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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur Reform des Bibliothekswesens.

Ebert hat zuerst in seinem grundlegenden Werte " Die Bildung des
Bibliothekars" das Evangelium der Entsagung gepredigt, und alle spätern
Schriften folgen ihm hierin wie einem kanonischen Buche. Der Bibliothekar
hat sich darnach die größte Entsagung aufzulegen, er bereitet den Gelehrten die
Wege, auf welchen sie leicht und bequem den dornenlosen Pfad zum Beifall
der Mit- und Nachwelt dahiuwnudelu, ohne daß er selbst eine andre Belohnung
in Anspruch nehmen darf als das Bewußtsein der gethanen Pflicht. ^liis
1n86roi<znäo een8rmror soll der Wahlspruch des Bibliothekars sei". Ganz so
tragisch ist seine Stellung nnn wohl nicht anzusehen. Die unter ihm stehende
Bibliothek möglichst nutzbar zu mache", die wissenschaftlichen Sammlungen durch
angestrengte Thätigkeit ans der Höhe der Zeit zu halten, ist sicherlich die Pflicht
des Bibtivthelsbeamten. Was versagt er sich denn, wenn er sich dieser Auf¬
gabe mit ganzer Kraft unterzieht? Oder sollen wir uns den Bibliothekar als
einen Menschen denken, der dem Gelehrten die Schätze seiner Anstalt, eine
Thräne stiller Wehmut im Auge, zugänglich macht, und wenn dann mit seiner
mittelbaren Hilfe ein vortreffliches Werk entstanden ist, in rührender Ergebung
ins Unvermeidliche den bösen Gedanken von sich abwehren muß- Das Hüttest
du nun selbst schaffen können, wenn dn nicht den schmerzlichen.Verzicht ans eigne
Produktion gethan hättest? Man braucht sich nur die Folgerungen aus einer der¬
artigen Anschanung klar zu macheu, um das schiefe derselbe" einzusehen. Mit dem
selben Rechte konnten wir die gleichen Betrachtungen über jede" andern Beamte"
einstellen. Der Verwaltungsbeamte arbeitet, wenn er nicht eine hohe Stelle
bekleidet, sei" ganzes Leben in der Verborgenheit. Ihm sind unter Umständen
die eingreifendsten Besserungen zu verdanken, die der ganze" Nation zum Segen
gereichen, ohne daß das Publikum erfährt, wer eigentlich der Urheber derselben
ist. Soll sich dieser Verwaltung5veamte nun auch mit dem Kummer herum¬
schlagen, daß er verkannt werde, und daß das, was er allein zu stände gebracht
hat, uur auf Rechnung der Behörde gesetzt werde, der er als einzelnes Glied
angehört? Es steht ja jedem Beamten frei, wenn er seine Berufsgeschäfte erledigt
hat und Lust und Trieb dazu fühlt, mit seinem geistigen Pfunde zu wuchern
und die Welt um einen bedeutenden Schriftsteller zu bereichern. Dasselbe
Recht, nicht mehr und uicht minder, hat auch der Bibliothekar, wobei es doch
keinen Unterschied macht, daß ihm gerade das Handwerkszeug auuertraut ist,
dessen der Gelehrte bedarf. Leistet er in seinem Fache tüchtiges, so wird er
schon, wie es in jeder Berufsart geschieht, hervorgezogen und an deu Platz
gestellt werde", der seiner Befähigung entspricht; im übrigen dient er dem
Staate mit seiner Arbeit und erhält dafür von diesem seinen Lohn. Freilich
muß dieser Lohn dann auch derartig sein, daß er als ein Äquivalent für die
Arbeit gelten tan". In einem der Billigkeit entsprechenden Verhältnisse stehen
sie bei den Bibliotheksbeamte" bis jetzt noch nicht. Der Grund liegt haupt¬
sächlich in der isolirten Stellung, in welcher sich die einzelnen Bibliotheken de-


Zur Reform des Bibliothekswesens.

