Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Skizzen aus der Levante und Griechenland.

Als ich vor sechsundzwanzig Jahren das erste mal nach Griechenland kam,
besuchten wir auch Pyrgos -- so hieß der eine Meierhof -- und waren gerade im
Begriff, die Kuhstalle zu besichtigen, als wir von der Königin überrascht wurden.
Der bairische Konsul stellte uns ohne weitere Zeremonie vor. Ihre Majestät
war äußerst liebenswürdig, erkundigte sich über dies und jenes, führte uns
selbst herum und empfahl uns, ihr ganzes Territorium recht geuau in Augen¬
schein zu nehmen. Das Gefolge bestand aus wenigen Personen, darunter
einer Hofdame, Fräulein Mianlis, von blendender Schönheit, wie ich in Griechen¬
land kaum eine zweite gesehen. Ich musz gestehen, daß unser ganzer landwirt¬
schaftlicher Eifer davon unterbrochen wurde und wir der königlichen Einladung
nur mit großer Zerstreuung folgten. Ich streife diese alte Erinnerung, weil
sie mir Gelegenheit giebt, die heutige Dynastie und Hofhaltung mit ihrer Vor¬
gängerin zu vergleichen, und ich nnr eine Stimme des Bedauerns darüber höre.
Die Unfruchtbarkeit der Königin Amalie war ein fataler Umstand, zumal da Prinz
Adalbert, der Bruder des Königs, als nächster Agnat zur Erbfolge bestimmt,
für einen eifrigen Katholiken galt. So vereinigte sich manches, um den
Handstreich zu einer Art von Staatsaktion zu erheben. Die besten Wurzeln
des neuen Königshauses sind die vier oder fünf Prinzen, welche die russische
Großfürstin ihrem Gemahl geboren hat, ohne diese möchte es mit der Zukunft
unsicher stehen, denn das Herrscherpaar, zumal der König, hat zwar keinerlei
Unrecht begangen, aber ebensowenig etwas gethan, um sich die Sympathien
des Landes zu erwerben und die Krone einigermaßen mit Würde und Glanz
zu tragen. Man ist über alle Maßen sparsam und läßt es dabei oft an dein
äußern Auslande fehlen. Nirgends mehr als im Orient wird aber auf Reprä¬
sentation und eine gewisse verschwenderische Pracht, besonders bei festlichen An¬
lässen, Wert gelegt und darnach oft die Person beurteilt und geschätzt. Da
giebt es denn viele Sticheleien, und man erinnert sich wieder, wie flott es unter
Otto und Amalie zugegangen, die beide ihr Privatvermögen zugesetzt haben.

Die Griechen hatten sich bei dem letzten russisch-türkischen Kriege gewaltig
verrechnet. Sie dachten als schlaue Handelsleute, es würde ihnen gelingen wie
Italien, das trotz Niederlagen dnrch die Siege seiner Alliirten die schönsten
Provinzen erhielt und seine Unabhängigkeit und Einheit fertig brachte. Aber
Viktor Emanuel hat sich doch tapfer und mutig geschlagen und seine Armee
furchtlos, wenn schon unglücklich, aus die Schlachtfelder geführt. König Georg
dagegen blieb vorsichtig daheim, und als mau endlich mvbilisirte und eine mili¬
tärische Promenade an die Grenze unternahm, war es zu spät. Für diese
negative Leistung hat Griechenland mit Thessalien und Epirus noch mehr be¬
kommen, als es verdiente, und es gehört ein hoher Grad von Selbstverblendung
dazu, wenn man jetzt dem deutschen Reichskanzler schmollt, daß er den Griechen
auf dem Berliner Kongreß nicht anch Mazedonien zugeteilt hat. Wir Deutschen
siud deshalb dermalen nicht absonderlich beliebt, und besonders bei Hofe verbirgt


Skizzen aus der Levante und Griechenland.

