Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die hannoversche Gesellschaft. Regiments ein sogenanntes Korpsdincr, hatte es zu einem solchen eine hochge¬ Wir haben schon angedeutet, daß die Lasten des Präsidenten groß waren. Ebenso groß wie die Last war aber auch der Respekt, mit dem ihm von So konnte es kommen, daß einem jungen Leutnant als Präsidenten der Die hannoversche Gesellschaft. Regiments ein sogenanntes Korpsdincr, hatte es zu einem solchen eine hochge¬ Wir haben schon angedeutet, daß die Lasten des Präsidenten groß waren. Ebenso groß wie die Last war aber auch der Respekt, mit dem ihm von So konnte es kommen, daß einem jungen Leutnant als Präsidenten der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197447"/> <fw type="header" place="top"> Die hannoversche Gesellschaft.</fw><lb/> <p xml:id="ID_46" prev="#ID_45"> Regiments ein sogenanntes Korpsdincr, hatte es zu einem solchen eine hochge¬<lb/> stellte Persönlichkeit oder gar ein ganzes befreundetes Offizierkorps eingeladen,<lb/> so übernahm der Regimentskommandeur selbst den Vorsitz. Nie aber konnte<lb/> ein Brigadier ?e, denselben fordern. Sie waren außerordentliche Mitglieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_47"> Wir haben schon angedeutet, daß die Lasten des Präsidenten groß waren.<lb/> Schlug die Stunde, an welcher gespeist werden sollte, so ergriff er das Zeichen<lb/> seiner Würde, den elfenbeinernen Hammer, welcher neben seinem Couvert lag,<lb/> schlug damit auf den Tisch und rief: „Meine Herren, ich bitte Platz zu nehmen."<lb/> Dann reihten sich rechts und links die Kameraden ohne Unterschied des Ranges<lb/> ihm an, und kam einer nach jenem feierlichen Moment, so trat er, und wenn es gleich<lb/> der Regiments- oder Brigadekommandeur war, an den Präsidenten, der ruhig<lb/> sitzen blieb, heran, bat sein verspätetes Kommen zu entschuldigen und bediente<lb/> sich, nach erfolgter Aufforderung des Präsidenten, Platz zu nehmen, des nächsten<lb/> freien Stuhles, der gewöhnlich unten an der Tafel zu finden war. Darauf<lb/> legten der Präsident und der Vizepräsident die Suppe vor, ersterer zerlegte<lb/> den Braten, nachdem er feierlichst die Bratengcsuudheit ausgebracht hatte<lb/> („Meine Herren, auf das Wohl der Damen!" und feierliche Verbeugung nach<lb/> alleu Seiten hin). Außerdem hatte er hundert Bitten zu gewähren oder ab¬<lb/> zulehnen, vor allem aber die Tischdisziplin aufrecht zu erhalten, auch unter<lb/> anderen dort einzugreifen, wo ein Gespräch eine zu hitzige oder zu schlüpfrige<lb/> Wendung zu nehme» drohte. Schließlich hob er die Tafel auf. Dann wurde<lb/> letztere geräumt, das Weiße Tischtuch abgenommen, das darunter liegende grüne<lb/> kam zum Vorschein, der Kaffee wurde servirt, die Zigarren wurden angezündet,<lb/> jeder konnte ohne Anfrage aufstehen, lesen, sich entfernen; die Macht des Prä¬<lb/> sidenten wurde nur noch in beschränktem Maße ausgeübt.</p><lb/> <p xml:id="ID_48"> Ebenso groß wie die Last war aber auch der Respekt, mit dem ihm von<lb/> allen Seiten begegnet wurde. Jeder Fremde, welcher als Gast die Räume der<lb/> Messe betrat, wurde ihm zuerst vorgestellt; seineu Anordnungen wurde unbe¬<lb/> dingt Folge geleistet. Um aber seiner Macht Ausdruck und seinem Willen<lb/> Nachdruck geben zu können, war er mit einer gewissen Stmfgcwalt ausgerüstet.<lb/> Er konnte kleine Geldstrafen verhängen, gegen welche der Bestrafte nur, nachdem<lb/> die Woche, während welcher der Präsident sein Amt verwaltete, verflossen war,<lb/> eine Appellation an die Entscheidung der gesamten Tischgesellschaft richten konnte.<lb/> Aber wehe dem Appellanten! Neunundneunzig unter hundert wurden mit ihrer<lb/> Beschwerde abgewiesen und mußten dann die doppelte Strafe zahlen. Die<lb/> ältern Offiziere hielten streng darauf, daß die Autorität des Präsidenten nicht<lb/> erschüttert wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_49" next="#ID_50"> So konnte es kommen, daß einem jungen Leutnant als Präsidenten der<lb/> Messe ein Stabsoffizier vorgestellt wurde; es konnte sich aber auch ereignen,<lb/> daß ein solcher seinen Bataillonskommandeur in gute Groschen Strafe nahm,<lb/> weil sein Bedienter nicht rechtzeitig zur Aufwartung erschienen war. Wir er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
Die hannoversche Gesellschaft.
