Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Lamoöns. an Mahnungen nicht fehlen lassen und mit der Gnade des Höchsten den jungen Bruder Tellez Alucita kämpfte mit sich, ob er schweigend hinweggehen Ihr müßt mir verzeihen, Herr -- ich kann Eure Ruhe nicht teilen. Bedenkt, Thut, was Eure Pflicht ist, nicht mehr noch minder! antwortete der Prior Der Ausdruck der Bestürzung auf dem Gesichte des jungen Kaplcms Herr, wenn Ihr denn keinen Wert darauf legt, daß der König keusch und Ich sehe mit Erstaunen, Bruder Tellez, wie sehr Ihr von weltlicher Sorge Lamoöns. an Mahnungen nicht fehlen lassen und mit der Gnade des Höchsten den jungen Bruder Tellez Alucita kämpfte mit sich, ob er schweigend hinweggehen Ihr müßt mir verzeihen, Herr — ich kann Eure Ruhe nicht teilen. Bedenkt, Thut, was Eure Pflicht ist, nicht mehr noch minder! antwortete der Prior Der Ausdruck der Bestürzung auf dem Gesichte des jungen Kaplcms Herr, wenn Ihr denn keinen Wert darauf legt, daß der König keusch und Ich sehe mit Erstaunen, Bruder Tellez, wie sehr Ihr von weltlicher Sorge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197715"/> <fw type="header" place="top"> Lamoöns.</fw><lb/> <p xml:id="ID_858" prev="#ID_857"> an Mahnungen nicht fehlen lassen und mit der Gnade des Höchsten den jungen<lb/> König vor einem Fehltritte bewahren. Wenn uns jetzt gelänge, die junge Dame,<lb/> von der Ihr sprecht, vom Hofe zu entfernen, so würden wir vielleicht eben<lb/> damit den König in ihre Arme treiben. Wißt Ihr nicht, daß man die Könige<lb/> dieser Welt zum schlimmen anstachelt, wenn man ihnen etwas unerreichbar<lb/> macht, worauf sie ihren Wunsch oder Willen gerichtet haben? Dom Sebastian<lb/> muß sich selbst finden, Eure und unsre Kraft kann ihn nicht behüten — womit<lb/> ich nicht gesagt haben will, daß Ihr nicht auch ferner die Augen offen halten sollt.</p><lb/> <p xml:id="ID_859"> Bruder Tellez Alucita kämpfte mit sich, ob er schweigend hinweggehen<lb/> oder noch mehr sagen solle. Der Prior von Belem hatte sich abgekehrt und<lb/> sah aus dem Fenster über die Terrasse hinweg, bis der Kaplan unmittelbar<lb/> neben ihm trat und ihm zuflüsterte:</p><lb/> <p xml:id="ID_860"> Ihr müßt mir verzeihen, Herr — ich kann Eure Ruhe nicht teilen. Bedenkt,<lb/> welch ein Beispiel König Sebastian der Welt bis heute giebt — ein König,<lb/> ein Krieger, der kindliche Reinheit bewahrt und die Sünde irdischer Liebe als<lb/> die schwerste aller Sunden erkennt! Er entsagt der Ehe, die sein Volk von ihm<lb/> hofft und stürmisch begehrt, nur um der himmlischen Krone sicher zu sein! Und<lb/> nun gefährdet ihn die Versuchung, die schwerste, mit welcher der Mensch Tag<lb/> und Nacht streitet, und Ihr wollt ihm jede Unterstützung in solchem Kampfe<lb/> versagen?</p><lb/> <p xml:id="ID_861"> Thut, was Eure Pflicht ist, nicht mehr noch minder! antwortete der Prior<lb/> mit strafender Schärfe im Tone. Ihr stellt zu wenig Gott anheim. Wenn er<lb/> es geschehen lassen will, daß der König strauchelt, so wird er ihn auch wieder<lb/> aufrichten. Im Gefühl seiner Makellosigkeit könnte sich der junge König vielleicht<lb/> überheben und die Leitung mißachten, die ihm gewährt ist — im Bewußtsein<lb/> einer Sünde würde er demütig und dankbar sein. Ich sage nicht, daß es so<lb/> kommen müsse, teile Eure Besorgnisse für den König nicht und will Euch nur<lb/> zu Gemüte führen, daß einem Priester ein wenig Vertrauen auf die Vorsehung<lb/> Wohl ansteht!</p><lb/> <p xml:id="ID_862"> Der Ausdruck der Bestürzung auf dem Gesichte des jungen Kaplcms<lb/> unterschied sich seltsam von dem Ausdrucke heiterer Ruhe in den Zügen des<lb/> Priors. Tellez Alucita beugte sich auf die lässig gefalteten Hände des hohen<lb/> Geistlichen herab, küßte dieselben und stammelte:</p><lb/> <p xml:id="ID_863"> Herr, wenn Ihr denn keinen Wert darauf legt, daß der König keusch und<lb/> makellos bleibt, so gedenkt, daß Ihr ein Portugiese seid wie ich, wie wir alle!<lb/> Laßt Dom Sebastian eine christliche und fürstliche Ehe schließen und helft seinem<lb/> ruhmwürdigen Stamme die Krone dieses Landes für fernere Zeiten sichern.<lb/> Bedenkt die Zukunft, Herr!</p><lb/> <p xml:id="ID_864" next="#ID_865"> Ich sehe mit Erstaunen, Bruder Tellez, wie sehr Ihr von weltlicher Sorge<lb/> bewegt werdet. Der König ist unser wie Euer Herr, will er sich vermählen,<lb/> wer kann ihn hindern? Aber uns Söhnen der Kirche ziemt es nicht, ihn zur Ehe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0291]
Lamoöns.