Als ich vor sechsundzwanzig Jahren das erste mal nach Griechenland kam,
besuchten wir auch Pyrgos — so hieß der eine Meierhof — und waren gerade im
Begriff, die Kuhstalle zu besichtigen, als wir von der Königin überrascht wurden.
Der bairische Konsul stellte uns ohne weitere Zeremonie vor. Ihre Majestät
war äußerst liebenswürdig, erkundigte sich über dies und jenes, führte uns
selbst herum und empfahl uns, ihr ganzes Territorium recht geuau in Augen¬
schein zu nehmen. Das Gefolge bestand aus wenigen Personen, darunter
einer Hofdame, Fräulein Mianlis, von blendender Schönheit, wie ich in Griechen¬
land kaum eine zweite gesehen. Ich musz gestehen, daß unser ganzer landwirt¬
schaftlicher Eifer davon unterbrochen wurde und wir der königlichen Einladung
nur mit großer Zerstreuung folgten. Ich streife diese alte Erinnerung, weil
sie mir Gelegenheit giebt, die heutige Dynastie und Hofhaltung mit ihrer Vor¬
gängerin zu vergleichen, und ich nnr eine Stimme des Bedauerns darüber höre.
Die Unfruchtbarkeit der Königin Amalie war ein fataler Umstand, zumal da Prinz
Adalbert, der Bruder des Königs, als nächster Agnat zur Erbfolge bestimmt,
für einen eifrigen Katholiken galt. So vereinigte sich manches, um den
Handstreich zu einer Art von Staatsaktion zu erheben. Die besten Wurzeln
des neuen Königshauses sind die vier oder fünf Prinzen, welche die russische
Großfürstin ihrem Gemahl geboren hat, ohne diese möchte es mit der Zukunft
unsicher stehen, denn das Herrscherpaar, zumal der König, hat zwar keinerlei
Unrecht begangen, aber ebensowenig etwas gethan, um sich die Sympathien
des Landes zu erwerben und die Krone einigermaßen mit Würde und Glanz
zu tragen. Man ist über alle Maßen sparsam und läßt es dabei oft an dein
äußern Auslande fehlen. Nirgends mehr als im Orient wird aber auf Reprä¬
sentation und eine gewisse verschwenderische Pracht, besonders bei festlichen An¬
lässen, Wert gelegt und darnach oft die Person beurteilt und geschätzt. Da
giebt es denn viele Sticheleien, und man erinnert sich wieder, wie flott es unter
Otto und Amalie zugegangen, die beide ihr Privatvermögen zugesetzt haben.

Die Griechen hatten sich bei dem letzten russisch-türkischen Kriege gewaltig
verrechnet. Sie dachten als schlaue Handelsleute, es würde ihnen gelingen wie
Italien, das trotz Niederlagen dnrch die Siege seiner Alliirten die schönsten
Provinzen erhielt und seine Unabhängigkeit und Einheit fertig brachte. Aber
Viktor Emanuel hat sich doch tapfer und mutig geschlagen und seine Armee
furchtlos, wenn schon unglücklich, aus die Schlachtfelder geführt. König Georg
dagegen blieb vorsichtig daheim, und als mau endlich mvbilisirte und eine mili¬
tärische Promenade an die Grenze unternahm, war es zu spät. Für diese
negative Leistung hat Griechenland mit Thessalien und Epirus noch mehr be¬
kommen, als es verdiente, und es gehört ein hoher Grad von Selbstverblendung
dazu, wenn man jetzt dem deutschen Reichskanzler schmollt, daß er den Griechen
auf dem Berliner Kongreß nicht anch Mazedonien zugeteilt hat. Wir Deutschen
siud deshalb dermalen nicht absonderlich beliebt, und besonders bei Hofe verbirgt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197744"/>
          <fw type="header" place="top"> Skizzen aus der Levante und Griechenland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_942"> Als ich vor sechsundzwanzig Jahren das erste mal nach Griechenland kam,<lb/>
