und wir erinnern uns noch sehr wohl des Naserümpfens<lb/> innerhalb der alten vornehmen Celler Gesellschaft, als ein preußischer Brigade-<lb/> kvmmandenr, nach dazu ein Graf, sein Quartier in dem Hause eines damals<lb/> noch reichen Bankiers nahm, in welchem zu verkehren jedem hannoverschen<lb/> Leutnant gewehrt worden wäre, und des Jubels und der anerkennenden Ver¬<lb/> gleiche, welche im dortigen zweiten Klub erschallten, als sich ein preußischer<lb/> Regimentskommandeur herbeiließ, in seinen Räumen und vor seinen Mitgliedern<lb/> Vorträge über die militärischen Einrichtungen Preußens zu halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1058"> Natürlich wurden die leitenden Herren der zweiten Gesellschaft für ihr<lb/> Entgegenkommen belohnt. Titel, vor allem der Kommerzienratstilel, und De¬<lb/> korationen ergossen sich förmlich über sie. Hie und da ward auch eine Tochter<lb/> aus diesen Kreisen geheiratet und damit die gute hannoversche Gesellschaft aufs<lb/> neue vor den Kopf gestoßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1059"> Im Laufe der Jahre hat in dieser Beziehung allerdings eine gewisse Rück¬<lb/> bildung stattgefunden, und je mehr sich die Kluft zwischen den Alt- und Nen-<lb/> prenßen überbrückt hat, desto vorsichtiger sind die erster» in der Wahl ihres<lb/> Umganges geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1060" next="#ID_1061"> Übrigens stellten die Trümmer der alten hannoverschen Gesellschaft allen<lb/> jenen sozialen Veränderungen nicht immer den Widerstand entgegen, welchen<lb/> man von der Zähigkeit und Hartnäckigkeit der Niedersachsen hätte erwarten sollen.<lb/> Nur die liebgewvrdnen äußern Formen rettete man ans dem Schiffbruche, der<lb/> Geist, welcher sie einst belebte, ging nicht ohne eigne Schuld verloren. Die<lb/> Klubs büßten ihre maßgebende Stellung ein, seitdem es vorgekommen war, daß<lb/> Präsidenten derselben am Geburtstage des .Kaisers plötzlich verreisen mußten<lb/> und den Vorsitz ein der. Festtafel untern Beamten überließen, ein Vorgehen,<lb/> welches umsoweniger in der Ordnung war, als sie doch die sämtlichen Mitglieder<lb/> des Klubs, also auch die Altpreuszen, vertraten. Infolge dessen ergeht jetzt die<lb/> Aufforderung zur Teilnahme am genieinsamen Mittagstisch von den „Spitzen<lb/> der Behörden." Der im Range höchststehende Herr prcisidirt, neben ihn reihen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0358]
Die hannoversche Gesellschaft.
Sie war zu irgendeinem Kaffee eingeladen und von der Wirtin in der rechten
Ecke des Sofas placirt worden. Dort blieb sie auch ruhig sitzen, als die Frau
Appellationsgerichtspräsidentin erschien und sie wutschnaubenden Blickes von
unten bis oben maß. Ihr Verbrechen ward ihr erst einige Tage später durch
eine neue Bekannte klar gemacht, verziehen worden ist es ihr nie.
Aus allen diesen Gründen bildete sich, ganz abgesehen von den politischen
Gegensätzen, eine gewisse Kluft zwischen den Resten der alten hannöverschen Ge¬
sellschaft und den neu hinzugekommenen Mitbürgern. Die zweite Gesellschaft
suchte daraus Nutzen zu ziehen und kam den preußischen Beamten und Offizieren
mit weit geöffneten Armen entgegen. Diese begingen den großen Fehler, der
Verlockung nicht zu widerstehen und sich gleichzeitig mißbilligend über hamiovcrsches
Cliquenwesen zu ciußeru. Natürlich wurde hannoverscherseits mit tadelnden Be¬
merkungen geantwortet, und wir erinnern uns noch sehr wohl des Naserümpfens
innerhalb der alten vornehmen Celler Gesellschaft, als ein preußischer Brigade-
kvmmandenr, nach dazu ein Graf, sein Quartier in dem Hause eines damals
noch reichen Bankiers nahm, in welchem zu verkehren jedem hannoverschen
Leutnant gewehrt worden wäre, und des Jubels und der anerkennenden Ver¬
gleiche, welche im dortigen zweiten Klub erschallten, als sich ein preußischer
Regimentskommandeur herbeiließ, in seinen Räumen und vor seinen Mitgliedern
Vorträge über die militärischen Einrichtungen Preußens zu halten.
Natürlich wurden die leitenden Herren der zweiten Gesellschaft für ihr
Entgegenkommen belohnt. Titel, vor allem der Kommerzienratstilel, und De¬
korationen ergossen sich förmlich über sie. Hie und da ward auch eine Tochter
aus diesen Kreisen geheiratet und damit die gute hannoversche Gesellschaft aufs
neue vor den Kopf gestoßen.
Im Laufe der Jahre hat in dieser Beziehung allerdings eine gewisse Rück¬
bildung stattgefunden, und je mehr sich die Kluft zwischen den Alt- und Nen-
prenßen überbrückt hat, desto vorsichtiger sind die erster» in der Wahl ihres
Umganges geworden.
Übrigens stellten die Trümmer der alten hannoverschen Gesellschaft allen
jenen sozialen Veränderungen nicht immer den Widerstand entgegen, welchen
man von der Zähigkeit und Hartnäckigkeit der Niedersachsen hätte erwarten sollen.
Nur die liebgewvrdnen äußern Formen rettete man ans dem Schiffbruche, der
Geist, welcher sie einst belebte, ging nicht ohne eigne Schuld verloren. Die
Klubs büßten ihre maßgebende Stellung ein, seitdem es vorgekommen war, daß
Präsidenten derselben am Geburtstage des .Kaisers plötzlich verreisen mußten
und den Vorsitz ein der. Festtafel untern Beamten überließen, ein Vorgehen,
welches umsoweniger in der Ordnung war, als sie doch die sämtlichen Mitglieder
des Klubs, also auch die Altpreuszen, vertraten. Infolge dessen ergeht jetzt die
Aufforderung zur Teilnahme am genieinsamen Mittagstisch von den „Spitzen
der Behörden." Der im Range höchststehende Herr prcisidirt, neben ihn reihen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |