Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Parlamentarische Betrachtungen. kämpfen hatte und in den zahlreich erworbenen Kolonien eine ergiebige Quelle Auf dem Festlande war es anders. Hier gab es leine geschichtlichen Par¬ Es gab auch schon in frühern Jahren einige unabhängige philosophische Parlamentarische Betrachtungen. kämpfen hatte und in den zahlreich erworbenen Kolonien eine ergiebige Quelle Auf dem Festlande war es anders. Hier gab es leine geschichtlichen Par¬ Es gab auch schon in frühern Jahren einige unabhängige philosophische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197724"/> <fw type="header" place="top"> Parlamentarische Betrachtungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_893" prev="#ID_892"> kämpfen hatte und in den zahlreich erworbenen Kolonien eine ergiebige Quelle<lb/> für die Vermehrung seines einheimischen Reichtums besaß.</p><lb/> <p xml:id="ID_894"> Auf dem Festlande war es anders. Hier gab es leine geschichtlichen Par¬<lb/> teien, sondern es suchten sich solche erst auf Grund irgend eiues doktrinären<lb/> Programms zu bilden. In Deutschland besonders führte die eigentümliche<lb/> Neigung zum Individualisiren zu Zersplitterungen, es standen sich nicht blos;<lb/> Konservative und Liberale gegenüber, sondern innerhalb dieser Hauptrichtungen gab<lb/> es wieder so viele Unterabteilungen, die sich mit der höchsten Erbitterung be¬<lb/> fehdeten, daß es für eine Regierung schwer geworden wäre, lediglich einer Partei<lb/> allein das Staatsruder anzuvertrauen. Noch schwerer und zum Verhängnis<lb/> für das Land wäre es geworden, wenn die Negierung im Parlamente ihren<lb/> Schwerpunkt gefunden hätte und die Minister ans der Mehrheit derselben ge¬<lb/> nommen worden wären. Bezüglich der ersten Alternative wird es genügen, die<lb/> preußische Kvnsliktszeit vor 1866 in Erinnerung zu bringen, als die Mehrheit<lb/> des Abgeordnetenhauses Jahre lang ein Ministerium bekämpfte lind ihm selbst<lb/> die Mittel zur Regierung verweigerte. Die zweite Alternative, die Mehrheits-<lb/> regicrung durch das Parlament, ist jetzt im Begriffe, in allen Ländern Fiasko<lb/> zu machen, vor allen Dingen in England selbst, dem Urlande parlamentarischer<lb/> Verfassung.</p><lb/> <p xml:id="ID_895" next="#ID_896"> Es gab auch schon in frühern Jahren einige unabhängige philosophische<lb/> Köpfe, welche das Wettcrmännchenspicl zwischen Whigs und Tories nicht als<lb/> den erstrebenswertesten politischen Zustand betrachteten. Sie sahen, daß beide<lb/> Parteien die Krone nur zum Deckmantel eigner Herrschaft benutzten und ihr<lb/> eignes Regiment als das des Volkes ausgaben. Es lösten sich schon zur Zeit<lb/> der Chartistenbewegnng einzelne radikale Elemente von den Whigs ab, und im<lb/> Laufe der Regierung der Königin Viktoria haben diese demokratischen Absplitte-<lb/> rungen bereits eine solche Bedeutung gewonnen, daß sie ihren Anteil an der<lb/> Regierung fordern können. Die Leitung des Parlaments war in die Hände<lb/> ehrgeiziger Streber geraten, die ihre eigne Herrschaft als alleiniges Prinzip an¬<lb/> erkannten. Um sich zu erhalten und deu Gegner zu besiegen, mußten sie sich<lb/> Verbündete um jeden Preis suchen. Die Radikalen, weil sie allein noch zu<lb/> schwach waren, und Herr Gludstone, weil er durchaus wieder Minister werden<lb/> wollte, kamen sich ans halbem Wege entgegen. Wie das aber immer bei dem<lb/> Herabgleiten auf der schiefen Ebne geschieht, so befindet sich anch der leitende<lb/> Whigführer bereits in den Händen der Radikalen. Aber auch in dieser Ver¬<lb/> bindung wären sie nicht stark genug, die Herrschaft zu führe», Liberale auf der<lb/> einen und Konservative auf der andern Seite halten einander das Gegengewicht,<lb/> ein Parteiregiment würde bei jeder Abstimmung gefährdet werden können. Unter<lb/> diesen kritischen Umständen fand sich eine dritte Partei auf dem parlamenta¬<lb/> rischen Ringplatze ein. Die Vergewaltigungen Englands haben ihre Früchte<lb/> getragen, ox o8Abu« ultor ist die Parnellitische Partei entstanden, welche bei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
Parlamentarische Betrachtungen.