besuchten wir auch Pyrgos &#x2014; so hieß der eine Meierhof &#x2014; und waren gerade im<lb/>
Begriff, die Kuhstalle zu besichtigen, als wir von der Königin überrascht wurden.<lb/>
Der bairische Konsul stellte uns ohne weitere Zeremonie vor. Ihre Majestät<lb/>
war äußerst liebenswürdig, erkundigte sich über dies und jenes, führte uns<lb/>
selbst herum und empfahl uns, ihr ganzes Territorium recht geuau in Augen¬<lb/>
schein zu nehmen. Das Gefolge bestand aus wenigen Personen, darunter<lb/>
einer Hofdame, Fräulein Mianlis, von blendender Schönheit, wie ich in Griechen¬<lb/>
land kaum eine zweite gesehen. Ich musz gestehen, daß unser ganzer landwirt¬<lb/>
schaftlicher Eifer davon unterbrochen wurde und wir der königlichen Einladung<lb/>
nur mit großer Zerstreuung folgten. Ich streife diese alte Erinnerung, weil<lb/>
sie mir Gelegenheit giebt, die heutige Dynastie und Hofhaltung mit ihrer Vor¬<lb/>
gängerin zu vergleichen, und ich nnr eine Stimme des Bedauerns darüber höre.<lb/>
Die Unfruchtbarkeit der Königin Amalie war ein fataler Umstand, zumal da Prinz<lb/>
Adalbert, der Bruder des Königs, als nächster Agnat zur Erbfolge bestimmt,<lb/>
für einen eifrigen Katholiken galt. So vereinigte sich manches, um den<lb/>
Handstreich zu einer Art von Staatsaktion zu erheben. Die besten Wurzeln<lb/>
des neuen Königshauses sind die vier oder fünf Prinzen, welche die russische<lb/>
Großfürstin ihrem Gemahl geboren hat, ohne diese möchte es mit der Zukunft<lb/>
unsicher stehen, denn das Herrscherpaar, zumal der König, hat zwar keinerlei<lb/>
Unrecht begangen, aber ebensowenig etwas gethan, um sich die Sympathien<lb/>
des Landes zu erwerben und die Krone einigermaßen mit Würde und Glanz<lb/>
zu tragen. Man ist über alle Maßen sparsam und läßt es dabei oft an dein<lb/>
äußern Auslande fehlen. Nirgends mehr als im Orient wird aber auf Reprä¬<lb/>
sentation und eine gewisse verschwenderische Pracht, besonders bei festlichen An¬<lb/>
lässen, Wert gelegt und darnach oft die Person beurteilt und geschätzt. Da<lb/>
giebt es denn viele Sticheleien, und man erinnert sich wieder, wie flott es unter<lb/>
Otto und Amalie zugegangen, die beide ihr Privatvermögen zugesetzt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_943" next="#ID_944"> Die Griechen hatten sich bei dem letzten russisch-türkischen Kriege gewaltig<lb/>
verrechnet. Sie dachten als schlaue Handelsleute, es würde ihnen gelingen wie<lb/>
Italien, das trotz Niederlagen dnrch die Siege seiner Alliirten die schönsten<lb/>
Provinzen erhielt und seine Unabhängigkeit und Einheit fertig brachte. Aber<lb/>
Viktor Emanuel hat sich doch tapfer und mutig geschlagen und seine Armee<lb/>
furchtlos, wenn schon unglücklich, aus die Schlachtfelder geführt. König Georg<lb/>
dagegen blieb vorsichtig daheim, und als mau endlich mvbilisirte und eine mili¬<lb/>
tärische Promenade an die Grenze unternahm, war es zu spät. Für diese<lb/>
negative Leistung hat Griechenland mit Thessalien und Epirus noch mehr be¬<lb/>
kommen, als es verdiente, und es gehört ein hoher Grad von Selbstverblendung<lb/>
dazu, wenn man jetzt dem deutschen Reichskanzler schmollt, daß er den Griechen<lb/>
auf dem Berliner Kongreß nicht anch Mazedonien zugeteilt hat. Wir Deutschen<lb/>