an Mahnungen nicht fehlen lassen und mit der Gnade des Höchsten den jungen
König vor einem Fehltritte bewahren. Wenn uns jetzt gelänge, die junge Dame,
von der Ihr sprecht, vom Hofe zu entfernen, so würden wir vielleicht eben
damit den König in ihre Arme treiben. Wißt Ihr nicht, daß man die Könige
dieser Welt zum schlimmen anstachelt, wenn man ihnen etwas unerreichbar
macht, worauf sie ihren Wunsch oder Willen gerichtet haben? Dom Sebastian
muß sich selbst finden, Eure und unsre Kraft kann ihn nicht behüten — womit
ich nicht gesagt haben will, daß Ihr nicht auch ferner die Augen offen halten sollt.
Bruder Tellez Alucita kämpfte mit sich, ob er schweigend hinweggehen
oder noch mehr sagen solle. Der Prior von Belem hatte sich abgekehrt und
sah aus dem Fenster über die Terrasse hinweg, bis der Kaplan unmittelbar
neben ihm trat und ihm zuflüsterte:
Ihr müßt mir verzeihen, Herr — ich kann Eure Ruhe nicht teilen. Bedenkt,
welch ein Beispiel König Sebastian der Welt bis heute giebt — ein König,
ein Krieger, der kindliche Reinheit bewahrt und die Sünde irdischer Liebe als
die schwerste aller Sunden erkennt! Er entsagt der Ehe, die sein Volk von ihm
hofft und stürmisch begehrt, nur um der himmlischen Krone sicher zu sein! Und
nun gefährdet ihn die Versuchung, die schwerste, mit welcher der Mensch Tag
und Nacht streitet, und Ihr wollt ihm jede Unterstützung in solchem Kampfe
versagen?
Thut, was Eure Pflicht ist, nicht mehr noch minder! antwortete der Prior
mit strafender Schärfe im Tone. Ihr stellt zu wenig Gott anheim. Wenn er
es geschehen lassen will, daß der König strauchelt, so wird er ihn auch wieder
aufrichten. Im Gefühl seiner Makellosigkeit könnte sich der junge König vielleicht
überheben und die Leitung mißachten, die ihm gewährt ist — im Bewußtsein
einer Sünde würde er demütig und dankbar sein. Ich sage nicht, daß es so
kommen müsse, teile Eure Besorgnisse für den König nicht und will Euch nur
zu Gemüte führen, daß einem Priester ein wenig Vertrauen auf die Vorsehung
Wohl ansteht!
Der Ausdruck der Bestürzung auf dem Gesichte des jungen Kaplcms
unterschied sich seltsam von dem Ausdrucke heiterer Ruhe in den Zügen des
Priors. Tellez Alucita beugte sich auf die lässig gefalteten Hände des hohen
Geistlichen herab, küßte dieselben und stammelte:
Herr, wenn Ihr denn keinen Wert darauf legt, daß der König keusch und
makellos bleibt, so gedenkt, daß Ihr ein Portugiese seid wie ich, wie wir alle!
Laßt Dom Sebastian eine christliche und fürstliche Ehe schließen und helft seinem
ruhmwürdigen Stamme die Krone dieses Landes für fernere Zeiten sichern.
Bedenkt die Zukunft, Herr!
Ich sehe mit Erstaunen, Bruder Tellez, wie sehr Ihr von weltlicher Sorge
bewegt werdet. Der König ist unser wie Euer Herr, will er sich vermählen,
wer kann ihn hindern? Aber uns Söhnen der Kirche ziemt es nicht, ihn zur Ehe
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