Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Camoens. Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner Camoens. Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197763"/> <fw type="header" place="top"> Camoens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_987" prev="#ID_986"> Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der<lb/> Lusiaden ans, die der Freund in seiner Erregung achtlos dorthin geworfen hatte.<lb/> Der Dichter errötete ein wenig und nahm sein Gedicht ans Manuels Hand<lb/> wieder entgegen, Gras Vimioso trat mit einer Verbeugung heran und sagte:<lb/> Senhor Luis Camoens, der König, unser Herr, will Euch die Ehre erweisen,<lb/> einen Teil Euers Werkes anzuhören. Man wird Euch einen Sitz dem des<lb/> .Königs gegenüber bereitstellen, Ihr werdet Euch niederlasse», sobald Euch der<lb/> König das Zeichen dazu giebt. Wenn Ihr den Gesang, oder wie Ihr es sonst<lb/> nennt, beendet habt, so erhebt Ihr Euch, neigt Euch vor dem König und er¬<lb/> wartet, ob es Seiner Majestät gefallen wird, weiteres von Euch zu vernehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_988"> Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in<lb/> die Wirklichkeit znriick. Er erwiederte würdevoll: Ich danke Euch, Herr Graf!<lb/> Doch weiß ich, was ich der Ehrfurcht vor dem König und was ich mir selbst<lb/> schuldig bin! und wandte sich dann zu Barreto: Ihr werdet mir nahe bleiben,<lb/> Senhor Manuel? Ich lese dem König zuerst die Abenteuer der Lusitanenflvttc<lb/> in Mozambique, die Ihr in andrer Fassung von nur schon zu Goa ver¬<lb/> nommen habt.</p><lb/> <p xml:id="ID_989"> Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein<lb/> Grafen Vimioso folgend, mit Camoens zugleich in den glänzenden Kreis zurück,<lb/> den sie vor kurzem verlassen hatten. Dom Sebastian saß jetzt unter dem<lb/> Baldachin, ihn, zur Rechten hatte sich eine Gruppe von Damen niedergelassen,<lb/> unter denen Camoens sofort Catarina Palmeirim herausfand. Zur Linken des<lb/> Königs schlössen sich dichtgedrängt die anwesenden Edelleute zusammen — aller<lb/> Blicke ruhten wieder auf Camoens, als dieser neben einen dem Sitze des Königs<lb/> gegenübergestellten Sessel trat und der Anrede des jungen Herrschers wartete.<lb/> Der König ward durch die plötzlich eintretende Stille aufmerksam gemacht, er<lb/> brach fein Gespräch mit dein Prior von Belem ab und wandte sich zu dem<lb/> harrenden Dichter: Laß dich nieder, Camoens, und erfreue uns und alle die<lb/> Unsrigen, die von deu ruhmreichen Thaten ihrer Ahnen zu hören verlangen,<lb/> mit einem Teile deines großen Werkes, von dem ich hoffe, daß seine Vollendung<lb/> einst unsrer Regierung zum ewigen Ruhme gereichen soll!</p><lb/> <p xml:id="ID_990"> Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio<lb/> Pachecv, welcher dein König eine so hohe Meinung von dein Werte seines Gedichtes<lb/> eingeflößt hatte. Stolze Genugthuung über die Ehren dieser Stunde erfüllte<lb/> sei» Herz, er gehorchte ruhig der Weisung des Königs, schlug seine Handschrift<lb/> auseinander und sagte: Erhabner Herr, möge mein Werk reich erfüllen, was<lb/> Eure Gnade sich von demselben verheißt! Ich beginne ohne Zagen, es sind<lb/> die edelsten Töchter und Söhne Portugals, zu denen meine Muse spricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_991" next="#ID_992"> Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner<lb/> Handschrift der schönen Catarina Palmeirim galt, die in der ersten Reihe der<lb/> Damen saß und erwartungsvoll ihr Haupt dem Dichter zuwandte. Einen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
Camoens.
Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der
Lusiaden ans, die der Freund in seiner Erregung achtlos dorthin geworfen hatte.
Der Dichter errötete ein wenig und nahm sein Gedicht ans Manuels Hand
wieder entgegen, Gras Vimioso trat mit einer Verbeugung heran und sagte:
Senhor Luis Camoens, der König, unser Herr, will Euch die Ehre erweisen,
einen Teil Euers Werkes anzuhören. Man wird Euch einen Sitz dem des
.Königs gegenüber bereitstellen, Ihr werdet Euch niederlasse», sobald Euch der
König das Zeichen dazu giebt. Wenn Ihr den Gesang, oder wie Ihr es sonst
nennt, beendet habt, so erhebt Ihr Euch, neigt Euch vor dem König und er¬
wartet, ob es Seiner Majestät gefallen wird, weiteres von Euch zu vernehmen.
Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in
die Wirklichkeit znriick. Er erwiederte würdevoll: Ich danke Euch, Herr Graf!
Doch weiß ich, was ich der Ehrfurcht vor dem König und was ich mir selbst
schuldig bin! und wandte sich dann zu Barreto: Ihr werdet mir nahe bleiben,
Senhor Manuel? Ich lese dem König zuerst die Abenteuer der Lusitanenflvttc
in Mozambique, die Ihr in andrer Fassung von nur schon zu Goa ver¬
nommen habt.
Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein
Grafen Vimioso folgend, mit Camoens zugleich in den glänzenden Kreis zurück,
den sie vor kurzem verlassen hatten. Dom Sebastian saß jetzt unter dem
Baldachin, ihn, zur Rechten hatte sich eine Gruppe von Damen niedergelassen,
unter denen Camoens sofort Catarina Palmeirim herausfand. Zur Linken des
Königs schlössen sich dichtgedrängt die anwesenden Edelleute zusammen — aller
Blicke ruhten wieder auf Camoens, als dieser neben einen dem Sitze des Königs
gegenübergestellten Sessel trat und der Anrede des jungen Herrschers wartete.
Der König ward durch die plötzlich eintretende Stille aufmerksam gemacht, er
brach fein Gespräch mit dein Prior von Belem ab und wandte sich zu dem
harrenden Dichter: Laß dich nieder, Camoens, und erfreue uns und alle die
Unsrigen, die von deu ruhmreichen Thaten ihrer Ahnen zu hören verlangen,
mit einem Teile deines großen Werkes, von dem ich hoffe, daß seine Vollendung
einst unsrer Regierung zum ewigen Ruhme gereichen soll!
Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio
Pachecv, welcher dein König eine so hohe Meinung von dein Werte seines Gedichtes
eingeflößt hatte. Stolze Genugthuung über die Ehren dieser Stunde erfüllte
sei» Herz, er gehorchte ruhig der Weisung des Königs, schlug seine Handschrift
auseinander und sagte: Erhabner Herr, möge mein Werk reich erfüllen, was
Eure Gnade sich von demselben verheißt! Ich beginne ohne Zagen, es sind
die edelsten Töchter und Söhne Portugals, zu denen meine Muse spricht.
Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner
Handschrift der schönen Catarina Palmeirim galt, die in der ersten Reihe der
Damen saß und erwartungsvoll ihr Haupt dem Dichter zuwandte. Einen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |