Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.gesteuert haben. Wie lückenhaft und wenig beweiskräftig um auch die Stellen gesteuert haben. Wie lückenhaft und wenig beweiskräftig um auch die Stellen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197707"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_831" prev="#ID_830" next="#ID_832"> gesteuert haben. Wie lückenhaft und wenig beweiskräftig um auch die Stellen<lb/> der alten Schriftsteller und die Funde der Neuzeit fein mögen — heute zweifelt<lb/> kein Mensch mehr daran, daß die Griechen ihre Tempel, ihre Tempelsknlpturen,<lb/> ihre Freistntncn und ihre Hermen, kurz, alles um der Kunst körperlich gebildete<lb/> bemalt haben. Indem die alten Griechen, die im Grnnde genommen, d, h, nicht<lb/> ihrer Abstammung, sondern ihren Neigungen nach, ein mehr orientalisches als<lb/> occidentales Volk waren, ihre Kunst aus dem Orient empfingen, übernahmen<lb/> sie auch die Farbeulust und deu Farbensinn der orientalischen Völker. Ob nun<lb/> die Assyrer oder die Ägypter oder irgendein andres vermittelndes Volk die<lb/> Lehrmeister der Griechen gewesen sind — den letztern war es keine fremde<lb/> Offenbarung, die aus Holz geschnitzten Götterbilder, die Nachfolger der hölzernen<lb/> Mnnnensnrkophagc, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Farben anzumalen,<lb/> Sie kannten nichts andres und thaten mir »nie die andern, als sie auch Marmor<lb/> und andres Gestein, Mörtel, Stuck in s, w,, bei der Verwendung in Architektur<lb/> und Plastik bemalten. Den ältesten Kunstvölkcrn, den Assyrern und Ägyptern,<lb/> war es mir darum zu thun, den Schein des Lebens in ihren plastischen Nach¬<lb/> bildungen so lange als möglich zu erhalten, und dieses Ziel erreichten sie am<lb/> leichtesten durch die Bemcilnug. Das nnter derselben vorhandne Material war<lb/> ihnen äußerst gleichgiltig, weil die Kunst damals nicht wie heute an und für<lb/> sich, als „Selbstzweck," wie die Philosophen sagen, vorhanden, sondern nnr das<lb/> Bedürfnis des Lebens und des Todes war, Sie hatte, wenn man von dem<lb/> Kultus absieht, nur die Aufgabe, den Ruhm der Lebenden in möglichst reali¬<lb/> stischer Erscheinung zu preisen und die Thaten der Verstorbnen und das<lb/> Schicksal, welches sie im Jenseits erwartet, in epischen Darstellungen zu schildern.<lb/> Die assyrische Bildnerei, welche als unvergängliches Material den Alabaster<lb/> hatte, war von vornherein so malerisch angelegt, daß sie sich fast ausschließlich<lb/> aus das Relief, das plastische Symbol der Malerei, beschränkte. Man möchte<lb/> sogar annehmen, daß die in den assyrischen und babylonischen Königspalästen<lb/> aufgefundnen Reliefs eigentlich nur Surrogate für Malereien waren, weil man<lb/> damals keinen andern Malgrund kannte als deu Stuck und die Alabasterplatte.<lb/> Bei unsrer heutigen Kenntnis des durch die Ausgrabungen gelieferten empirischen<lb/> Materials ist es daher nicht weiter auffallend, daß die Griechen ihre plastischen<lb/> Erzeugnisse, nebenbei bemerkt die Anfänge des der menschlichen Natur inne¬<lb/> wohnenden Nachahmungstriebes, so gefärbt haben, daß sie das Modell möglichst<lb/> getreu Wiedergabe». Es war ihnen dabei gleich, ob das Material Holz, Gips<lb/> oder Marmor war. Die Erkenntnis von dem verschiednen Werte der für<lb/> bildnerische Zwecke geeigneten Materialien gehört erst einer viel spätern Zeit<lb/> an, in Griechenland wenigstens. In Ägypten hat man schon früher empfunden,<lb/> daß die Bearbeitung gewisser Steinarten, des Granits, des Porphyrs, des<lb/> Syenits, so schwierig ist, daß mau das Ergebnis der Arbeit allein wirken<lb/> lassen wollte. Die Steinmetzen waren so stolz ans ihr Werk, auf ihre Kunst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
