Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Hans Joachim von Zieten. bittersten Klagen über die eins ihm lastende königliche Ungnade aus! Des eignen Hans Joachim von Zieten. bittersten Klagen über die eins ihm lastende königliche Ungnade aus! Des eignen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197646"/> <fw type="header" place="top"> Hans Joachim von Zieten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656" next="#ID_658"> bittersten Klagen über die eins ihm lastende königliche Ungnade aus! Des eignen<lb/> Wertes sich lvohl bewußt, war ihm aber doch die Anerkennung und unbefangne<lb/> Würdigung fremden Verdienstes jeder Zeit ein wahres Herzensbedürfnis. Hatte<lb/> er selbständig irgendeinen Erfolg errungen, so pflegte er einen großen Teil des<lb/> Verdienstes seinen Offizieren zuzuschreiben; nicht leicht verabsäumte er, eine<lb/> bisher unbeachtet gebliebne verdienstliche That eines andern zu der ihr ge¬<lb/> bührenden Anerkennung zu verhelfen. Zwischen ihm und seinen Truppen, in<lb/> erster Linie natürlich seinem Regimente, bestand nicht bloß ein dienstliches Ver¬<lb/> hältnis, sondern es hatte sich namentlich in den jahrelangen Kämpfen ein mehr<lb/> oder minder persönliches ausgebildet. Seine Beliebtheit bei den Soldaten ver¬<lb/> dankte er ebenso sehr seinen soldatischen wie seinen rein menschlichen Tugenden.<lb/> Er fand nicht nur militärischen Gehorsam, sondern allgemeine Verehrung; der<lb/> Gemeine setzte auf ihn unbedingtes Vertrauen. Allen voran den Degen in der<lb/> Faust hatten sie ihn so oft auf deu Feind einstürmen sehen und waren nicht<lb/> minder Zeugen der liebevollen Fürsorge gewesen, womit er sür das Wohl¬<lb/> befinden seiner Truppen Sorge trug, für Verwundete und Kranke gute Laza-<lb/> rete einrichtete und sich insbesondre der Invaliden und Hinterlassenen der Ge-<lb/> fallnen annahm. Eben weil er in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war,<lb/> besaß er für solche Bedrängnisse anch bei andern ein großes Verständnis. Offi¬<lb/> zieren, welche aus irgendeinem Grunde zum Dienste bei den Husaren nicht recht<lb/> geeignet, aber sonst tüchtige Männer waren, wußte er passende Verwendung bei<lb/> andern Truppenteilen zu verschaffen; unermüdlich sucht er für seine Offiziere<lb/> um Beförderung oder um Zuschuß nach. Der letzte Brief, deu er wenige Tage<lb/> vor seinem Tode an den König richtete, enthielt eine Bitte für einen seiner<lb/> Offiziere. Der Rittmeister, welchem er seine Kassation zu verdanken hatte, stellte<lb/> sich als Hilfeflehender bei ihm ein; er war während des ersten schlesischen<lb/> Krieges entlassen worden und befand sich in völlig hilfloser Lage. Zieten unter¬<lb/> drückte jede Regung des Triumphes und gewährte die erbetene Unterstützung.<lb/> In der Handhabung der Disziplin unnachsichtlich, wenn er im Felde stand, ließ<lb/> er in Friedenszeiten die Zügel locker. Friedrich der Große hat wegen dieser<lb/> allzu großen Nachsicht mehrfach vollständig gerechtfertigten Tadel über ihn aus¬<lb/> sprechen müssen, weder unter den Offizieren noch unter der Mannschaft fand<lb/> sich die gewünschte Ordnung; es werden zwar keine größern Vergehen gerügt,<lb/> aber an der nötigen Sorgfalt in der Überwachung ließ es der Regimentschef<lb/> doch fehlen. Eigentümlich ist ihm in dieser harten, rauhen Zeit ein Zug auf¬<lb/> richtiger Herzensgüte und sorglicher Teilnahme. Als er im Winter von 1756<lb/> auf 1757 in sächsischen Quartieren lag, suchte er die Not der armen Gebirgs¬<lb/> bewohner nach Möglichkeit zu lindern. Er macht den König darauf aufmerksam,<lb/> daß er bisher Bedenken getragen habe, die Wege nach dem ihm gewordnen Be¬<lb/> setzte zu verhauen, weil dadurch deu armen Erzgebirgeru, bei denen sowieso<lb/> schon Mangel an Lebensmitteln herrsche, der letzte Weg, sich Getreide zu ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Hans Joachim von Zieten.