Ebert hat zuerst in seinem grundlegenden Werte „ Die Bildung des
Bibliothekars" das Evangelium der Entsagung gepredigt, und alle spätern
Schriften folgen ihm hierin wie einem kanonischen Buche. Der Bibliothekar
hat sich darnach die größte Entsagung aufzulegen, er bereitet den Gelehrten die
Wege, auf welchen sie leicht und bequem den dornenlosen Pfad zum Beifall
der Mit- und Nachwelt dahiuwnudelu, ohne daß er selbst eine andre Belohnung
in Anspruch nehmen darf als das Bewußtsein der gethanen Pflicht. ^liis
1n86roi<znäo een8rmror soll der Wahlspruch des Bibliothekars sei». Ganz so
tragisch ist seine Stellung nnn wohl nicht anzusehen. Die unter ihm stehende
Bibliothek möglichst nutzbar zu mache», die wissenschaftlichen Sammlungen durch
angestrengte Thätigkeit ans der Höhe der Zeit zu halten, ist sicherlich die Pflicht
des Bibtivthelsbeamten. Was versagt er sich denn, wenn er sich dieser Auf¬
gabe mit ganzer Kraft unterzieht? Oder sollen wir uns den Bibliothekar als
einen Menschen denken, der dem Gelehrten die Schätze seiner Anstalt, eine
Thräne stiller Wehmut im Auge, zugänglich macht, und wenn dann mit seiner
mittelbaren Hilfe ein vortreffliches Werk entstanden ist, in rührender Ergebung
ins Unvermeidliche den bösen Gedanken von sich abwehren muß- Das Hüttest
du nun selbst schaffen können, wenn dn nicht den schmerzlichen.Verzicht ans eigne
Produktion gethan hättest? Man braucht sich nur die Folgerungen aus einer der¬
artigen Anschanung klar zu macheu, um das schiefe derselbe« einzusehen. Mit dem
selben Rechte konnten wir die gleichen Betrachtungen über jede» andern Beamte»
einstellen. Der Verwaltungsbeamte arbeitet, wenn er nicht eine hohe Stelle
bekleidet, sei» ganzes Leben in der Verborgenheit. Ihm sind unter Umständen
die eingreifendsten Besserungen zu verdanken, die der ganze» Nation zum Segen
gereichen, ohne daß das Publikum erfährt, wer eigentlich der Urheber derselben
ist. Soll sich dieser Verwaltung5veamte nun auch mit dem Kummer herum¬
schlagen, daß er verkannt werde, und daß das, was er allein zu stände gebracht
hat, uur auf Rechnung der Behörde gesetzt werde, der er als einzelnes Glied
angehört? Es steht ja jedem Beamten frei, wenn er seine Berufsgeschäfte erledigt
hat und Lust und Trieb dazu fühlt, mit seinem geistigen Pfunde zu wuchern
und die Welt um einen bedeutenden Schriftsteller zu bereichern. Dasselbe
Recht, nicht mehr und uicht minder, hat auch der Bibliothekar, wobei es doch
keinen Unterschied macht, daß ihm gerade das Handwerkszeug auuertraut ist,
dessen der Gelehrte bedarf. Leistet er in seinem Fache tüchtiges, so wird er
schon, wie es in jeder Berufsart geschieht, hervorgezogen und an deu Platz
gestellt werde», der seiner Befähigung entspricht; im übrigen dient er dem
Staate mit seiner Arbeit und erhält dafür von diesem seinen Lohn. Freilich
muß dieser Lohn dann auch derartig sein, daß er als ein Äquivalent für die
Arbeit gelten tan». In einem der Billigkeit entsprechenden Verhältnisse stehen
sie bei den Bibliotheksbeamte» bis jetzt noch nicht. Der Grund liegt haupt¬
sächlich in der isolirten Stellung, in welcher sich die einzelnen Bibliotheken de-


