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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Hans Joachim von Zieten,

Mit unermeßlichen Jubel war Zieten, als er am 27. März 1763 an der
Spitze seines Husarenregimentes in Berlin einzog, vom Volke empfangen worden;
war er doch einer von den wenigen großen Führern, welche ans dem Ringen
der sieben Jahre glücklich wieder heimkehrten. Er war seitdem im preußischen
Heere nud Volke eine allbeliebte Persönlichkeit, Zahlreiche Porträts in Kupfer¬
stich und Holzschnitt wurden verbreitet; Bilder, wie der König den losen Spöttern
Schweige" auferlegt, welche sich über deu bei Tafel eingeschlafenen Greis lustig
machen wollen, oder Chvdowieciis Stich, welcher Zieten im Lehnstuhl vor Friedrich
dem Großen sitzend darstellt, fanden großen Absatz. schwanke und Anekdoten
von der unglaublichen Schnelligkeit, von der Kühnheit und Verschlagenheit des
alten Reiterführers wußte sich das Volk nicht genug zu erzählen. Ja es scheint,
als wenn die spätere Volkstradition die wahlverwandten Gestalten Zietens und
Blüchers hie und da mit einander verwechselt habe, so in den Erzählungen,
welche von einer grundsätzlichen Abneigung Zietens gegen die Arbeit mit der
Feder zu berichten wissen. In Gedichten und Liedern wurden seine Helden¬
thaten gefeiert und verherrlicht:


Joachim Haus von Zieten,
Husaren general,
Dem Feind die Stirne, bieten
Thät er wohl hundertmal,

heißt es in einem der bekanntesten. Gleim verfaßte eine Kantate "Der König
und Zielen," welche in Wcchselgesüngen und vierstimmigen? Chor den Ruhm des
Königs und seines Generals verkündet.

Diese allgemeine Beliebtheit wird auch seinen Lebensabend sicher verschönert
haben. Bis zu seinem letzten Lebenstage erfreute er sich des vollen Genusses
seiner geistige" Kräfte, wenn auch der Körper allmählich deutliche Spuren zu¬
nehmender Schwäche zeigte, wenn das Alter die schlanke, aufrechte Gestalt ge¬
beugt hatte und die Stimme schwächer und zum Kommando weniger tauglich
wurde; ein lebhaftes Interesse für seine Umgebung bewahrte er sich immer. Der
Gedanke an deu Tod kam ihm selten, und auch dann ohne Furcht. Ruhig
machte er sich auf deu Abschied gefaßt; "ich bin bereit, ich bin fertig, wenn
Gott will," äußerte er zu seinem Seelsorger, Still und friedlich, ohne langes
Leiden und Kämpfen, entschlief er am 27. Januar 1786 z" Berlin.

"Ich habe meinen wachsmumeu Zieten; er hat Kraft und Kühnheit; er ist
zufrieden, wenn er uur mit dem Feinde zum Schlagen kommen kann. Vor allem
aber hat er eine ganz singuläre Eigenschaft:... wenn er das Terrain gesehen,
macht er ausgezeichnete Dispositionen, und zwar mit einer Schnelligkeit, Ge¬
nauigkeit und Nichtigkeit, welche in Erstaunen setzt. Er braucht nur einen Augen¬
blick, um zu sehen und sich zu entscheiden," Mit diesen Worten hat Friedrich
der Große seinem Vorleser de Caet die Eigenart und Bedeutung Zietens charak-
terisirt.


Grenzboten I. 1.886. 28
Hans Joachim von Zieten,

Mit unermeßlichen Jubel war Zieten, als er am 27. März 1763 an der
Spitze seines Husarenregimentes in Berlin einzog, vom Volke empfangen worden;
war er doch einer von den wenigen großen Führern, welche ans dem Ringen
der sieben Jahre glücklich wieder heimkehrten. Er war seitdem im preußischen
Heere nud Volke eine allbeliebte Persönlichkeit, Zahlreiche Porträts in Kupfer¬
stich und Holzschnitt wurden verbreitet; Bilder, wie der König den losen Spöttern
Schweige» auferlegt, welche sich über deu bei Tafel eingeschlafenen Greis lustig
machen wollen, oder Chvdowieciis Stich, welcher Zieten im Lehnstuhl vor Friedrich
dem Großen sitzend darstellt, fanden großen Absatz. schwanke und Anekdoten
von der unglaublichen Schnelligkeit, von der Kühnheit und Verschlagenheit des
alten Reiterführers wußte sich das Volk nicht genug zu erzählen. Ja es scheint,
als wenn die spätere Volkstradition die wahlverwandten Gestalten Zietens und
Blüchers hie und da mit einander verwechselt habe, so in den Erzählungen,
welche von einer grundsätzlichen Abneigung Zietens gegen die Arbeit mit der
Feder zu berichten wissen. In Gedichten und Liedern wurden seine Helden¬
thaten gefeiert und verherrlicht:


Joachim Haus von Zieten,
Husaren general,
Dem Feind die Stirne, bieten
Thät er wohl hundertmal,

heißt es in einem der bekanntesten. Gleim verfaßte eine Kantate „Der König
und Zielen," welche in Wcchselgesüngen und vierstimmigen? Chor den Ruhm des
Königs und seines Generals verkündet.

