Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Camoens' Lippen fiel, alles lauschte mit sichtlicher Spannung, und es war gut Dom Sebastians Ansprache war von allen gehört worden, und auch die Da entschloß sich das schöne Mädchen, welches den Schatten ans feinern Camoens' Lippen fiel, alles lauschte mit sichtlicher Spannung, und es war gut Dom Sebastians Ansprache war von allen gehört worden, und auch die Da entschloß sich das schöne Mädchen, welches den Schatten ans feinern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197766"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_998" prev="#ID_997"> Camoens' Lippen fiel, alles lauschte mit sichtlicher Spannung, und es war gut<lb/> für den Dichter, daß er, vom Gegenstände hingerissen, weder die Blicke wahr¬<lb/> nahm, die von Einzelnen in dein großen Kreise getauscht wurden, noch die Ver¬<lb/> änderung in den Zügen König Sebastians, Der junge Herrscher hatte eben »och<lb/> huldvoll dem Dichter zugelächelt, jetzt erhielt sein Gesicht die trübsinnige Starrheit<lb/> zurück, die ihm sonst eigen war, die Augen blickten wieder weit über Camoens<lb/> und den dichtgedrängten Kreis hinweg, gleichsam durch die Wände des Saales<lb/> hindurch. Tellez Alucita, der Kaplan, faltete vor den andern ungesehen die<lb/> Hände; erkannte er doch den Ausdruck, den er auf dem Gesichte des Königs<lb/> am liebsten sah und in letzter Zeit, vor allem am heutigen Abend, allzuoft<lb/> vermißt hatte, Camoens sprach sich immer tiefer in die Empfindung hinein, die<lb/> seinen Gesang erfüllte, die feiner fühlenden Hörer konnten leicht ermessen, daß<lb/> eine eigne schmerzliche Erinnerung die Strophen dnrchhnnchte, welche von den<lb/> Lippen des Dichters klangen. Den sichtlichsten Anteil an dem Vortrage nahm<lb/> offenbar Catnrina Palmeirim, Das schöne Mädchen saß regungslos, die großen<lb/> schwarzen Augensterne erglänzten in feuchtem Schimmer, Camoens vergaß darüber,<lb/> daß er sich zunächst an den König zu wenden habe. Die Hofgesellschaft nahm<lb/> seine Bewegung wahr, hatte aber auch längst bemerkt, daß der König nicht mehr<lb/> wie vorhin cuifmerkscun und ergriffen sei, und verharrte daher, als Camoens<lb/> wiederum endete, in Schweigen, Doch hielt das Schweigen nicht lange an. Denn<lb/> der König, ans seinem Hinbrüten erwachend und sich sammelnd, gab das Zeichen<lb/> zum lauten, rauschenden Beifall und rief dem Dichter zu: Ich danke dir, Camoens,<lb/> danke dir auch hierfür, obschon einer meiner Ahnen in der traurigen Geschichte<lb/> der schönen Ines eine wenig rühmliche Rolle spielt und die Rache, die Dom<lb/> Pedro nach seiner Thronbesteigung genommen, eines Königs kaum würdig war.<lb/> Sage selbst, ob dein Gesang nicht anders lauten und jubelnd ausklingen würde,<lb/> wenn Pedro der Infant schon Pedro der König gewesen wäre?</p><lb/> <p xml:id="ID_999"> Dom Sebastians Ansprache war von allen gehört worden, und auch die<lb/> Autwort des Dichters: Gewiß ist es, wie mein königlicher Herr sagt, aber es<lb/> frommt dem Dichter so wenig wie den Menschen überhaupt, die Ratschlüsse<lb/> Gottes umzudeuten! klang vernehmlich genug, obwohl sie mit zitternder «stimme<lb/> gegeben ward. In dem Augenblicke, wo der König zu ihm sprach, hatte sich<lb/> Camoens erinnert, wils am Abend zuvor Bartolomeo Okaz, sein und Barretvs<lb/> Wirt, über die Bewunderung des Königs für die Tochter des Grafen Palmeirim<lb/> gesprochen hatte; er hatte die dunkle Glut wohl bemerkt, welche durch die Worte<lb/> des Königs und die Blicke vieler Umstehenden auf dem Gesichte der jungen Gräfin<lb/> hervorgerufen wurde. Seine Antwort verriet nichts von dem Weh, das sich<lb/> mit einemmale in das Glücksgefühl dieser Stunde mischte, eher hätte seine Haltung<lb/> auffallen können. Catarina Palmeirim hatte sich dem Dichter einen Schritt<lb/> genähert, sie durfte erwarten, daß er zu ihr treten und auch ihren Dank ent¬<lb/> gegennehmen würde. Aber Camoens blieb an die Stelle gebannt, an der er<lb/> von Dom Sebastian angeredet worden war, obschon sich der König inzwischen<lb/> hinweggewandt und ein Gespräch mit dem Grafen Bimiosv und dem Prior von<lb/> Belem begonnen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1000" next="#ID_1001"> Da entschloß sich das schöne Mädchen, welches den Schatten ans feinern<lb/> Gesichte wohl wahrnahm, sich ganz zu ihm zu wenden und ihm mehr als ein<lb/> zeremonielles Wort zu gönnen: Ich spreche für alle meine Schwestern, wenn<lb/> ich Euch danke, daß Ihr das Gedächtnis der edelsten und unglücklichsten Frau<lb/> unsers Landes in Euerm Gedichte rein und verklärt fortleben laßt. Ich höre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342]