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[0272] Zur Reform des Bibliothekswesens. Ebert hat zuerst in seinem grundlegenden Werte „ Die Bildung des Bibliothekars" das Evangelium der Entsagung gepredigt, und alle spätern Schriften folgen ihm hierin wie einem kanonischen Buche. Der Bibliothekar hat sich darnach die größte Entsagung aufzulegen, er bereitet den Gelehrten die Wege, auf welchen sie leicht und bequem den dornenlosen Pfad zum Beifall der Mit- und Nachwelt dahiuwnudelu, ohne daß er selbst eine andre Belohnung in Anspruch nehmen darf als das Bewußtsein der gethanen Pflicht. ^liis 1n86roi<znäo een8rmror soll der Wahlspruch des Bibliothekars sei». Ganz so tragisch ist seine Stellung nnn wohl nicht anzusehen. Die unter ihm stehende Bibliothek möglichst nutzbar zu mache», die wissenschaftlichen Sammlungen durch angestrengte Thätigkeit ans der Höhe der Zeit zu halten, ist sicherlich die Pflicht des Bibtivthelsbeamten. Was versagt er sich denn, wenn er sich dieser Auf¬ gabe mit ganzer Kraft unterzieht? Oder sollen wir uns den Bibliothekar als einen Menschen denken, der dem Gelehrten die Schätze seiner Anstalt, eine Thräne stiller Wehmut im Auge, zugänglich macht, und wenn dann mit seiner mittelbaren Hilfe ein vortreffliches Werk entstanden ist, in rührender Ergebung ins Unvermeidliche den bösen Gedanken von sich abwehren muß- Das Hüttest du nun selbst schaffen können, wenn dn nicht den schmerzlichen.Verzicht ans eigne Produktion gethan hättest? Man braucht sich nur die Folgerungen aus einer der¬ artigen Anschanung klar zu macheu, um das schiefe derselbe« einzusehen. Mit dem selben Rechte konnten wir die gleichen Betrachtungen über jede» andern Beamte» einstellen. Der Verwaltungsbeamte arbeitet, wenn er nicht eine hohe Stelle bekleidet, sei» ganzes Leben in der Verborgenheit. Ihm sind unter Umständen die eingreifendsten Besserungen zu verdanken, die der ganze» Nation zum Segen gereichen, ohne daß das Publikum erfährt, wer eigentlich der Urheber derselben ist. Soll sich dieser Verwaltung5veamte nun auch mit dem Kummer herum¬ schlagen, daß er verkannt werde, und daß das, was er allein zu stände gebracht hat, uur auf Rechnung der Behörde gesetzt werde, der er als einzelnes Glied angehört? Es steht ja jedem Beamten frei, wenn er seine Berufsgeschäfte erledigt hat und Lust und Trieb dazu fühlt, mit seinem geistigen Pfunde zu wuchern und die Welt um einen bedeutenden Schriftsteller zu bereichern. Dasselbe Recht, nicht mehr und uicht minder, hat auch der Bibliothekar, wobei es doch keinen Unterschied macht, daß ihm gerade das Handwerkszeug auuertraut ist, dessen der Gelehrte bedarf. Leistet er in seinem Fache tüchtiges, so wird er schon, wie es in jeder Berufsart geschieht, hervorgezogen und an deu Platz gestellt werde», der seiner Befähigung entspricht; im übrigen dient er dem Staate mit seiner Arbeit und erhält dafür von diesem seinen Lohn. Freilich muß dieser Lohn dann auch derartig sein, daß er als ein Äquivalent für die Arbeit gelten tan». In einem der Billigkeit entsprechenden Verhältnisse stehen sie bei den Bibliotheksbeamte» bis jetzt noch nicht. Der Grund liegt haupt¬ sächlich in der isolirten Stellung, in welcher sich die einzelnen Bibliotheken de-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/272>, abgerufen am 05.02.2025.