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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur Währungsfrage.

sei! Es fand sich eine Liquidationsformel, der sich zuletzt auch Belgien ange¬
schlossen hat. Aus allem geht hervor, daß die Union das Vertrauen zur Doppel¬
währung, das heißt zu ihrer Durchführbarkeit in den gegenwärtigen Grenzen,
verloren hat.

Aber für die wissenschaftliche Doktrin ist durch solche Beweisführung nicht
viel gewonnen. Die ist nicht leicht zu überzeugen. Das Geld für eine bloße
Waare zu halten, auf deren Preisfixirung der Staat keinen Einfluß üben dürfe
und schließlich nicht könne, dazu bequemt sich die Doktrin nicht leicht. Und in
der That läßt sich mit W. Lexis gegen diesen allgemeinen Satz viel einwenden
und behaupten, daß ein gehörig erweiterter Doppelwährnngsbund, ein univer¬
saler Bimetallismus, wenn er zustande käme, wohl die Kraft hätte, für abseh¬
bare Zeit das Wertverhältnis von Gold zu Silber festzuhalten, falls nicht
radikale Umwälzungen in den Produktionsverhältnissen der beiden Metalle ein¬
treten. Auch der für Goldwährung agitirende Professor Soetbeer erkennt diese
Möglichkeit an (Neuwirth, Der Kampf um die Währung, S. 70). Die wirt¬
schaftlichen Gesetze haben zwar Macht, aber keine Allmacht. Wir sind sehr oft
in der Lage, durch soziale Gesetze, auch durch Strafen, gewisse natürliche und
psychologische Gesetze abzuändern; anch das Gesetz von Angebot und Nachfrage
wird von allerlei andern Gesetzen, z. B. im Hausirhandel, durchkreuzt.

Aber wenn anch doktrinär diese Möglichkeit nicht zu bezweifeln ist, real¬
politisch ist nichts damit zu machen. Denn die Anstrengungen der energischen
und talentvollen Männer, einen solchen Weltdoppelwährungsbund zustande zu
bringen, sind ganz vergeblich gewesen. Nicht einmal die ersten Prinzipien eines
solchen Unternehmens sind klar. Alle bedauern die Silbcrentwertung, aber keiner
weiß Rat. Und seit England deutlich erklärt hat, es werde seine Goldwährung
nicht aufgebe", obwohl auch in England bimetallistische Neigungen sich stark
regen, ist für den Staatsmann das ganze Projekt ins Bodenlose gefallen. Eng¬
lands Handelsstellung ist so außerordentlich bedeutsam, daß ohne England kein
Bimetallismusbund einen hinreichenden Druck auf die Edelmctnllpreise ausüben
kann. Darum ist es ganz unpraktisch, wenn bis vor kurzem Cernnschi, Arendt
und andre auch ohne England die allgemeine Doppelwährung für ausführbar
und wirksam genug hielten. Ob sie noch heute so denken, nachdem der lateinische
Münzbund sich gewissermaßen für bankerott erklärt hat, wissen wir freilich nicht.

Auch ein andrer Punkt ist mit Unrecht in Bambergers Schrift über die
lateinische Münzuuion als gegen jede Münzunion sprechend aufgefaßt worden.
Die genannte Union hatte sich ja nicht auf die Währungsfrage beschränkt,
sondern auch die Gold- und Courantsilbermünzen gleich gemacht und ihnen
Freizügigkeit gewährt. Die Mehrzahl der jetzt erst zu Tage getretenen Schwierig¬
keiten in der Union sind denn anch aus dem Einwandern der fremden Münzen
entsprungen. Sie können also nicht vollgiltig beweisen gegen eine allgemeine
Doppelwährung, die sich von der Gleichmachung der verschiednen Landesmünzen


Zur Währungsfrage.

sei! Es fand sich eine Liquidationsformel, der sich zuletzt auch Belgien ange¬
schlossen hat. Aus allem geht hervor, daß die Union das Vertrauen zur Doppel¬
währung, das heißt zu ihrer Durchführbarkeit in den gegenwärtigen Grenzen,
verloren hat.

Aber für die wissenschaftliche Doktrin ist durch solche Beweisführung nicht
viel gewonnen. Die ist nicht leicht zu überzeugen. Das Geld für eine bloße
Waare zu halten, auf deren Preisfixirung der Staat keinen Einfluß üben dürfe
und schließlich nicht könne, dazu bequemt sich die Doktrin nicht leicht. Und in
der That läßt sich mit W. Lexis gegen diesen allgemeinen Satz viel einwenden
und behaupten, daß ein gehörig erweiterter Doppelwährnngsbund, ein univer¬
saler Bimetallismus, wenn er zustande käme, wohl die Kraft hätte, für abseh¬
bare Zeit das Wertverhältnis von Gold zu Silber festzuhalten, falls nicht
radikale Umwälzungen in den Produktionsverhältnissen der beiden Metalle ein¬
treten. Auch der für Goldwährung agitirende Professor Soetbeer erkennt diese
Möglichkeit an (Neuwirth, Der Kampf um die Währung, S. 70). Die wirt¬
schaftlichen Gesetze haben zwar Macht, aber keine Allmacht. Wir sind sehr oft
in der Lage, durch soziale Gesetze, auch durch Strafen, gewisse natürliche und
psychologische Gesetze abzuändern; anch das Gesetz von Angebot und Nachfrage
wird von allerlei andern Gesetzen, z. B. im Hausirhandel, durchkreuzt.