siud deshalb dermalen nicht absonderlich beliebt, und besonders bei Hofe verbirgt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] Skizzen aus der Levante und Griechenland. Als ich vor sechsundzwanzig Jahren das erste mal nach Griechenland kam, besuchten wir auch Pyrgos — so hieß der eine Meierhof — und waren gerade im Begriff, die Kuhstalle zu besichtigen, als wir von der Königin überrascht wurden. Der bairische Konsul stellte uns ohne weitere Zeremonie vor. Ihre Majestät war äußerst liebenswürdig, erkundigte sich über dies und jenes, führte uns selbst herum und empfahl uns, ihr ganzes Territorium recht geuau in Augen¬ schein zu nehmen. Das Gefolge bestand aus wenigen Personen, darunter einer Hofdame, Fräulein Mianlis, von blendender Schönheit, wie ich in Griechen¬ land kaum eine zweite gesehen. Ich musz gestehen, daß unser ganzer landwirt¬ schaftlicher Eifer davon unterbrochen wurde und wir der königlichen Einladung nur mit großer Zerstreuung folgten. Ich streife diese alte Erinnerung, weil sie mir Gelegenheit giebt, die heutige Dynastie und Hofhaltung mit ihrer Vor¬ gängerin zu vergleichen, und ich nnr eine Stimme des Bedauerns darüber höre. Die Unfruchtbarkeit der Königin Amalie war ein fataler Umstand, zumal da Prinz Adalbert, der Bruder des Königs, als nächster Agnat zur Erbfolge bestimmt, für einen eifrigen Katholiken galt. So vereinigte sich manches, um den Handstreich zu einer Art von Staatsaktion zu erheben. Die besten Wurzeln des neuen Königshauses sind die vier oder fünf Prinzen, welche die russische Großfürstin ihrem Gemahl geboren hat, ohne diese möchte es mit der Zukunft unsicher stehen, denn das Herrscherpaar, zumal der König, hat zwar keinerlei Unrecht begangen, aber ebensowenig etwas gethan, um sich die Sympathien des Landes zu erwerben und die Krone einigermaßen mit Würde und Glanz zu tragen. Man ist über alle Maßen sparsam und läßt es dabei oft an dein äußern Auslande fehlen. Nirgends mehr als im Orient wird aber auf Reprä¬ sentation und eine gewisse verschwenderische Pracht, besonders bei festlichen An¬ lässen, Wert gelegt und darnach oft die Person beurteilt und geschätzt. Da giebt es denn viele Sticheleien, und man erinnert sich wieder, wie flott es unter Otto und Amalie zugegangen, die beide ihr Privatvermögen zugesetzt haben. Die Griechen hatten sich bei dem letzten russisch-türkischen Kriege gewaltig verrechnet. Sie dachten als schlaue Handelsleute, es würde ihnen gelingen wie Italien, das trotz Niederlagen dnrch die Siege seiner Alliirten die schönsten Provinzen erhielt und seine Unabhängigkeit und Einheit fertig brachte. Aber Viktor Emanuel hat sich doch tapfer und mutig geschlagen und seine Armee furchtlos, wenn schon unglücklich, aus die Schlachtfelder geführt. König Georg dagegen blieb vorsichtig daheim, und als mau endlich mvbilisirte und eine mili¬ tärische Promenade an die Grenze unternahm, war es zu spät. Für diese negative Leistung hat Griechenland mit Thessalien und Epirus noch mehr be¬ kommen, als es verdiente, und es gehört ein hoher Grad von Selbstverblendung dazu, wenn man jetzt dem deutschen Reichskanzler schmollt, daß er den Griechen auf dem Berliner Kongreß nicht anch Mazedonien zugeteilt hat. Wir Deutschen siud deshalb dermalen nicht absonderlich beliebt, und besonders bei Hofe verbirgt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/320>, abgerufen am 05.02.2025.