Regiments ein sogenanntes Korpsdincr, hatte es zu einem solchen eine hochge¬
stellte Persönlichkeit oder gar ein ganzes befreundetes Offizierkorps eingeladen,
so übernahm der Regimentskommandeur selbst den Vorsitz. Nie aber konnte
ein Brigadier ?e, denselben fordern. Sie waren außerordentliche Mitglieder.
Wir haben schon angedeutet, daß die Lasten des Präsidenten groß waren.
Schlug die Stunde, an welcher gespeist werden sollte, so ergriff er das Zeichen
seiner Würde, den elfenbeinernen Hammer, welcher neben seinem Couvert lag,
schlug damit auf den Tisch und rief: „Meine Herren, ich bitte Platz zu nehmen."
Dann reihten sich rechts und links die Kameraden ohne Unterschied des Ranges
ihm an, und kam einer nach jenem feierlichen Moment, so trat er, und wenn es gleich
der Regiments- oder Brigadekommandeur war, an den Präsidenten, der ruhig
sitzen blieb, heran, bat sein verspätetes Kommen zu entschuldigen und bediente
sich, nach erfolgter Aufforderung des Präsidenten, Platz zu nehmen, des nächsten
freien Stuhles, der gewöhnlich unten an der Tafel zu finden war. Darauf
legten der Präsident und der Vizepräsident die Suppe vor, ersterer zerlegte
den Braten, nachdem er feierlichst die Bratengcsuudheit ausgebracht hatte
(„Meine Herren, auf das Wohl der Damen!" und feierliche Verbeugung nach
alleu Seiten hin). Außerdem hatte er hundert Bitten zu gewähren oder ab¬
zulehnen, vor allem aber die Tischdisziplin aufrecht zu erhalten, auch unter
anderen dort einzugreifen, wo ein Gespräch eine zu hitzige oder zu schlüpfrige
Wendung zu nehme» drohte. Schließlich hob er die Tafel auf. Dann wurde
letztere geräumt, das Weiße Tischtuch abgenommen, das darunter liegende grüne
kam zum Vorschein, der Kaffee wurde servirt, die Zigarren wurden angezündet,
jeder konnte ohne Anfrage aufstehen, lesen, sich entfernen; die Macht des Prä¬
sidenten wurde nur noch in beschränktem Maße ausgeübt.
Ebenso groß wie die Last war aber auch der Respekt, mit dem ihm von
allen Seiten begegnet wurde. Jeder Fremde, welcher als Gast die Räume der
Messe betrat, wurde ihm zuerst vorgestellt; seineu Anordnungen wurde unbe¬
dingt Folge geleistet. Um aber seiner Macht Ausdruck und seinem Willen
Nachdruck geben zu können, war er mit einer gewissen Stmfgcwalt ausgerüstet.
Er konnte kleine Geldstrafen verhängen, gegen welche der Bestrafte nur, nachdem
die Woche, während welcher der Präsident sein Amt verwaltete, verflossen war,
eine Appellation an die Entscheidung der gesamten Tischgesellschaft richten konnte.
Aber wehe dem Appellanten! Neunundneunzig unter hundert wurden mit ihrer
Beschwerde abgewiesen und mußten dann die doppelte Strafe zahlen. Die
ältern Offiziere hielten streng darauf, daß die Autorität des Präsidenten nicht
erschüttert wurde.
So konnte es kommen, daß einem jungen Leutnant als Präsidenten der
Messe ein Stabsoffizier vorgestellt wurde; es konnte sich aber auch ereignen,
daß ein solcher seinen Bataillonskommandeur in gute Groschen Strafe nahm,
weil sein Bedienter nicht rechtzeitig zur Aufwartung erschienen war. Wir er-
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