Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Branntweinmonopol.

Druck lastet natürlich schwer und atemberaubend auf der Landwirtschaft, die
ihre Haupterzeugnisse infolgedessen nur für den geringsten Gewinn, der oft kaum
noch Bodeuzins und Kultnrauslage deckt, zu verwerten vermag. Ans den spekn-
lirenden Großhandel, der sich eben überall in den Weltverkehr drängt und sich
mit beide" Ellenbogen nach allen Seiten hin Protzig Raum schafft, folgt die
Destillation, welche sich in dem Kampfe ums Dasein dadurch schadlos zu halten
sucht, daß sie für die gemeine Schnapöbereitung, d, h, die Verdünnung des
Spiritus, scharfe und berauschende Stoffe dem schlechtgereinigtcn fuselhaltigen
Spiritus zusetzt. Denn Spekulation und gewissenlose Fabrikation sind nirgends
mehr zu Hause als in der Branntweinindustrie, in der selbst die edlern Sorten,
der angeblich aus Wein gebrannte Cognac, der aus Reis gewonnene Areal und
der aus Zuckerrohr hergestellte Rum und die Kirsch- und Zwetschgenwasser Süd-
deutschlands, allen möglichen Verfälschungen ausgesetzt sind. Besonders aber als
gewöhnlichem Trinkbranntwein, der fälschlich auch Kornschnaps genannt wird,
obwohl derselbe mit Getreidespiritns kaum jemals auch nur in die entfernteste
Berührung gekommen ist, begegnen wir heute in den Branntweinspelnnken, in
denen jeder Wirt den Fusel aus dem billigsten und schlechtesten Spiritus selbst
mischt und dadurch bei dem Kleinausschnnk eiuen fünf- bis sechsfacher Gewinn
einheimst. Das giebt ein Fabrikat, welches die Bezeichnung "Gift" oder "Petro¬
leum" mit gutem Rechte führt, weil es ebenso zur physische" wie zur mora¬
lische" Zerstörung der untern Volksschichten beitrüge.

Unter dem Monopol i" der von der preußischen Regierung geplanten und
von den übrigen dentschen Regierungen gebilligten Form übernimmt diese ganze
Prozedur, von der Rvhprodnktion an bis zum Kleinverkauf, der Staat. Es
wird also zuerst die Spekulation und der Großhandel aufhören. Der Staat
lauft sämtlichen im dentschen Reiche erzeugten und den ans dem Auslande etwa
eingeführten Rohspiritns auf, "ach den von ihm selbst auf Grund einschlägiger
Berechnungen festgesetzten Preisen, welche der Entwurf zwischen 30 bis 40 Mark
sür 100 Liter reinen Alkohols festsetzt. Diese Preisfestsetzung wird nach Abzug
der Branntweinsteuer etwas höher als die bisherigen Preise ausfallen, und
zwar mit Recht, da durch das Monopol die Preisbildung von der nieder¬
drückenden Konkurrenz, unter welcher das Brennercigewerbe zur Zeit gegenüber
der Privatspeknlativn seufzt, befreit werden und auch die Konkurrenz des aus¬
ländischen Rohspiritns ans ein unvermeidliches Minimum beschränkt werden wird.
Hierbei wollen wir jedoch gleich bemerken, daß die gleiche Preisfestsetzung für
Nord- und Süddeutschland nicht möglich ist, da der süddeutsche Landwirt, be¬
sonders in Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen, viel teurer anbaut als der
norddeutsche, weil in Süddeutschland die durch Boden und Klima bedingte
höhere Kultur eine insgesamt erhöhte Lebensführung, also durchschnittlich auch
höhere Löhne zur Folge hat. Für Süddeutschland müßte also, sollte sich dessen
Landwirtschaft gegen diejenige Norddeutschlands nicht im Nachteile befinden, auch


Das Branntweinmonopol.

Druck lastet natürlich schwer und atemberaubend auf der Landwirtschaft, die
ihre Haupterzeugnisse infolgedessen nur für den geringsten Gewinn, der oft kaum
noch Bodeuzins und Kultnrauslage deckt, zu verwerten vermag. Ans den spekn-
lirenden Großhandel, der sich eben überall in den Weltverkehr drängt und sich
mit beide» Ellenbogen nach allen Seiten hin Protzig Raum schafft, folgt die
Destillation, welche sich in dem Kampfe ums Dasein dadurch schadlos zu halten
sucht, daß sie für die gemeine Schnapöbereitung, d, h, die Verdünnung des
Spiritus, scharfe und berauschende Stoffe dem schlechtgereinigtcn fuselhaltigen
Spiritus zusetzt. Denn Spekulation und gewissenlose Fabrikation sind nirgends
mehr zu Hause als in der Branntweinindustrie, in der selbst die edlern Sorten,
der angeblich aus Wein gebrannte Cognac, der aus Reis gewonnene Areal und
der aus Zuckerrohr hergestellte Rum und die Kirsch- und Zwetschgenwasser Süd-
deutschlands, allen möglichen Verfälschungen ausgesetzt sind. Besonders aber als
gewöhnlichem Trinkbranntwein, der fälschlich auch Kornschnaps genannt wird,
obwohl derselbe mit Getreidespiritns kaum jemals auch nur in die entfernteste
Berührung gekommen ist, begegnen wir heute in den Branntweinspelnnken, in
denen jeder Wirt den Fusel aus dem billigsten und schlechtesten Spiritus selbst
mischt und dadurch bei dem Kleinausschnnk eiuen fünf- bis sechsfacher Gewinn
einheimst. Das giebt ein Fabrikat, welches die Bezeichnung „Gift" oder „Petro¬
leum" mit gutem Rechte führt, weil es ebenso zur physische» wie zur mora¬
lische« Zerstörung der untern Volksschichten beitrüge.

Unter dem Monopol i» der von der preußischen Regierung geplanten und
von den übrigen dentschen Regierungen gebilligten Form übernimmt diese ganze
Prozedur, von der Rvhprodnktion an bis zum Kleinverkauf, der Staat. Es
wird also zuerst die Spekulation und der Großhandel aufhören. Der Staat
lauft sämtlichen im dentschen Reiche erzeugten und den ans dem Auslande etwa
eingeführten Rohspiritns auf, »ach den von ihm selbst auf Grund einschlägiger
Berechnungen festgesetzten Preisen, welche der Entwurf zwischen 30 bis 40 Mark
sür 100 Liter reinen Alkohols festsetzt. Diese Preisfestsetzung wird nach Abzug
der Branntweinsteuer etwas höher als die bisherigen Preise ausfallen, und
zwar mit Recht, da durch das Monopol die Preisbildung von der nieder¬
drückenden Konkurrenz, unter welcher das Brennercigewerbe zur Zeit gegenüber
der Privatspeknlativn seufzt, befreit werden und auch die Konkurrenz des aus¬
ländischen Rohspiritns ans ein unvermeidliches Minimum beschränkt werden wird.
