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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoöns.

hatte niemand auf das Gesicht und das weitgeöffnete Auge des Luis Camoens
Acht, der mitten im Gewühl der Hofherren verschwand und dessen Hand sich
krampfhaft um den Arm Manuel Bnrretos klammerte. Der Dichter hatte in
dem Augenblicke, wo die Damen und unter ihnen Cawrina Palmcirim eintraten,
mit einem der alten indischen Befehlshaber, denen ihn Barreto vorgestellt hatte,
wenige Worte gewechselt und war erst durch das Rauschen und Flüstern der
Umstehenden veranlaßt worden, sich nach dem Könige hinzuwenden. Sein Blick
fiel zugleich auf daß froh erhellte Gesicht des jungen Fürsten und auf die
schönen Züge des Mädchens -- dem Aufschrei, den er mit plötzlichem Besinnen,
wo er sei, zurückzudrängen suchte, folgte ein langes, atemloses Hinstarren nach
der holden Erscheinung, Ohne es zu wissen, hatte sich Camoens in die vordere
Reihe des dichten Halbkreises gedrängt und Barrcto mit sich gezogen. Der
letztere war zum Glück der Einzige, der in dieser Minute auf den Dichter
Acht hatte, er allein verstand mich, was in der Seele desselben vorging, hatte
das Gefühl, daß Camoens sein übervolles Herz erleichtern müsse, und flüsterte
ihm zu: Sie gleicht ihrer Mutter wundersam, ist es nicht so, Freund?

Gleicht? -- Sie ist es selbst so wahr Gott lebt! entgegnete der Dichter
in leisem Tone, durch den seine glückselige Erregung hindurchzitterte. Sein
Auge hing dabei fort und fort an den Zügen der jungen Gräfin, mit welcher
jetzt der König sprach, und haftete auf der Bewegung ihrer Lippen, als ob er
an diesen den Klang ihrer Stimme erraten könne. Barreto unterdrückte ein
heiteres Lächeln über die Verzückung des Freundes nicht; da diese aber nicht
enden wollte und Senhor Manuel mit einemmale bemerkte, das; Tellcz Alucita,
der Kaplan des Königs, in Camoens' Nähe stand und sehr aufmerksam den Blicken
des Dichters folgte, so mahnte er ihn durch ein paar rasche Worte, sich zu
besinnen: Hütet Euch wohl, Luis! Wenn es Euch glücklich macht, in der Tochter
die Mutter wieder zu erkennen, so berge dies Glück vor fremden Angen. Tretet
mit mir zurück und gönnt dem Schwärme nicht deu Anblick Eurer Thränen!

Ihr habt Recht, Freund! sagte Camoens, wie ans einem Traume auf-
fahrend und das thränenfeuchte Auge mit der Hand deckend. Führt mich, wohin
Euch gut dünkt! Die holde Erscheinung wird ja nicht in einem Augenblicke
wieder verschwinden.

Während er so leise und doch für diesen Kreis immer noch zu laut zu
Barrcto sprach, leitete ihn dieser aus dem dichten Gedränge an eines der offen
stehenden Fenster, deren tiefe Nischen jetzt völlig leer waren. Camoens blickte
noch einmal zurück, er konnte von hier aus nur den König wahrnehmen, Haupt
und Gestalt der schönen Cawrina Pnlmeirim war durch die Gruppe verdeckt,
in der er eben selbst gestanden hatte. Hoch aufatmend beugte er sich hinaus --
unter den Bäumen der großen Terrasse herrschte jetzt völliges Dunkel, ein
würziger Hauch strömte von den blühenden Orangen dicht vor den Fenstern
zu ihm heran. (FortschunI folgt.)




Lamoöns.

hatte niemand auf das Gesicht und das weitgeöffnete Auge des Luis Camoens
Acht, der mitten im Gewühl der Hofherren verschwand und dessen Hand sich
krampfhaft um den Arm Manuel Bnrretos klammerte. Der Dichter hatte in
dem Augenblicke, wo die Damen und unter ihnen Cawrina Palmcirim eintraten,
mit einem der alten indischen Befehlshaber, denen ihn Barreto vorgestellt hatte,
wenige Worte gewechselt und war erst durch das Rauschen und Flüstern der
Umstehenden veranlaßt worden, sich nach dem Könige hinzuwenden. Sein Blick
fiel zugleich auf daß froh erhellte Gesicht des jungen Fürsten und auf die
schönen Züge des Mädchens — dem Aufschrei, den er mit plötzlichem Besinnen,
wo er sei, zurückzudrängen suchte, folgte ein langes, atemloses Hinstarren nach
der holden Erscheinung, Ohne es zu wissen, hatte sich Camoens in die vordere
Reihe des dichten Halbkreises gedrängt und Barrcto mit sich gezogen. Der
letztere war zum Glück der Einzige, der in dieser Minute auf den Dichter
Acht hatte, er allein verstand mich, was in der Seele desselben vorging, hatte
das Gefühl, daß Camoens sein übervolles Herz erleichtern müsse, und flüsterte
ihm zu: Sie gleicht ihrer Mutter wundersam, ist es nicht so, Freund?

Gleicht? — Sie ist es selbst so wahr Gott lebt! entgegnete der Dichter
in leisem Tone, durch den seine glückselige Erregung hindurchzitterte. Sein
Auge hing dabei fort und fort an den Zügen der jungen Gräfin, mit welcher
jetzt der König sprach, und haftete auf der Bewegung ihrer Lippen, als ob er
an diesen den Klang ihrer Stimme erraten könne. Barreto unterdrückte ein
heiteres Lächeln über die Verzückung des Freundes nicht; da diese aber nicht
enden wollte und Senhor Manuel mit einemmale bemerkte, das; Tellcz Alucita,
der Kaplan des Königs, in Camoens' Nähe stand und sehr aufmerksam den Blicken
des Dichters folgte, so mahnte er ihn durch ein paar rasche Worte, sich zu
besinnen: Hütet Euch wohl, Luis! Wenn es Euch glücklich macht, in der Tochter
die Mutter wieder zu erkennen, so berge dies Glück vor fremden Angen. Tretet
mit mir zurück und gönnt dem Schwärme nicht deu Anblick Eurer Thränen!

Ihr habt Recht, Freund! sagte Camoens, wie ans einem Traume auf-
fahrend und das thränenfeuchte Auge mit der Hand deckend. Führt mich, wohin
Euch gut dünkt! Die holde Erscheinung wird ja nicht in einem Augenblicke
wieder verschwinden.

Während er so leise und doch für diesen Kreis immer noch zu laut zu
Barrcto sprach, leitete ihn dieser aus dem dichten Gedränge an eines der offen
stehenden Fenster, deren tiefe Nischen jetzt völlig leer waren. Camoens blickte
noch einmal zurück, er konnte von hier aus nur den König wahrnehmen, Haupt
und Gestalt der schönen Cawrina Pnlmeirim war durch die Gruppe verdeckt,
in der er eben selbst gestanden hatte. Hoch aufatmend beugte er sich hinaus —
unter den Bäumen der großen Terrasse herrschte jetzt völliges Dunkel, ein
würziger Hauch strömte von den blühenden Orangen dicht vor den Fenstern
zu ihm heran. (FortschunI folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/293>, abgerufen am 05.02.2025.