Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Hans Joachim von Zieten.

Dies ist in den Hauptzügen das Bild Zietens, wie es uns aus dem ersten
Bande von Winters Darstellung entgegentritt. Da nach dem Wunsche des
Grafen Zieten das Buch sür das große Publikum bestimmt sein und demgemäß
von allem gelehrten Ballast freigehalten werden sollte, machte sich eine Zwei¬
teilung des Werkes notwendig; alle kritischen Erörterungen und die zahlreichen
urkundlichen Beilagen wurden in einem zweiten Bande vereinigt, sie bilden ein
in sich abgeschlossenes Ganze, "eine Darstellung der Untersuchung," und führen
uns bis ins Innerste der historischen Forschung und Kritik ein. Buch für Buch
wird dem Leser das Quellen Material, welches für das gerade zu behandelnde
Ereignis in Betracht kommt, vorgelegt, kritisch untersucht und die gegebene Dar¬
stellung gerechtfertigt. Es galt dabei eine Arbeit von nicht geringem Umfange
zu erledigen. Einerseits war es die Aufgabe des Verfassers, an Stelle der
poetischen Tradition, welche sich um Zielens Persönlichkeit gebildet und deren
Hauptvertreterin Frau von Blumenthal ist, die einfache Wahrheit zu setze";
anderseits mußte namentlich das ganze Qucllenmaterial für die Kriegsgeschichte
des fridericianischen Zeitalters geprüft werden, um das Eingreifen Zietens in
den einzelnen Momenten richtig würdigen zu können.

Für die interessanteste und wichtigste Epoche von Zietens Leben, die Zeit
Friedrichs des Großen, hat man preußischerseits drei verschiedne "Traditionen"
zu scheiden, die "fridericianische," deren Hauptvertreter Friedrichs eigne Denk¬
würdigkeiten sind, und deren Glaubwürdigkeit die historische Forschung immer ein¬
dringlicher hervorzuheben hat, die "Prinz Heiurichsche Tradition," vor allem
niedergelegt in dem "Gandyschen Journal," und die "anhaltinische Tradition,"
welche es unternahm, den Ruhm der an diesen Kämpfen beteiligten anhalti-
nischen Fürsten und Prinzen in ein möglichst Helles Licht zu stellen. Alle die
der zweiten und dritten Gruppe angehörigen Memoirenwerke nehmen nicht
bloß gegen Friedrich, sondern namentlich auch gegen seineu Liebling Winterfeldt
eine äußerst gehässige Stellung ein. Zieten stand in keinem freundlichen, oft
in einem entschieden feindlichen Verhältnisse zu Winterfeldt; es darf daher nicht
verwundern, daß diese Memoiren alles Unrecht auf Winterfeldts Seite sahen
und sich uicht scheuten, ein ganzes Jntrignenspiel Winterfeldts gegen Zieten zu
erdichten. Nach Winterfeldts Tode, als Zieten der Vertraute Friedrichs wurde,
äußern sie sich mit unverkennbarer Gehässigkeit gegen Zieten. Soweit die
"preußische Tradition." Fernere Quellen waren die militärische Korrespondenz
Friedrichs des Großen, deren Veröffentlichung, wie Winter mitteilt, bevorsteht,
wenigstens soweit sie sich auf den siebenjährigen Krieg bezieht, die Briefe Zietens
an den König und den Prinzen Heinrich. Von gegnerischer Seite kam eigentlich
nur die "österreichische Tradition" in Betracht.

Winter hat uns, wie wir schon eingangs hervorgehoben, zum erstenmale
eine aus exakten, methodisch richtig aufgebauten Forschungen beruhende Lebens¬
geschichte eines Mannes aus der Heldenschaar Friedrichs gegeben, ein Beispiel,


Hans Joachim von Zieten.