Hierbei wollen wir jedoch gleich bemerken, daß die gleiche Preisfestsetzung für
Nord- und Süddeutschland nicht möglich ist, da der süddeutsche Landwirt, be¬
sonders in Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen, viel teurer anbaut als der
norddeutsche, weil in Süddeutschland die durch Boden und Klima bedingte
höhere Kultur eine insgesamt erhöhte Lebensführung, also durchschnittlich auch
höhere Löhne zur Folge hat. Für Süddeutschland müßte also, sollte sich dessen
Landwirtschaft gegen diejenige Norddeutschlands nicht im Nachteile befinden, auch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197675"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Branntweinmonopol.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_752" prev="#ID_751"> Druck lastet natürlich schwer und atemberaubend auf der Landwirtschaft, die<lb/>
ihre Haupterzeugnisse infolgedessen nur für den geringsten Gewinn, der oft kaum<lb/>
noch Bodeuzins und Kultnrauslage deckt, zu verwerten vermag. Ans den spekn-<lb/>
lirenden Großhandel, der sich eben überall in den Weltverkehr drängt und sich<lb/>
mit beide» Ellenbogen nach allen Seiten hin Protzig Raum schafft, folgt die<lb/>
Destillation, welche sich in dem Kampfe ums Dasein dadurch schadlos zu halten<lb/>
sucht, daß sie für die gemeine Schnapöbereitung, d, h, die Verdünnung des<lb/>
Spiritus, scharfe und berauschende Stoffe dem schlechtgereinigtcn fuselhaltigen<lb/>
Spiritus zusetzt. Denn Spekulation und gewissenlose Fabrikation sind nirgends<lb/>
mehr zu Hause als in der Branntweinindustrie, in der selbst die edlern Sorten,<lb/>
der angeblich aus Wein gebrannte Cognac, der aus Reis gewonnene Areal und<lb/>
der aus Zuckerrohr hergestellte Rum und die Kirsch- und Zwetschgenwasser Süd-<lb/>
deutschlands, allen möglichen Verfälschungen ausgesetzt sind. Besonders aber als<lb/>
gewöhnlichem Trinkbranntwein, der fälschlich auch Kornschnaps genannt wird,<lb/>
obwohl derselbe mit Getreidespiritns kaum jemals auch nur in die entfernteste<lb/>
Berührung gekommen ist, begegnen wir heute in den Branntweinspelnnken, in<lb/>
denen jeder Wirt den Fusel aus dem billigsten und schlechtesten Spiritus selbst<lb/>
mischt und dadurch bei dem Kleinausschnnk eiuen fünf- bis sechsfacher Gewinn<lb/>
einheimst. Das giebt ein Fabrikat, welches die Bezeichnung &#x201E;Gift" oder &#x201E;Petro¬<lb/>
leum" mit gutem Rechte führt, weil es ebenso zur physische» wie zur mora¬<lb/>
lische« Zerstörung der untern Volksschichten beitrüge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Unter dem Monopol i» der von der preußischen Regierung geplanten und<lb/>
von den übrigen dentschen Regierungen gebilligten Form übernimmt diese ganze<lb/>
Prozedur, von der Rvhprodnktion an bis zum Kleinverkauf, der Staat. Es<lb/>
wird also zuerst die Spekulation und der Großhandel aufhören. Der Staat<lb/>
lauft sämtlichen im dentschen Reiche erzeugten und den ans dem Auslande etwa<lb/>
eingeführten Rohspiritns auf, »ach den von ihm selbst auf Grund einschlägiger<lb/>
Berechnungen festgesetzten Preisen, welche der Entwurf zwischen 30 bis 40 Mark<lb/>
sür 100 Liter reinen Alkohols festsetzt. Diese Preisfestsetzung wird nach Abzug<lb/>
der Branntweinsteuer etwas höher als die bisherigen Preise ausfallen, und<lb/>
zwar mit Recht, da durch das Monopol die Preisbildung von der nieder¬<lb/>
drückenden Konkurrenz, unter welcher das Brennercigewerbe zur Zeit gegenüber<lb/>
der Privatspeknlativn seufzt, befreit werden und auch die Konkurrenz des aus¬<lb/>
ländischen Rohspiritns ans ein unvermeidliches Minimum beschränkt werden wird.<lb/>
Hierbei wollen wir jedoch gleich bemerken, daß die gleiche Preisfestsetzung für<lb/>
Nord- und Süddeutschland nicht möglich ist, da der süddeutsche Landwirt, be¬<lb/>
