Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die Krisis am Balkan und in England. ist, dem etwaigen bösen Willen des neuen Kabinets Gladstone Trotz zu bieten, Nur eins könnte eine zeitweilige Verbindung zu gemeinsamer amtlicher Die Krisis am Balkan und in England. ist, dem etwaigen bösen Willen des neuen Kabinets Gladstone Trotz zu bieten, Nur eins könnte eine zeitweilige Verbindung zu gemeinsamer amtlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197760"/> <fw type="header" place="top"> Die Krisis am Balkan und in England.</fw><lb/> <p xml:id="ID_980" prev="#ID_979"> ist, dem etwaigen bösen Willen des neuen Kabinets Gladstone Trotz zu bieten,<lb/> »ut wir haben guten Grund, dies, soweit es die drei Kaiscrmcichte angeht,<lb/> zu bejahen. Gladstone wird vielleicht versuchen, einen Keil in deren Eintracht<lb/> zu treiben, es wird ihm aber nicht gelingen, da keine dieser Mächte Ver¬<lb/> trauen zu ihm haben könnte, selbst wenn er bei der Eigentümlichkeit des parla¬<lb/> mentarischen Systems in England fester im Dattel süße, als er sitzen wird.<lb/> Das; Rvscbevry sich dem Ministerium, angeschlossen hat, gilt als gutes Zeichen<lb/> für die auswärtige Politik. Chamberlain bedeutet die Lösung der agrarischen<lb/> Frage durch das Wort: „Drei Acker und eine Kuh für den englischen Tage¬<lb/> löhner." An einen Eintritt Pcirnells in das neue Ministerium war nicht wohl<lb/> zu denken. Man Hütte ihm zwar seine Vergangenheit vergeben können, wenn<lb/> er, mit Möglichen zufrieden, auf eine Verständigung eingegangen wäre. Aber<lb/> darauf wird er sich niemals einlassen, und ein Ministerium,, welches seine For¬<lb/> derungen zu bewilligen auch nur Miene machte, trüge seinen Sturz in der<lb/> Tasche. Nur sehr wenige englische Liberale sind für volle Befriedigung der<lb/> irischen Wünsche, und selbst Leute wie Chamberlain Verhalten sich zweideutig<lb/> zu ihnen und lassen bei jeder ihnen zustimmenden Äußerung Hinterthüren offen.<lb/> Auch sie wollen keine Zerstückelung des britischen Reiches, sie wollen sie nicht<lb/> einmal durch weitgehende Zugeständnisse angebahnt und zur Wahrscheinlichkeit<lb/> erhoben sehen. Aber auch die Jrlündcr wollen von einem Bündnisse Parnells<lb/> mit Gladstone nichts hören, sie schöpfen schon Verdacht, wenn einer ihrer Führer<lb/> von der englischen Presse gelobt wird, und Parnell als Neichsminister neben<lb/> Gladstone würde augenblicklich allen Einfluß auf sie verlieren. So schrieb schon<lb/> vor drei Jahren John Mortes, el» genauer Kenner der irischen Verhältnisse.<lb/> Seitdem aber hat Parnell seine Macht mehr als verdoppelt. Statt von eng¬<lb/> lischen Ministerien abzuhängen, macht und stürzt er sie, und er wird sich hüten,<lb/> für das zweifelhafte Vergnügen, Mitglied des Kabinets in London zu sein,<lb/> seinen Einfluß bei seinen Landsleuten aufs Spiel zu setzen. Auch würde seine<lb/> Weigerung, ein Amtsgenvsse Glndstvnes zu werden, von seinem Standpunkte<lb/> ans betrachtet nicht unlogisch sein. Er könnte sagen: Was ich verlange, ist das<lb/> Recht des irischen Volkes, seine Regierer selbst zu wählen, und wenn jemand<lb/> von Engländern dazu ernannt wird, so ist das ein Widerspruch gegen meine<lb/> Forderung. Selbst wenn der Ernannte in Irland populär wäre, würde der<lb/> Ursprung seiner Macht seine Stellung verderben. Endlich giebt es in Irland<lb/> geheime Gesellschaften und Agenten, die England und die Engländer glühend<lb/> und unversöhnlich hassen, und würde Parnell durch Ernennung vonseiten des<lb/> Vizeköuigs der Königin Viktoria Herrscher über Irland, lo liefe er sicher kaum<lb/> weniger Gefahr, vom Dolche der Meuchelmörder getroffen zu werden, als Lord<lb/> Cavendish und Bvurte, die vor zwei Jahren unter ihm fielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Nur eins könnte eine zeitweilige Verbindung zu gemeinsamer amtlicher<lb/> Wirksamkeit Parnells mit dem Kabinet Gladstone herbeiführe,,: die Lciudfrage,<lb/> deren Lösung jetzt die wirklich dringende Aufgabe auf irischen Boden ist. Das<lb/> Streben »ach einem besondern irischen Parlamente kann warten, die agrarische<lb/> Frage dagegen eilt. Die Parnelliten wissen, daß es sich bei dieser für einen<lb/> großen Teil der Landbevölkerung um Leben und Sterben handelt. Es stehen<lb/> Tausende von Austreibungen bevor, die meisten, weil die betreffenden Pächter<lb/> mit ihrem Pachtgelde im Rückstände sind. In einigen Fälle» wollen und können<lb/> dieselben nicht ohne sehr große Abstriche zahlen, in andern sind sie völlig ohne<lb/> Mittel und ganz unfähig, die Ansprüche der Gutsherren zu befriedigen, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
Die Krisis am Balkan und in England.