Aber wenn anch doktrinär diese Möglichkeit nicht zu bezweifeln ist, real¬
politisch ist nichts damit zu machen. Denn die Anstrengungen der energischen
und talentvollen Männer, einen solchen Weltdoppelwährungsbund zustande zu
bringen, sind ganz vergeblich gewesen. Nicht einmal die ersten Prinzipien eines
solchen Unternehmens sind klar. Alle bedauern die Silbcrentwertung, aber keiner
weiß Rat. Und seit England deutlich erklärt hat, es werde seine Goldwährung
nicht aufgebe», obwohl auch in England bimetallistische Neigungen sich stark
regen, ist für den Staatsmann das ganze Projekt ins Bodenlose gefallen. Eng¬
lands Handelsstellung ist so außerordentlich bedeutsam, daß ohne England kein
Bimetallismusbund einen hinreichenden Druck auf die Edelmctnllpreise ausüben
kann. Darum ist es ganz unpraktisch, wenn bis vor kurzem Cernnschi, Arendt
und andre auch ohne England die allgemeine Doppelwährung für ausführbar
und wirksam genug hielten. Ob sie noch heute so denken, nachdem der lateinische
Münzbund sich gewissermaßen für bankerott erklärt hat, wissen wir freilich nicht.

Auch ein andrer Punkt ist mit Unrecht in Bambergers Schrift über die
lateinische Münzuuion als gegen jede Münzunion sprechend aufgefaßt worden.
Die genannte Union hatte sich ja nicht auf die Währungsfrage beschränkt,
sondern auch die Gold- und Courantsilbermünzen gleich gemacht und ihnen
Freizügigkeit gewährt. Die Mehrzahl der jetzt erst zu Tage getretenen Schwierig¬
keiten in der Union sind denn anch aus dem Einwandern der fremden Münzen
entsprungen. Sie können also nicht vollgiltig beweisen gegen eine allgemeine
Doppelwährung, die sich von der Gleichmachung der verschiednen Landesmünzen


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[0348] Zur Währungsfrage. sei! Es fand sich eine Liquidationsformel, der sich zuletzt auch Belgien ange¬ schlossen hat. Aus allem geht hervor, daß die Union das Vertrauen zur Doppel¬ währung, das heißt zu ihrer Durchführbarkeit in den gegenwärtigen Grenzen, verloren hat. Aber für die wissenschaftliche Doktrin ist durch solche Beweisführung nicht viel gewonnen. Die ist nicht leicht zu überzeugen. Das Geld für eine bloße Waare zu halten, auf deren Preisfixirung der Staat keinen Einfluß üben dürfe und schließlich nicht könne, dazu bequemt sich die Doktrin nicht leicht. Und in der That läßt sich mit W. Lexis gegen diesen allgemeinen Satz viel einwenden und behaupten, daß ein gehörig erweiterter Doppelwährnngsbund, ein univer¬ saler Bimetallismus, wenn er zustande käme, wohl die Kraft hätte, für abseh¬ bare Zeit das Wertverhältnis von Gold zu Silber festzuhalten, falls nicht radikale Umwälzungen in den Produktionsverhältnissen der beiden Metalle ein¬ treten. Auch der für Goldwährung agitirende Professor Soetbeer erkennt diese Möglichkeit an (Neuwirth, Der Kampf um die Währung, S. 70). Die wirt¬ schaftlichen Gesetze haben zwar Macht, aber keine Allmacht. Wir sind sehr oft in der Lage, durch soziale Gesetze, auch durch Strafen, gewisse natürliche und psychologische Gesetze abzuändern; anch das Gesetz von Angebot und Nachfrage wird von allerlei andern Gesetzen, z. B. im Hausirhandel, durchkreuzt. Aber wenn anch doktrinär diese Möglichkeit nicht zu bezweifeln ist, real¬ politisch ist nichts damit zu machen. Denn die Anstrengungen der energischen und talentvollen Männer, einen solchen Weltdoppelwährungsbund zustande zu bringen, sind ganz vergeblich gewesen. Nicht einmal die ersten Prinzipien eines solchen Unternehmens sind klar. Alle bedauern die Silbcrentwertung, aber keiner weiß Rat. Und seit England deutlich erklärt hat, es werde seine Goldwährung nicht aufgebe», obwohl auch in England bimetallistische Neigungen sich stark regen, ist für den Staatsmann das ganze Projekt ins Bodenlose gefallen. Eng¬ lands Handelsstellung ist so außerordentlich bedeutsam, daß ohne England kein Bimetallismusbund einen hinreichenden Druck auf die Edelmctnllpreise ausüben kann. Darum ist es ganz unpraktisch, wenn bis vor kurzem Cernnschi, Arendt und andre auch ohne England die allgemeine Doppelwährung für ausführbar und wirksam genug hielten. Ob sie noch heute so denken, nachdem der lateinische Münzbund sich gewissermaßen für bankerott erklärt hat, wissen wir freilich nicht. Auch ein andrer Punkt ist mit Unrecht in Bambergers Schrift über die lateinische Münzuuion als gegen jede Münzunion sprechend aufgefaßt worden. Die genannte Union hatte sich ja nicht auf die Währungsfrage beschränkt, sondern auch die Gold- und Courantsilbermünzen gleich gemacht und ihnen Freizügigkeit gewährt. Die Mehrzahl der jetzt erst zu Tage getretenen Schwierig¬ keiten in der Union sind denn anch aus dem Einwandern der fremden Münzen entsprungen. Sie können also nicht vollgiltig beweisen gegen eine allgemeine Doppelwährung, die sich von der Gleichmachung der verschiednen Landesmünzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/348>, abgerufen am 05.02.2025.