sonders in Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen, viel teurer anbaut als der<lb/>
norddeutsche, weil in Süddeutschland die durch Boden und Klima bedingte<lb/>
höhere Kultur eine insgesamt erhöhte Lebensführung, also durchschnittlich auch<lb/>
höhere Löhne zur Folge hat. Für Süddeutschland müßte also, sollte sich dessen<lb/>
Landwirtschaft gegen diejenige Norddeutschlands nicht im Nachteile befinden, auch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0251] Das Branntweinmonopol. Druck lastet natürlich schwer und atemberaubend auf der Landwirtschaft, die ihre Haupterzeugnisse infolgedessen nur für den geringsten Gewinn, der oft kaum noch Bodeuzins und Kultnrauslage deckt, zu verwerten vermag. Ans den spekn- lirenden Großhandel, der sich eben überall in den Weltverkehr drängt und sich mit beide» Ellenbogen nach allen Seiten hin Protzig Raum schafft, folgt die Destillation, welche sich in dem Kampfe ums Dasein dadurch schadlos zu halten sucht, daß sie für die gemeine Schnapöbereitung, d, h, die Verdünnung des Spiritus, scharfe und berauschende Stoffe dem schlechtgereinigtcn fuselhaltigen Spiritus zusetzt. Denn Spekulation und gewissenlose Fabrikation sind nirgends mehr zu Hause als in der Branntweinindustrie, in der selbst die edlern Sorten, der angeblich aus Wein gebrannte Cognac, der aus Reis gewonnene Areal und der aus Zuckerrohr hergestellte Rum und die Kirsch- und Zwetschgenwasser Süd- deutschlands, allen möglichen Verfälschungen ausgesetzt sind. Besonders aber als gewöhnlichem Trinkbranntwein, der fälschlich auch Kornschnaps genannt wird, obwohl derselbe mit Getreidespiritns kaum jemals auch nur in die entfernteste Berührung gekommen ist, begegnen wir heute in den Branntweinspelnnken, in denen jeder Wirt den Fusel aus dem billigsten und schlechtesten Spiritus selbst mischt und dadurch bei dem Kleinausschnnk eiuen fünf- bis sechsfacher Gewinn einheimst. Das giebt ein Fabrikat, welches die Bezeichnung „Gift" oder „Petro¬ leum" mit gutem Rechte führt, weil es ebenso zur physische» wie zur mora¬ lische« Zerstörung der untern Volksschichten beitrüge. Unter dem Monopol i» der von der preußischen Regierung geplanten und von den übrigen dentschen Regierungen gebilligten Form übernimmt diese ganze Prozedur, von der Rvhprodnktion an bis zum Kleinverkauf, der Staat. Es wird also zuerst die Spekulation und der Großhandel aufhören. Der Staat lauft sämtlichen im dentschen Reiche erzeugten und den ans dem Auslande etwa eingeführten Rohspiritns auf, »ach den von ihm selbst auf Grund einschlägiger Berechnungen festgesetzten Preisen, welche der Entwurf zwischen 30 bis 40 Mark sür 100 Liter reinen Alkohols festsetzt. Diese Preisfestsetzung wird nach Abzug der Branntweinsteuer etwas höher als die bisherigen Preise ausfallen, und zwar mit Recht, da durch das Monopol die Preisbildung von der nieder¬ drückenden Konkurrenz, unter welcher das Brennercigewerbe zur Zeit gegenüber der Privatspeknlativn seufzt, befreit werden und auch die Konkurrenz des aus¬ ländischen Rohspiritns ans ein unvermeidliches Minimum beschränkt werden wird. Hierbei wollen wir jedoch gleich bemerken, daß die gleiche Preisfestsetzung für Nord- und Süddeutschland nicht möglich ist, da der süddeutsche Landwirt, be¬ sonders in Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen, viel teurer anbaut als der norddeutsche, weil in Süddeutschland die durch Boden und Klima bedingte höhere Kultur eine insgesamt erhöhte Lebensführung, also durchschnittlich auch höhere Löhne zur Folge hat. Für Süddeutschland müßte also, sollte sich dessen Landwirtschaft gegen diejenige Norddeutschlands nicht im Nachteile befinden, auch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/251
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/251>, abgerufen am 05.02.2025.