ist, dem etwaigen bösen Willen des neuen Kabinets Gladstone Trotz zu bieten,
»ut wir haben guten Grund, dies, soweit es die drei Kaiscrmcichte angeht,
zu bejahen. Gladstone wird vielleicht versuchen, einen Keil in deren Eintracht
zu treiben, es wird ihm aber nicht gelingen, da keine dieser Mächte Ver¬
trauen zu ihm haben könnte, selbst wenn er bei der Eigentümlichkeit des parla¬
mentarischen Systems in England fester im Dattel süße, als er sitzen wird.
Das; Rvscbevry sich dem Ministerium, angeschlossen hat, gilt als gutes Zeichen
für die auswärtige Politik. Chamberlain bedeutet die Lösung der agrarischen
Frage durch das Wort: „Drei Acker und eine Kuh für den englischen Tage¬
löhner." An einen Eintritt Pcirnells in das neue Ministerium war nicht wohl
zu denken. Man Hütte ihm zwar seine Vergangenheit vergeben können, wenn
er, mit Möglichen zufrieden, auf eine Verständigung eingegangen wäre. Aber
darauf wird er sich niemals einlassen, und ein Ministerium,, welches seine For¬
derungen zu bewilligen auch nur Miene machte, trüge seinen Sturz in der
Tasche. Nur sehr wenige englische Liberale sind für volle Befriedigung der
irischen Wünsche, und selbst Leute wie Chamberlain Verhalten sich zweideutig
zu ihnen und lassen bei jeder ihnen zustimmenden Äußerung Hinterthüren offen.
Auch sie wollen keine Zerstückelung des britischen Reiches, sie wollen sie nicht
einmal durch weitgehende Zugeständnisse angebahnt und zur Wahrscheinlichkeit
erhoben sehen. Aber auch die Jrlündcr wollen von einem Bündnisse Parnells
mit Gladstone nichts hören, sie schöpfen schon Verdacht, wenn einer ihrer Führer
von der englischen Presse gelobt wird, und Parnell als Neichsminister neben
Gladstone würde augenblicklich allen Einfluß auf sie verlieren. So schrieb schon
vor drei Jahren John Mortes, el» genauer Kenner der irischen Verhältnisse.
Seitdem aber hat Parnell seine Macht mehr als verdoppelt. Statt von eng¬
lischen Ministerien abzuhängen, macht und stürzt er sie, und er wird sich hüten,
für das zweifelhafte Vergnügen, Mitglied des Kabinets in London zu sein,
seinen Einfluß bei seinen Landsleuten aufs Spiel zu setzen. Auch würde seine
Weigerung, ein Amtsgenvsse Glndstvnes zu werden, von seinem Standpunkte
ans betrachtet nicht unlogisch sein. Er könnte sagen: Was ich verlange, ist das
Recht des irischen Volkes, seine Regierer selbst zu wählen, und wenn jemand
von Engländern dazu ernannt wird, so ist das ein Widerspruch gegen meine
Forderung. Selbst wenn der Ernannte in Irland populär wäre, würde der
Ursprung seiner Macht seine Stellung verderben. Endlich giebt es in Irland
geheime Gesellschaften und Agenten, die England und die Engländer glühend
und unversöhnlich hassen, und würde Parnell durch Ernennung vonseiten des
Vizeköuigs der Königin Viktoria Herrscher über Irland, lo liefe er sicher kaum
weniger Gefahr, vom Dolche der Meuchelmörder getroffen zu werden, als Lord
Cavendish und Bvurte, die vor zwei Jahren unter ihm fielen.
Nur eins könnte eine zeitweilige Verbindung zu gemeinsamer amtlicher
Wirksamkeit Parnells mit dem Kabinet Gladstone herbeiführe,,: die Lciudfrage,
deren Lösung jetzt die wirklich dringende Aufgabe auf irischen Boden ist. Das
Streben »ach einem besondern irischen Parlamente kann warten, die agrarische
Frage dagegen eilt. Die Parnelliten wissen, daß es sich bei dieser für einen
großen Teil der Landbevölkerung um Leben und Sterben handelt. Es stehen
Tausende von Austreibungen bevor, die meisten, weil die betreffenden Pächter
mit ihrem Pachtgelde im Rückstände sind. In einigen Fälle» wollen und können
dieselben nicht ohne sehr große Abstriche zahlen, in andern sind sie völlig ohne
Mittel und ganz unfähig, die Ansprüche der Gutsherren zu befriedigen, und
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