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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.

Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der
Lusiaden ans, die der Freund in seiner Erregung achtlos dorthin geworfen hatte.
Der Dichter errötete ein wenig und nahm sein Gedicht ans Manuels Hand
wieder entgegen, Gras Vimioso trat mit einer Verbeugung heran und sagte:
Senhor Luis Camoens, der König, unser Herr, will Euch die Ehre erweisen,
einen Teil Euers Werkes anzuhören. Man wird Euch einen Sitz dem des
.Königs gegenüber bereitstellen, Ihr werdet Euch niederlasse", sobald Euch der
König das Zeichen dazu giebt. Wenn Ihr den Gesang, oder wie Ihr es sonst
nennt, beendet habt, so erhebt Ihr Euch, neigt Euch vor dem König und er¬
wartet, ob es Seiner Majestät gefallen wird, weiteres von Euch zu vernehmen.

Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in
die Wirklichkeit znriick. Er erwiederte würdevoll: Ich danke Euch, Herr Graf!
Doch weiß ich, was ich der Ehrfurcht vor dem König und was ich mir selbst
schuldig bin! und wandte sich dann zu Barreto: Ihr werdet mir nahe bleiben,
Senhor Manuel? Ich lese dem König zuerst die Abenteuer der Lusitanenflvttc
in Mozambique, die Ihr in andrer Fassung von nur schon zu Goa ver¬
nommen habt.

Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein
Grafen Vimioso folgend, mit Camoens zugleich in den glänzenden Kreis zurück,
den sie vor kurzem verlassen hatten. Dom Sebastian saß jetzt unter dem
Baldachin, ihn, zur Rechten hatte sich eine Gruppe von Damen niedergelassen,
unter denen Camoens sofort Catarina Palmeirim herausfand. Zur Linken des
Königs schlössen sich dichtgedrängt die anwesenden Edelleute zusammen -- aller
Blicke ruhten wieder auf Camoens, als dieser neben einen dem Sitze des Königs
gegenübergestellten Sessel trat und der Anrede des jungen Herrschers wartete.
Der König ward durch die plötzlich eintretende Stille aufmerksam gemacht, er
brach fein Gespräch mit dein Prior von Belem ab und wandte sich zu dem
harrenden Dichter: Laß dich nieder, Camoens, und erfreue uns und alle die
Unsrigen, die von deu ruhmreichen Thaten ihrer Ahnen zu hören verlangen,
mit einem Teile deines großen Werkes, von dem ich hoffe, daß seine Vollendung
einst unsrer Regierung zum ewigen Ruhme gereichen soll!

Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio
Pachecv, welcher dein König eine so hohe Meinung von dein Werte seines Gedichtes
eingeflößt hatte. Stolze Genugthuung über die Ehren dieser Stunde erfüllte
sei" Herz, er gehorchte ruhig der Weisung des Königs, schlug seine Handschrift
auseinander und sagte: Erhabner Herr, möge mein Werk reich erfüllen, was
Eure Gnade sich von demselben verheißt! Ich beginne ohne Zagen, es sind
die edelsten Töchter und Söhne Portugals, zu denen meine Muse spricht.

Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner
Handschrift der schönen Catarina Palmeirim galt, die in der ersten Reihe der
Damen saß und erwartungsvoll ihr Haupt dem Dichter zuwandte. Einen


Camoens.

Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der
Lusiaden ans, die der Freund in seiner Erregung achtlos dorthin geworfen hatte.
Der Dichter errötete ein wenig und nahm sein Gedicht ans Manuels Hand
wieder entgegen, Gras Vimioso trat mit einer Verbeugung heran und sagte:
Senhor Luis Camoens, der König, unser Herr, will Euch die Ehre erweisen,
einen Teil Euers Werkes anzuhören. Man wird Euch einen Sitz dem des
.Königs gegenüber bereitstellen, Ihr werdet Euch niederlasse», sobald Euch der
König das Zeichen dazu giebt. Wenn Ihr den Gesang, oder wie Ihr es sonst
nennt, beendet habt, so erhebt Ihr Euch, neigt Euch vor dem König und er¬
wartet, ob es Seiner Majestät gefallen wird, weiteres von Euch zu vernehmen.

Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in
die Wirklichkeit znriick. Er erwiederte würdevoll: Ich danke Euch, Herr Graf!
Doch weiß ich, was ich der Ehrfurcht vor dem König und was ich mir selbst
schuldig bin! und wandte sich dann zu Barreto: Ihr werdet mir nahe bleiben,
Senhor Manuel? Ich lese dem König zuerst die Abenteuer der Lusitanenflvttc
in Mozambique, die Ihr in andrer Fassung von nur schon zu Goa ver¬
nommen habt.

Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein
Grafen Vimioso folgend, mit Camoens zugleich in den glänzenden Kreis zurück,
den sie vor kurzem verlassen hatten. Dom Sebastian saß jetzt unter dem
Baldachin, ihn, zur Rechten hatte sich eine Gruppe von Damen niedergelassen,
unter denen Camoens sofort Catarina Palmeirim herausfand. Zur Linken des
Königs schlössen sich dichtgedrängt die anwesenden Edelleute zusammen — aller
Blicke ruhten wieder auf Camoens, als dieser neben einen dem Sitze des Königs
gegenübergestellten Sessel trat und der Anrede des jungen Herrschers wartete.
Der König ward durch die plötzlich eintretende Stille aufmerksam gemacht, er
brach fein Gespräch mit dein Prior von Belem ab und wandte sich zu dem
harrenden Dichter: Laß dich nieder, Camoens, und erfreue uns und alle die
Unsrigen, die von deu ruhmreichen Thaten ihrer Ahnen zu hören verlangen,
mit einem Teile deines großen Werkes, von dem ich hoffe, daß seine Vollendung
einst unsrer Regierung zum ewigen Ruhme gereichen soll!

Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio
Pachecv, welcher dein König eine so hohe Meinung von dein Werte seines Gedichtes
eingeflößt hatte. Stolze Genugthuung über die Ehren dieser Stunde erfüllte
sei» Herz, er gehorchte ruhig der Weisung des Königs, schlug seine Handschrift
auseinander und sagte: Erhabner Herr, möge mein Werk reich erfüllen, was
Eure Gnade sich von demselben verheißt! Ich beginne ohne Zagen, es sind
die edelsten Töchter und Söhne Portugals, zu denen meine Muse spricht.

Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner
Handschrift der schönen Catarina Palmeirim galt, die in der ersten Reihe der
Damen saß und erwartungsvoll ihr Haupt dem Dichter zuwandte. Einen


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[0339] Camoens. Barreto richtig, er nahm von einem nebenstehenden Sessel die Handschrift der Lusiaden ans, die der Freund in seiner Erregung achtlos dorthin geworfen hatte. Der Dichter errötete ein wenig und nahm sein Gedicht ans Manuels Hand wieder entgegen, Gras Vimioso trat mit einer Verbeugung heran und sagte: Senhor Luis Camoens, der König, unser Herr, will Euch die Ehre erweisen, einen Teil Euers Werkes anzuhören. Man wird Euch einen Sitz dem des .Königs gegenüber bereitstellen, Ihr werdet Euch niederlasse», sobald Euch der König das Zeichen dazu giebt. Wenn Ihr den Gesang, oder wie Ihr es sonst nennt, beendet habt, so erhebt Ihr Euch, neigt Euch vor dem König und er¬ wartet, ob es Seiner Majestät gefallen wird, weiteres von Euch zu vernehmen. Der kühl höfliche, geschäftsmäßige Ton Vimiosos rief Camoens ganz in die Wirklichkeit znriick. Er erwiederte würdevoll: Ich danke Euch, Herr Graf! Doch weiß ich, was ich der Ehrfurcht vor dem König und was ich mir selbst schuldig bin! und wandte sich dann zu Barreto: Ihr werdet mir nahe bleiben, Senhor Manuel? Ich lese dem König zuerst die Abenteuer der Lusitanenflvttc in Mozambique, die Ihr in andrer Fassung von nur schon zu Goa ver¬ nommen habt. Ich werde sie mit Freuden wieder hören, versetzte Barreto und kehrte, dein Grafen Vimioso folgend, mit Camoens zugleich in den glänzenden Kreis zurück, den sie vor kurzem verlassen hatten. Dom Sebastian saß jetzt unter dem Baldachin, ihn, zur Rechten hatte sich eine Gruppe von Damen niedergelassen, unter denen Camoens sofort Catarina Palmeirim herausfand. Zur Linken des Königs schlössen sich dichtgedrängt die anwesenden Edelleute zusammen — aller Blicke ruhten wieder auf Camoens, als dieser neben einen dem Sitze des Königs gegenübergestellten Sessel trat und der Anrede des jungen Herrschers wartete. Der König ward durch die plötzlich eintretende Stille aufmerksam gemacht, er brach fein Gespräch mit dein Prior von Belem ab und wandte sich zu dem harrenden Dichter: Laß dich nieder, Camoens, und erfreue uns und alle die Unsrigen, die von deu ruhmreichen Thaten ihrer Ahnen zu hören verlangen, mit einem Teile deines großen Werkes, von dem ich hoffe, daß seine Vollendung einst unsrer Regierung zum ewigen Ruhme gereichen soll! Camoens segnete in diesem Augenblick in Gedanken den greisen Antonio Pachecv, welcher dein König eine so hohe Meinung von dein Werte seines Gedichtes eingeflößt hatte. Stolze Genugthuung über die Ehren dieser Stunde erfüllte sei» Herz, er gehorchte ruhig der Weisung des Königs, schlug seine Handschrift auseinander und sagte: Erhabner Herr, möge mein Werk reich erfüllen, was Eure Gnade sich von demselben verheißt! Ich beginne ohne Zagen, es sind die edelsten Töchter und Söhne Portugals, zu denen meine Muse spricht. Barreto hatte wahrgenommen, daß Camoens' letzter Ausblick von seiner Handschrift der schönen Catarina Palmeirim galt, die in der ersten Reihe der Damen saß und erwartungsvoll ihr Haupt dem Dichter zuwandte. Einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/339>, abgerufen am 05.02.2025.