kämpfen hatte und in den zahlreich erworbenen Kolonien eine ergiebige Quelle
für die Vermehrung seines einheimischen Reichtums besaß.
Auf dem Festlande war es anders. Hier gab es leine geschichtlichen Par¬
teien, sondern es suchten sich solche erst auf Grund irgend eiues doktrinären
Programms zu bilden. In Deutschland besonders führte die eigentümliche
Neigung zum Individualisiren zu Zersplitterungen, es standen sich nicht blos;
Konservative und Liberale gegenüber, sondern innerhalb dieser Hauptrichtungen gab
es wieder so viele Unterabteilungen, die sich mit der höchsten Erbitterung be¬
fehdeten, daß es für eine Regierung schwer geworden wäre, lediglich einer Partei
allein das Staatsruder anzuvertrauen. Noch schwerer und zum Verhängnis
für das Land wäre es geworden, wenn die Negierung im Parlamente ihren
Schwerpunkt gefunden hätte und die Minister ans der Mehrheit derselben ge¬
nommen worden wären. Bezüglich der ersten Alternative wird es genügen, die
preußische Kvnsliktszeit vor 1866 in Erinnerung zu bringen, als die Mehrheit
des Abgeordnetenhauses Jahre lang ein Ministerium bekämpfte lind ihm selbst
die Mittel zur Regierung verweigerte. Die zweite Alternative, die Mehrheits-
regicrung durch das Parlament, ist jetzt im Begriffe, in allen Ländern Fiasko
zu machen, vor allen Dingen in England selbst, dem Urlande parlamentarischer
Verfassung.
Es gab auch schon in frühern Jahren einige unabhängige philosophische
Köpfe, welche das Wettcrmännchenspicl zwischen Whigs und Tories nicht als
den erstrebenswertesten politischen Zustand betrachteten. Sie sahen, daß beide
Parteien die Krone nur zum Deckmantel eigner Herrschaft benutzten und ihr
eignes Regiment als das des Volkes ausgaben. Es lösten sich schon zur Zeit
der Chartistenbewegnng einzelne radikale Elemente von den Whigs ab, und im
Laufe der Regierung der Königin Viktoria haben diese demokratischen Absplitte-
rungen bereits eine solche Bedeutung gewonnen, daß sie ihren Anteil an der
Regierung fordern können. Die Leitung des Parlaments war in die Hände
ehrgeiziger Streber geraten, die ihre eigne Herrschaft als alleiniges Prinzip an¬
erkannten. Um sich zu erhalten und deu Gegner zu besiegen, mußten sie sich
Verbündete um jeden Preis suchen. Die Radikalen, weil sie allein noch zu
schwach waren, und Herr Gludstone, weil er durchaus wieder Minister werden
wollte, kamen sich ans halbem Wege entgegen. Wie das aber immer bei dem
Herabgleiten auf der schiefen Ebne geschieht, so befindet sich anch der leitende
Whigführer bereits in den Händen der Radikalen. Aber auch in dieser Ver¬
bindung wären sie nicht stark genug, die Herrschaft zu führe», Liberale auf der
einen und Konservative auf der andern Seite halten einander das Gegengewicht,
ein Parteiregiment würde bei jeder Abstimmung gefährdet werden können. Unter
diesen kritischen Umständen fand sich eine dritte Partei auf dem parlamenta¬
rischen Ringplatze ein. Die Vergewaltigungen Englands haben ihre Früchte
getragen, ox o8Abu« ultor ist die Parnellitische Partei entstanden, welche bei
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |