Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Camoens. meister des Palastes, der alle Ankommenden empfing, ward durch ein paar Die mittelgroße Gestalt des Königs fiel durch ungewöhnliche Kraft des Barreto legte seine Hand leicht ans die Schulter des Freundes: Hier, er¬ Camoens. meister des Palastes, der alle Ankommenden empfing, ward durch ein paar Die mittelgroße Gestalt des Königs fiel durch ungewöhnliche Kraft des Barreto legte seine Hand leicht ans die Schulter des Freundes: Hier, er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197670"/> <fw type="header" place="top"> Camoens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_739" prev="#ID_738"> meister des Palastes, der alle Ankommenden empfing, ward durch ein paar<lb/> Worte Seichor Manuels unterrichtet, wer der unbekannte Begleiter des Edel¬<lb/> mannes sei, und führte Camoens seitwärts zu einer kleinen Gruppe von Männern,<lb/> die, gleich ihm, zum erstenmale vor dem jungen König erscheinen sollten, Barreto<lb/> schritt indes tiefer in den Saal, um einige der Hofleute zu begrüßen, von denen<lb/> einer und der andre dann auch freundlich zu dem Dichter trat, Schon wenige<lb/> Minuten später klirrte» draußen vor dem zweiten Saale die Partisanen der<lb/> Palastwände, der Ruf des wachthabenden Hauptmanns verkündete, daß der König<lb/> komme. Ein Rauschen ging durch beide Säle — die Thüren nach der Terrasse<lb/> hin und die Nischen der geöffnete» Fenster wurden cingeublicklich leer, eine<lb/> Doppelreihe von Damen und Herren säumte den Weg, den der König von der<lb/> Eintrittsthür bis zu deir Sesseln nehmen mußte, die unter einem sammtnen<lb/> Baldachin fiir ihn und diejenigen nnfgestellt waren, welche er in seine unmittelbare<lb/> Nähe ziehen würde, Barreto war sofort neben seinen Freund getreten, sodaß<lb/> der König beide zugleich wahrnehmen konnte. Wenige Minuten später erschien<lb/> Dom Sebastian auf der Schwelle des Hanptsaales — Camoens ward seines<lb/> jungen Herrschers zum erstenmale ansichtig.</p><lb/> <p xml:id="ID_740"> Die mittelgroße Gestalt des Königs fiel durch ungewöhnliche Kraft des<lb/> Auftretens und jeder Bewegung auf. Das Haupt war von dichtgelocktem blonden<lb/> Haar bedeckt, aus dem schmalen weißen Gesicht leuchteten blaue Augen hervor,<lb/> die dem Gesicht gleichwohl keinen milden Ausdruck verliehen, denn eine<lb/> schwärmerische, weltvergessene Glut brannte in ihnen. Der König sah gleichsam<lb/> über sich hinaus, sein Blick verweilte auf den Dingen vor ihm immer nur kurz<lb/> und flüchtig. In seinem Gefolge erschienen einige Hofherren, sein Beichtvater<lb/> in der Ordenstracht der Gesellschaft Jesu und zwei andre Geistliche, welche<lb/> eine ganze Gruppe von Priestern begrüßten, die in der Nähe des ersten Fensters<lb/> versammelt stand. König Sebastian, welcher höchstens fünfundzwanzig Jahre<lb/> zählte, hatte mit Ausnahme seines vierzehnjährige» Pagen, des jüngsten Sohnes<lb/> des Herzogs von Bmganza, und seines Kaplaus nur ältere Männer um sich;<lb/> Barreto nannte flüsternd die Namen einiger. Ehe er jedoch damit zu Ende<lb/> kam, stand der junge Fürst vor der Gruppe, der sich Camoens und Barreto<lb/> angeschlossen hatten, lind sagte laut und über den ganzen Saat hinweg ver¬<lb/> nehmlich: Willkommen an meinem Hofe, Manuel Barreto! Du nahst dich<lb/> selten, aber bringst, wenn du kommst, Gutes! Du hast mir verheißen, mir einen<lb/> Dichter zuzuführen, welcher, nachdem er fein Blut für Portugals Ehre und<lb/> Herrschaft vergossen, sein ganzes Leben für den ewigen Ruhm unsers Landes<lb/> eingesetzt hat?</p><lb/> <p xml:id="ID_741"> Barreto legte seine Hand leicht ans die Schulter des Freundes: Hier, er¬<lb/> habner Herr, ist Luis Camoens, der es seit Jahren als Belohnung seines Lebens<lb/> und seiner Lieder ersehnt hat, Eurer Majestät sein großes Gedicht zu Füßen<lb/> legen zu dürfen!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Camoens.