Dies ist in den Hauptzügen das Bild Zietens, wie es uns aus dem ersten
Bande von Winters Darstellung entgegentritt. Da nach dem Wunsche des
Grafen Zieten das Buch sür das große Publikum bestimmt sein und demgemäß
von allem gelehrten Ballast freigehalten werden sollte, machte sich eine Zwei¬
teilung des Werkes notwendig; alle kritischen Erörterungen und die zahlreichen
urkundlichen Beilagen wurden in einem zweiten Bande vereinigt, sie bilden ein
in sich abgeschlossenes Ganze, „eine Darstellung der Untersuchung," und führen
uns bis ins Innerste der historischen Forschung und Kritik ein. Buch für Buch
wird dem Leser das Quellen Material, welches für das gerade zu behandelnde
Ereignis in Betracht kommt, vorgelegt, kritisch untersucht und die gegebene Dar¬
stellung gerechtfertigt. Es galt dabei eine Arbeit von nicht geringem Umfange
zu erledigen. Einerseits war es die Aufgabe des Verfassers, an Stelle der
poetischen Tradition, welche sich um Zielens Persönlichkeit gebildet und deren
Hauptvertreterin Frau von Blumenthal ist, die einfache Wahrheit zu setze»;
anderseits mußte namentlich das ganze Qucllenmaterial für die Kriegsgeschichte
des fridericianischen Zeitalters geprüft werden, um das Eingreifen Zietens in
den einzelnen Momenten richtig würdigen zu können.

Für die interessanteste und wichtigste Epoche von Zietens Leben, die Zeit
Friedrichs des Großen, hat man preußischerseits drei verschiedne „Traditionen"
zu scheiden, die „fridericianische," deren Hauptvertreter Friedrichs eigne Denk¬
würdigkeiten sind, und deren Glaubwürdigkeit die historische Forschung immer ein¬
dringlicher hervorzuheben hat, die „Prinz Heiurichsche Tradition," vor allem
niedergelegt in dem „Gandyschen Journal," und die „anhaltinische Tradition,"
welche es unternahm, den Ruhm der an diesen Kämpfen beteiligten anhalti-
nischen Fürsten und Prinzen in ein möglichst Helles Licht zu stellen. Alle die
der zweiten und dritten Gruppe angehörigen Memoirenwerke nehmen nicht
bloß gegen Friedrich, sondern namentlich auch gegen seineu Liebling Winterfeldt
eine äußerst gehässige Stellung ein. Zieten stand in keinem freundlichen, oft
in einem entschieden feindlichen Verhältnisse zu Winterfeldt; es darf daher nicht
verwundern, daß diese Memoiren alles Unrecht auf Winterfeldts Seite sahen
und sich uicht scheuten, ein ganzes Jntrignenspiel Winterfeldts gegen Zieten zu
erdichten. Nach Winterfeldts Tode, als Zieten der Vertraute Friedrichs wurde,
äußern sie sich mit unverkennbarer Gehässigkeit gegen Zieten. Soweit die
„preußische Tradition." Fernere Quellen waren die militärische Korrespondenz
Friedrichs des Großen, deren Veröffentlichung, wie Winter mitteilt, bevorsteht,
wenigstens soweit sie sich auf den siebenjährigen Krieg bezieht, die Briefe Zietens
an den König und den Prinzen Heinrich. Von gegnerischer Seite kam eigentlich
nur die „österreichische Tradition" in Betracht.

Winter hat uns, wie wir schon eingangs hervorgehoben, zum erstenmale
eine aus exakten, methodisch richtig aufgebauten Forschungen beruhende Lebens¬
geschichte eines Mannes aus der Heldenschaar Friedrichs gegeben, ein Beispiel,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197650"/>
          <fw type="header" place="top"> Hans Joachim von Zieten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_670"> Dies ist in den Hauptzügen das Bild Zietens, wie es uns aus dem ersten<lb/>
Bande von Winters Darstellung entgegentritt. Da nach dem Wunsche des<lb/>
Grafen Zieten das Buch sür das große Publikum bestimmt sein und demgemäß<lb/>
von allem gelehrten Ballast freigehalten werden sollte, machte sich eine Zwei¬<lb/>
teilung des Werkes notwendig; alle kritischen Erörterungen und die zahlreichen<lb/>
urkundlichen Beilagen wurden in einem zweiten Bande vereinigt, sie bilden ein<lb/>
in sich abgeschlossenes Ganze, &#x201E;eine Darstellung der Untersuchung," und führen<lb/>
uns bis ins Innerste der historischen Forschung und Kritik ein. Buch für Buch<lb/>
wird dem Leser das Quellen Material, welches für das gerade zu behandelnde<lb/>
Ereignis in Betracht kommt, vorgelegt, kritisch untersucht und die gegebene Dar¬<lb/>
stellung gerechtfertigt. Es galt dabei eine Arbeit von nicht geringem Umfange<lb/>
zu erledigen. Einerseits war es die Aufgabe des Verfassers, an Stelle der<lb/>
poetischen Tradition, welche sich um Zielens Persönlichkeit gebildet und deren<lb/>
Hauptvertreterin Frau von Blumenthal ist, die einfache Wahrheit zu setze»;<lb/>
anderseits mußte namentlich das ganze Qucllenmaterial für die Kriegsgeschichte<lb/>
des fridericianischen Zeitalters geprüft werden, um das Eingreifen Zietens in<lb/>
den einzelnen Momenten richtig würdigen zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_671"> Für die interessanteste und wichtigste Epoche von Zietens Leben, die Zeit<lb/>
Friedrichs des Großen, hat man preußischerseits drei verschiedne &#x201E;Traditionen"<lb/>
zu scheiden, die &#x201E;fridericianische," deren Hauptvertreter Friedrichs eigne Denk¬<lb/>
würdigkeiten sind, und deren Glaubwürdigkeit die historische Forschung immer ein¬<lb/>
dringlicher hervorzuheben hat, die &#x201E;Prinz Heiurichsche Tradition," vor allem<lb/>
niedergelegt in dem &#x201E;Gandyschen Journal," und die &#x201E;anhaltinische Tradition,"<lb/>
welche es unternahm, den Ruhm der an diesen Kämpfen beteiligten anhalti-<lb/>
nischen Fürsten und Prinzen in ein möglichst Helles Licht zu stellen. Alle die<lb/>
der zweiten und dritten Gruppe angehörigen Memoirenwerke nehmen nicht<lb/>
bloß gegen Friedrich, sondern namentlich auch gegen seineu Liebling Winterfeldt<lb/>
eine äußerst gehässige Stellung ein. Zieten stand in keinem freundlichen, oft<lb/>
in einem entschieden feindlichen Verhältnisse zu Winterfeldt; es darf daher nicht<lb/>
verwundern, daß diese Memoiren alles Unrecht auf Winterfeldts Seite sahen<lb/>
und sich uicht scheuten, ein ganzes Jntrignenspiel Winterfeldts gegen Zieten zu<lb/>
erdichten. Nach Winterfeldts Tode, als Zieten der Vertraute Friedrichs wurde,<lb/>
äußern sie sich mit unverkennbarer Gehässigkeit gegen Zieten. Soweit die<lb/>
&#x201E;preußische Tradition." Fernere Quellen waren die militärische Korrespondenz<lb/>
Friedrichs des Großen, deren Veröffentlichung, wie Winter mitteilt, bevorsteht,<lb/>
wenigstens soweit sie sich auf den siebenjährigen Krieg bezieht, die Briefe Zietens<lb/>
an den König und den Prinzen Heinrich. Von gegnerischer Seite kam eigentlich<lb/>
