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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Hinabsteigen kehrte der ältere Freund seine schmerzlich bewegten Züge dem
Dichter zu und sagte leise, aber nachdrücklich:

Ihr habt gehört, Luis, was der verehrungswürdigste Mann Portugals
von der Zukunft fürchtet, die diesem Lande droht. Ihr wißt jetzt mindestens,
daß ich mit meiner Sorge nicht allein stehe. Der greise Held ist gewohnt, stumm
zu dulden; so fällt ein Wort von ihm schwerer ins Gewicht, als die endlosen
Klagen von uns andern. Denkt an den Alten, Camoens, wenn Euch dort
drüben -- er deutete auf den hinter ihnen liegenden großen Palast -- andre
Klänge ans Ohr dringen oder sich gar in Eure Seele schmeicheln wollen.

Ich danke Euch für die Stunde bei Antonio Pcicheeo! entgegnete der
Dichter mit herzlichem Ton. Sie hat mich nur in dem Entschlüsse bestärkt,
Eurer Führung zu vertrauen, so lange Ihr mir diese Führung gönnen wollt.
Da Ihr die Sorge um unsre Schutzbefohlene so rasch von meiner Brust gewälzt
habt, so werde ich leichtern Mutes vor den König treten und erwarten, was
der Himmel und das Geschick meiner schwachen Kraft gönnen wollen.

Hütet Euch wenigstens vor dein König, die christlichen Heiligen und die
heidnischen Götter zugleich anzurufen! schloß Dom Manuel in besserer Laune
als zuvor, während beide Freunde dem gastlichen Hause, das Bartolomeo Okaz
sein Schiff hieß, mit raschen Schritten wieder zueilten.




Viertes Aapitel.

Der Abend desselben Tages sah in den beiden großen Sälen des Königs-
schlosses von Cintra, die im untern Geschoß lagen und sich nach der breiten
Westterrasse öffneten, eine glänzende Versammlung. Ein frischer Hauch vom
Meere herüber, der die prachtvollen indischen Teppiche, welche als Thürschmuck
dienten, leise bewegte und die Kerzen der goldnen Wandleuchter unruhig
flackern ließ, strömte durch die offnen Thüren herein. Die Lichter waren
sämtlich angezündet, obschon über den Laubkronen der Terrasse der Himmel
noch hell genug erglänzte, und die Sonne wie ein mächtiger Feuerball zwischen
den Netzen purpurner Wolken hing. Die meisten der in den Sälen ver¬
sammelten drängten sich an den Thüren zur Terrasse zusammen, um das
prächtige Schauspiel des Sonnenunterganges zu genießen, blickten aber dabei
häufig "ach der großen, geschlossenen Pforte des zweiten Saales zurück, durch
welche der König eintreten mußte, wenn er, wie heute Abend, im größern Hvf-
kreise erschien. Mitten im lebhaften Austausch ihrer Begrüßungen und Gespräche
behielten Herren und Damen die Stelle wohl im Auge, welche sie beim Nahen
des Königs einzunehmen dachten. So kam es, daß Barreto und Camoens, die
still und mit mehreren andern zugleich in den vorder" Saal eintraten, nur
von wenigen der schon Anniesenden wahrgenommen wurden. Der Haushof-


Hinabsteigen kehrte der ältere Freund seine schmerzlich bewegten Züge dem
Dichter zu und sagte leise, aber nachdrücklich:

Ihr habt gehört, Luis, was der verehrungswürdigste Mann Portugals
von der Zukunft fürchtet, die diesem Lande droht. Ihr wißt jetzt mindestens,
daß ich mit meiner Sorge nicht allein stehe. Der greise Held ist gewohnt, stumm
zu dulden; so fällt ein Wort von ihm schwerer ins Gewicht, als die endlosen
Klagen von uns andern. Denkt an den Alten, Camoens, wenn Euch dort
drüben — er deutete auf den hinter ihnen liegenden großen Palast — andre
Klänge ans Ohr dringen oder sich gar in Eure Seele schmeicheln wollen.

Ich danke Euch für die Stunde bei Antonio Pcicheeo! entgegnete der
Dichter mit herzlichem Ton. Sie hat mich nur in dem Entschlüsse bestärkt,
Eurer Führung zu vertrauen, so lange Ihr mir diese Führung gönnen wollt.
Da Ihr die Sorge um unsre Schutzbefohlene so rasch von meiner Brust gewälzt
habt, so werde ich leichtern Mutes vor den König treten und erwarten, was
der Himmel und das Geschick meiner schwachen Kraft gönnen wollen.

Hütet Euch wenigstens vor dein König, die christlichen Heiligen und die
heidnischen Götter zugleich anzurufen! schloß Dom Manuel in besserer Laune
als zuvor, während beide Freunde dem gastlichen Hause, das Bartolomeo Okaz
sein Schiff hieß, mit raschen Schritten wieder zueilten.




Viertes Aapitel.

Der Abend desselben Tages sah in den beiden großen Sälen des Königs-
schlosses von Cintra, die im untern Geschoß lagen und sich nach der breiten
Westterrasse öffneten, eine glänzende Versammlung. Ein frischer Hauch vom
Meere herüber, der die prachtvollen indischen Teppiche, welche als Thürschmuck
dienten, leise bewegte und die Kerzen der goldnen Wandleuchter unruhig
flackern ließ, strömte durch die offnen Thüren herein. Die Lichter waren
sämtlich angezündet, obschon über den Laubkronen der Terrasse der Himmel
noch hell genug erglänzte, und die Sonne wie ein mächtiger Feuerball zwischen
den Netzen purpurner Wolken hing. Die meisten der in den Sälen ver¬
sammelten drängten sich an den Thüren zur Terrasse zusammen, um das
prächtige Schauspiel des Sonnenunterganges zu genießen, blickten aber dabei
häufig »ach der großen, geschlossenen Pforte des zweiten Saales zurück, durch
welche der König eintreten mußte, wenn er, wie heute Abend, im größern Hvf-
kreise erschien. Mitten im lebhaften Austausch ihrer Begrüßungen und Gespräche
behielten Herren und Damen die Stelle wohl im Auge, welche sie beim Nahen
des Königs einzunehmen dachten. So kam es, daß Barreto und Camoens, die
still und mit mehreren andern zugleich in den vorder» Saal eintraten, nur
von wenigen der schon Anniesenden wahrgenommen wurden. Der Haushof-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/245>, abgerufen am 05.02.2025.