Diese allgemeine Beliebtheit wird auch seinen Lebensabend sicher verschönert
haben. Bis zu seinem letzten Lebenstage erfreute er sich des vollen Genusses
seiner geistige» Kräfte, wenn auch der Körper allmählich deutliche Spuren zu¬
nehmender Schwäche zeigte, wenn das Alter die schlanke, aufrechte Gestalt ge¬
beugt hatte und die Stimme schwächer und zum Kommando weniger tauglich
wurde; ein lebhaftes Interesse für seine Umgebung bewahrte er sich immer. Der
Gedanke an deu Tod kam ihm selten, und auch dann ohne Furcht. Ruhig
machte er sich auf deu Abschied gefaßt; „ich bin bereit, ich bin fertig, wenn
Gott will," äußerte er zu seinem Seelsorger, Still und friedlich, ohne langes
Leiden und Kämpfen, entschlief er am 27. Januar 1786 z» Berlin.

„Ich habe meinen wachsmumeu Zieten; er hat Kraft und Kühnheit; er ist
zufrieden, wenn er uur mit dem Feinde zum Schlagen kommen kann. Vor allem
aber hat er eine ganz singuläre Eigenschaft:... wenn er das Terrain gesehen,
macht er ausgezeichnete Dispositionen, und zwar mit einer Schnelligkeit, Ge¬
nauigkeit und Nichtigkeit, welche in Erstaunen setzt. Er braucht nur einen Augen¬
blick, um zu sehen und sich zu entscheiden," Mit diesen Worten hat Friedrich
der Große seinem Vorleser de Caet die Eigenart und Bedeutung Zietens charak-
terisirt.


Grenzboten I. 1.886. 28
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[0225] Hans Joachim von Zieten, Mit unermeßlichen Jubel war Zieten, als er am 27. März 1763 an der Spitze seines Husarenregimentes in Berlin einzog, vom Volke empfangen worden; war er doch einer von den wenigen großen Führern, welche ans dem Ringen der sieben Jahre glücklich wieder heimkehrten. Er war seitdem im preußischen Heere nud Volke eine allbeliebte Persönlichkeit, Zahlreiche Porträts in Kupfer¬ stich und Holzschnitt wurden verbreitet; Bilder, wie der König den losen Spöttern Schweige» auferlegt, welche sich über deu bei Tafel eingeschlafenen Greis lustig machen wollen, oder Chvdowieciis Stich, welcher Zieten im Lehnstuhl vor Friedrich dem Großen sitzend darstellt, fanden großen Absatz. schwanke und Anekdoten von der unglaublichen Schnelligkeit, von der Kühnheit und Verschlagenheit des alten Reiterführers wußte sich das Volk nicht genug zu erzählen. Ja es scheint, als wenn die spätere Volkstradition die wahlverwandten Gestalten Zietens und Blüchers hie und da mit einander verwechselt habe, so in den Erzählungen, welche von einer grundsätzlichen Abneigung Zietens gegen die Arbeit mit der Feder zu berichten wissen. In Gedichten und Liedern wurden seine Helden¬ thaten gefeiert und verherrlicht: Joachim Haus von Zieten, Husaren general, Dem Feind die Stirne, bieten Thät er wohl hundertmal, heißt es in einem der bekanntesten. Gleim verfaßte eine Kantate „Der König und Zielen," welche in Wcchselgesüngen und vierstimmigen? Chor den Ruhm des Königs und seines Generals verkündet. Diese allgemeine Beliebtheit wird auch seinen Lebensabend sicher verschönert haben. Bis zu seinem letzten Lebenstage erfreute er sich des vollen Genusses seiner geistige» Kräfte, wenn auch der Körper allmählich deutliche Spuren zu¬ nehmender Schwäche zeigte, wenn das Alter die schlanke, aufrechte Gestalt ge¬ beugt hatte und die Stimme schwächer und zum Kommando weniger tauglich wurde; ein lebhaftes Interesse für seine Umgebung bewahrte er sich immer. Der Gedanke an deu Tod kam ihm selten, und auch dann ohne Furcht. Ruhig machte er sich auf deu Abschied gefaßt; „ich bin bereit, ich bin fertig, wenn Gott will," äußerte er zu seinem Seelsorger, Still und friedlich, ohne langes Leiden und Kämpfen, entschlief er am 27. Januar 1786 z» Berlin. „Ich habe meinen wachsmumeu Zieten; er hat Kraft und Kühnheit; er ist zufrieden, wenn er uur mit dem Feinde zum Schlagen kommen kann. Vor allem aber hat er eine ganz singuläre Eigenschaft:... wenn er das Terrain gesehen, macht er ausgezeichnete Dispositionen, und zwar mit einer Schnelligkeit, Ge¬ nauigkeit und Nichtigkeit, welche in Erstaunen setzt. Er braucht nur einen Augen¬ blick, um zu sehen und sich zu entscheiden," Mit diesen Worten hat Friedrich der Große seinem Vorleser de Caet die Eigenart und Bedeutung Zietens charak- terisirt. Grenzboten I. 1.886. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/225>, abgerufen am 05.02.2025.