nur die &#x201E;österreichische Tradition" in Betracht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_672" next="#ID_673"> Winter hat uns, wie wir schon eingangs hervorgehoben, zum erstenmale<lb/>
eine aus exakten, methodisch richtig aufgebauten Forschungen beruhende Lebens¬<lb/>
geschichte eines Mannes aus der Heldenschaar Friedrichs gegeben, ein Beispiel,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Hans Joachim von Zieten. Dies ist in den Hauptzügen das Bild Zietens, wie es uns aus dem ersten Bande von Winters Darstellung entgegentritt. Da nach dem Wunsche des Grafen Zieten das Buch sür das große Publikum bestimmt sein und demgemäß von allem gelehrten Ballast freigehalten werden sollte, machte sich eine Zwei¬ teilung des Werkes notwendig; alle kritischen Erörterungen und die zahlreichen urkundlichen Beilagen wurden in einem zweiten Bande vereinigt, sie bilden ein in sich abgeschlossenes Ganze, „eine Darstellung der Untersuchung," und führen uns bis ins Innerste der historischen Forschung und Kritik ein. Buch für Buch wird dem Leser das Quellen Material, welches für das gerade zu behandelnde Ereignis in Betracht kommt, vorgelegt, kritisch untersucht und die gegebene Dar¬ stellung gerechtfertigt. Es galt dabei eine Arbeit von nicht geringem Umfange zu erledigen. Einerseits war es die Aufgabe des Verfassers, an Stelle der poetischen Tradition, welche sich um Zielens Persönlichkeit gebildet und deren Hauptvertreterin Frau von Blumenthal ist, die einfache Wahrheit zu setze»; anderseits mußte namentlich das ganze Qucllenmaterial für die Kriegsgeschichte des fridericianischen Zeitalters geprüft werden, um das Eingreifen Zietens in den einzelnen Momenten richtig würdigen zu können. Für die interessanteste und wichtigste Epoche von Zietens Leben, die Zeit Friedrichs des Großen, hat man preußischerseits drei verschiedne „Traditionen" zu scheiden, die „fridericianische," deren Hauptvertreter Friedrichs eigne Denk¬ würdigkeiten sind, und deren Glaubwürdigkeit die historische Forschung immer ein¬ dringlicher hervorzuheben hat, die „Prinz Heiurichsche Tradition," vor allem niedergelegt in dem „Gandyschen Journal," und die „anhaltinische Tradition," welche es unternahm, den Ruhm der an diesen Kämpfen beteiligten anhalti- nischen Fürsten und Prinzen in ein möglichst Helles Licht zu stellen. Alle die der zweiten und dritten Gruppe angehörigen Memoirenwerke nehmen nicht bloß gegen Friedrich, sondern namentlich auch gegen seineu Liebling Winterfeldt eine äußerst gehässige Stellung ein. Zieten stand in keinem freundlichen, oft in einem entschieden feindlichen Verhältnisse zu Winterfeldt; es darf daher nicht verwundern, daß diese Memoiren alles Unrecht auf Winterfeldts Seite sahen und sich uicht scheuten, ein ganzes Jntrignenspiel Winterfeldts gegen Zieten zu erdichten. Nach Winterfeldts Tode, als Zieten der Vertraute Friedrichs wurde, äußern sie sich mit unverkennbarer Gehässigkeit gegen Zieten. Soweit die „preußische Tradition." Fernere Quellen waren die militärische Korrespondenz Friedrichs des Großen, deren Veröffentlichung, wie Winter mitteilt, bevorsteht, wenigstens soweit sie sich auf den siebenjährigen Krieg bezieht, die Briefe Zietens an den König und den Prinzen Heinrich. Von gegnerischer Seite kam eigentlich nur die „österreichische Tradition" in Betracht. Winter hat uns, wie wir schon eingangs hervorgehoben, zum erstenmale eine aus exakten, methodisch richtig aufgebauten Forschungen beruhende Lebens¬ geschichte eines Mannes aus der Heldenschaar Friedrichs gegeben, ein Beispiel,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/226>, abgerufen am 05.02.2025.