gesteuert haben. Wie lückenhaft und wenig beweiskräftig um auch die Stellen
der alten Schriftsteller und die Funde der Neuzeit fein mögen — heute zweifelt
kein Mensch mehr daran, daß die Griechen ihre Tempel, ihre Tempelsknlpturen,
ihre Freistntncn und ihre Hermen, kurz, alles um der Kunst körperlich gebildete
bemalt haben. Indem die alten Griechen, die im Grnnde genommen, d, h, nicht
ihrer Abstammung, sondern ihren Neigungen nach, ein mehr orientalisches als
occidentales Volk waren, ihre Kunst aus dem Orient empfingen, übernahmen
sie auch die Farbeulust und deu Farbensinn der orientalischen Völker. Ob nun
die Assyrer oder die Ägypter oder irgendein andres vermittelndes Volk die
Lehrmeister der Griechen gewesen sind — den letztern war es keine fremde
Offenbarung, die aus Holz geschnitzten Götterbilder, die Nachfolger der hölzernen
Mnnnensnrkophagc, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Farben anzumalen,
Sie kannten nichts andres und thaten mir »nie die andern, als sie auch Marmor
und andres Gestein, Mörtel, Stuck in s, w,, bei der Verwendung in Architektur
und Plastik bemalten. Den ältesten Kunstvölkcrn, den Assyrern und Ägyptern,
war es mir darum zu thun, den Schein des Lebens in ihren plastischen Nach¬
bildungen so lange als möglich zu erhalten, und dieses Ziel erreichten sie am
leichtesten durch die Bemcilnug. Das nnter derselben vorhandne Material war
ihnen äußerst gleichgiltig, weil die Kunst damals nicht wie heute an und für
sich, als „Selbstzweck," wie die Philosophen sagen, vorhanden, sondern nnr das
Bedürfnis des Lebens und des Todes war, Sie hatte, wenn man von dem
Kultus absieht, nur die Aufgabe, den Ruhm der Lebenden in möglichst reali¬
stischer Erscheinung zu preisen und die Thaten der Verstorbnen und das
Schicksal, welches sie im Jenseits erwartet, in epischen Darstellungen zu schildern.
Die assyrische Bildnerei, welche als unvergängliches Material den Alabaster
hatte, war von vornherein so malerisch angelegt, daß sie sich fast ausschließlich
aus das Relief, das plastische Symbol der Malerei, beschränkte. Man möchte
sogar annehmen, daß die in den assyrischen und babylonischen Königspalästen
aufgefundnen Reliefs eigentlich nur Surrogate für Malereien waren, weil man
damals keinen andern Malgrund kannte als deu Stuck und die Alabasterplatte.
Bei unsrer heutigen Kenntnis des durch die Ausgrabungen gelieferten empirischen
Materials ist es daher nicht weiter auffallend, daß die Griechen ihre plastischen
Erzeugnisse, nebenbei bemerkt die Anfänge des der menschlichen Natur inne¬
wohnenden Nachahmungstriebes, so gefärbt haben, daß sie das Modell möglichst
getreu Wiedergabe». Es war ihnen dabei gleich, ob das Material Holz, Gips
oder Marmor war. Die Erkenntnis von dem verschiednen Werte der für
bildnerische Zwecke geeigneten Materialien gehört erst einer viel spätern Zeit
an, in Griechenland wenigstens. In Ägypten hat man schon früher empfunden,
daß die Bearbeitung gewisser Steinarten, des Granits, des Porphyrs, des
Syenits, so schwierig ist, daß mau das Ergebnis der Arbeit allein wirken
lassen wollte. Die Steinmetzen waren so stolz ans ihr Werk, auf ihre Kunst
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