meister des Palastes, der alle Ankommenden empfing, ward durch ein paar
Worte Seichor Manuels unterrichtet, wer der unbekannte Begleiter des Edel¬
mannes sei, und führte Camoens seitwärts zu einer kleinen Gruppe von Männern,
die, gleich ihm, zum erstenmale vor dem jungen König erscheinen sollten, Barreto
schritt indes tiefer in den Saal, um einige der Hofleute zu begrüßen, von denen
einer und der andre dann auch freundlich zu dem Dichter trat, Schon wenige
Minuten später klirrte» draußen vor dem zweiten Saale die Partisanen der
Palastwände, der Ruf des wachthabenden Hauptmanns verkündete, daß der König
komme. Ein Rauschen ging durch beide Säle — die Thüren nach der Terrasse
hin und die Nischen der geöffnete» Fenster wurden cingeublicklich leer, eine
Doppelreihe von Damen und Herren säumte den Weg, den der König von der
Eintrittsthür bis zu deir Sesseln nehmen mußte, die unter einem sammtnen
Baldachin fiir ihn und diejenigen nnfgestellt waren, welche er in seine unmittelbare
Nähe ziehen würde, Barreto war sofort neben seinen Freund getreten, sodaß
der König beide zugleich wahrnehmen konnte. Wenige Minuten später erschien
Dom Sebastian auf der Schwelle des Hanptsaales — Camoens ward seines
jungen Herrschers zum erstenmale ansichtig.
Die mittelgroße Gestalt des Königs fiel durch ungewöhnliche Kraft des
Auftretens und jeder Bewegung auf. Das Haupt war von dichtgelocktem blonden
Haar bedeckt, aus dem schmalen weißen Gesicht leuchteten blaue Augen hervor,
die dem Gesicht gleichwohl keinen milden Ausdruck verliehen, denn eine
schwärmerische, weltvergessene Glut brannte in ihnen. Der König sah gleichsam
über sich hinaus, sein Blick verweilte auf den Dingen vor ihm immer nur kurz
und flüchtig. In seinem Gefolge erschienen einige Hofherren, sein Beichtvater
in der Ordenstracht der Gesellschaft Jesu und zwei andre Geistliche, welche
eine ganze Gruppe von Priestern begrüßten, die in der Nähe des ersten Fensters
versammelt stand. König Sebastian, welcher höchstens fünfundzwanzig Jahre
zählte, hatte mit Ausnahme seines vierzehnjährige» Pagen, des jüngsten Sohnes
des Herzogs von Bmganza, und seines Kaplaus nur ältere Männer um sich;
Barreto nannte flüsternd die Namen einiger. Ehe er jedoch damit zu Ende
kam, stand der junge Fürst vor der Gruppe, der sich Camoens und Barreto
angeschlossen hatten, lind sagte laut und über den ganzen Saat hinweg ver¬
nehmlich: Willkommen an meinem Hofe, Manuel Barreto! Du nahst dich
selten, aber bringst, wenn du kommst, Gutes! Du hast mir verheißen, mir einen
Dichter zuzuführen, welcher, nachdem er fein Blut für Portugals Ehre und
Herrschaft vergossen, sein ganzes Leben für den ewigen Ruhm unsers Landes
eingesetzt hat?
Barreto legte seine Hand leicht ans die Schulter des Freundes: Hier, er¬
habner Herr, ist Luis Camoens, der es seit Jahren als Belohnung seines Lebens
und seiner Lieder ersehnt hat, Eurer Majestät sein großes Gedicht zu Füßen
legen zu dürfen!
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