Camoens' Lippen fiel, alles lauschte mit sichtlicher Spannung, und es war gut
für den Dichter, daß er, vom Gegenstände hingerissen, weder die Blicke wahr¬
nahm, die von Einzelnen in dein großen Kreise getauscht wurden, noch die Ver¬
änderung in den Zügen König Sebastians, Der junge Herrscher hatte eben »och
huldvoll dem Dichter zugelächelt, jetzt erhielt sein Gesicht die trübsinnige Starrheit
zurück, die ihm sonst eigen war, die Augen blickten wieder weit über Camoens
und den dichtgedrängten Kreis hinweg, gleichsam durch die Wände des Saales
hindurch. Tellez Alucita, der Kaplan, faltete vor den andern ungesehen die
Hände; erkannte er doch den Ausdruck, den er auf dem Gesichte des Königs
am liebsten sah und in letzter Zeit, vor allem am heutigen Abend, allzuoft
vermißt hatte, Camoens sprach sich immer tiefer in die Empfindung hinein, die
seinen Gesang erfüllte, die feiner fühlenden Hörer konnten leicht ermessen, daß
eine eigne schmerzliche Erinnerung die Strophen dnrchhnnchte, welche von den
Lippen des Dichters klangen. Den sichtlichsten Anteil an dem Vortrage nahm
offenbar Catnrina Palmeirim, Das schöne Mädchen saß regungslos, die großen
schwarzen Augensterne erglänzten in feuchtem Schimmer, Camoens vergaß darüber,
daß er sich zunächst an den König zu wenden habe. Die Hofgesellschaft nahm
seine Bewegung wahr, hatte aber auch längst bemerkt, daß der König nicht mehr
wie vorhin cuifmerkscun und ergriffen sei, und verharrte daher, als Camoens
wiederum endete, in Schweigen, Doch hielt das Schweigen nicht lange an. Denn
der König, ans seinem Hinbrüten erwachend und sich sammelnd, gab das Zeichen
zum lauten, rauschenden Beifall und rief dem Dichter zu: Ich danke dir, Camoens,
danke dir auch hierfür, obschon einer meiner Ahnen in der traurigen Geschichte
der schönen Ines eine wenig rühmliche Rolle spielt und die Rache, die Dom
Pedro nach seiner Thronbesteigung genommen, eines Königs kaum würdig war.
Sage selbst, ob dein Gesang nicht anders lauten und jubelnd ausklingen würde,
wenn Pedro der Infant schon Pedro der König gewesen wäre?
Dom Sebastians Ansprache war von allen gehört worden, und auch die
Autwort des Dichters: Gewiß ist es, wie mein königlicher Herr sagt, aber es
frommt dem Dichter so wenig wie den Menschen überhaupt, die Ratschlüsse
Gottes umzudeuten! klang vernehmlich genug, obwohl sie mit zitternder «stimme
gegeben ward. In dem Augenblicke, wo der König zu ihm sprach, hatte sich
Camoens erinnert, wils am Abend zuvor Bartolomeo Okaz, sein und Barretvs
Wirt, über die Bewunderung des Königs für die Tochter des Grafen Palmeirim
gesprochen hatte; er hatte die dunkle Glut wohl bemerkt, welche durch die Worte
des Königs und die Blicke vieler Umstehenden auf dem Gesichte der jungen Gräfin
hervorgerufen wurde. Seine Antwort verriet nichts von dem Weh, das sich
mit einemmale in das Glücksgefühl dieser Stunde mischte, eher hätte seine Haltung
auffallen können. Catarina Palmeirim hatte sich dem Dichter einen Schritt
genähert, sie durfte erwarten, daß er zu ihr treten und auch ihren Dank ent¬
gegennehmen würde. Aber Camoens blieb an die Stelle gebannt, an der er
von Dom Sebastian angeredet worden war, obschon sich der König inzwischen
hinweggewandt und ein Gespräch mit dem Grafen Bimiosv und dem Prior von
Belem begonnen hatte.
Da entschloß sich das schöne Mädchen, welches den Schatten ans feinern
Gesichte wohl wahrnahm, sich ganz zu ihm zu wenden und ihm mehr als ein
zeremonielles Wort zu gönnen: Ich spreche für alle meine Schwestern, wenn
ich Euch danke, daß Ihr das Gedächtnis der edelsten und unglücklichsten Frau
unsers Landes in Euerm Gedichte rein und verklärt fortleben laßt. Ich höre
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