bittersten Klagen über die eins ihm lastende königliche Ungnade aus! Des eignen
Wertes sich lvohl bewußt, war ihm aber doch die Anerkennung und unbefangne
Würdigung fremden Verdienstes jeder Zeit ein wahres Herzensbedürfnis. Hatte
er selbständig irgendeinen Erfolg errungen, so pflegte er einen großen Teil des
Verdienstes seinen Offizieren zuzuschreiben; nicht leicht verabsäumte er, eine
bisher unbeachtet gebliebne verdienstliche That eines andern zu der ihr ge¬
bührenden Anerkennung zu verhelfen. Zwischen ihm und seinen Truppen, in
erster Linie natürlich seinem Regimente, bestand nicht bloß ein dienstliches Ver¬
hältnis, sondern es hatte sich namentlich in den jahrelangen Kämpfen ein mehr
oder minder persönliches ausgebildet. Seine Beliebtheit bei den Soldaten ver¬
dankte er ebenso sehr seinen soldatischen wie seinen rein menschlichen Tugenden.
Er fand nicht nur militärischen Gehorsam, sondern allgemeine Verehrung; der
Gemeine setzte auf ihn unbedingtes Vertrauen. Allen voran den Degen in der
Faust hatten sie ihn so oft auf deu Feind einstürmen sehen und waren nicht
minder Zeugen der liebevollen Fürsorge gewesen, womit er sür das Wohl¬
befinden seiner Truppen Sorge trug, für Verwundete und Kranke gute Laza-
rete einrichtete und sich insbesondre der Invaliden und Hinterlassenen der Ge-
fallnen annahm. Eben weil er in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war,
besaß er für solche Bedrängnisse anch bei andern ein großes Verständnis. Offi¬
zieren, welche aus irgendeinem Grunde zum Dienste bei den Husaren nicht recht
geeignet, aber sonst tüchtige Männer waren, wußte er passende Verwendung bei
andern Truppenteilen zu verschaffen; unermüdlich sucht er für seine Offiziere
um Beförderung oder um Zuschuß nach. Der letzte Brief, deu er wenige Tage
vor seinem Tode an den König richtete, enthielt eine Bitte für einen seiner
Offiziere. Der Rittmeister, welchem er seine Kassation zu verdanken hatte, stellte
sich als Hilfeflehender bei ihm ein; er war während des ersten schlesischen
Krieges entlassen worden und befand sich in völlig hilfloser Lage. Zieten unter¬
drückte jede Regung des Triumphes und gewährte die erbetene Unterstützung.
In der Handhabung der Disziplin unnachsichtlich, wenn er im Felde stand, ließ
er in Friedenszeiten die Zügel locker. Friedrich der Große hat wegen dieser
allzu großen Nachsicht mehrfach vollständig gerechtfertigten Tadel über ihn aus¬
sprechen müssen, weder unter den Offizieren noch unter der Mannschaft fand
sich die gewünschte Ordnung; es werden zwar keine größern Vergehen gerügt,
aber an der nötigen Sorgfalt in der Überwachung ließ es der Regimentschef
doch fehlen. Eigentümlich ist ihm in dieser harten, rauhen Zeit ein Zug auf¬
richtiger Herzensgüte und sorglicher Teilnahme. Als er im Winter von 1756
auf 1757 in sächsischen Quartieren lag, suchte er die Not der armen Gebirgs¬
bewohner nach Möglichkeit zu lindern. Er macht den König darauf aufmerksam,
daß er bisher Bedenken getragen habe, die Wege nach dem ihm gewordnen Be¬
setzte zu verhauen, weil dadurch deu armen Erzgebirgeru, bei denen sowieso
schon Mangel an Lebensmitteln herrsche, der letzte Weg, sich Getreide zu ver-
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