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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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übertroffene Meisten in der Führung des kleinen Krieges, in welchem er -- im
Kampfe "um Heu und Lorbcren," wie Friedrich es einmal nennt -- seine Kraft
nud Geschicklichkeit unzählige male erwiesen hat, gewohnt, mit einem Blicke
Schwächen und Vorteile des Terrains und des Gefechtes zu übersehen, setzte er
im Angenblicke der Gefahr als echter Reitersmann das Wagen über das Wägen,
war unermüdlich im Wachen, Erkunden und Spähen, stürzte blitzesschnell, in
stürmischem Anprall auf den Feind und war weder durch Erfolge übermütig
zu machen, noch durch Mißgeschick einzuschüchtern. Mit geringer Mannschaft
hielt er dem Stoße des übermächtigen Gegners Stand und wußte ihn über die
eigne Absicht zu täuschen und hinzuhalten.


Der Zielen immer erster, wen" Preußen avancirt,
Hingegen immer letzter, wenn Preußen retirirt,

so rühmt ihn das Lied, Der Rede nicht unmächtig, ritt auch er, wie der König
selbst, am Vorabende großer Kämpfe im Lager umher, um die Truppen an¬
zureden und zu ermutigen; durch leutselige Unterhaltung verstand er gerade den
gemeinen Mann für die große Sache zu begeistern, wie in den Tagen des
Unglücks das Verlorne Vertrauen auf den Sieg wieder zu erwecken. Aus den
zahlreichen Berichten an den König, niedergeschrieben mit seiner festen, ener¬
gischen Handschrift, tritt uns die feine Beobachtungsgabe, die scharfe Urteilskraft,
das Geschick und die Aufmerksamkeit entgegen, mit welcher er jeder Bewegung
des Feindes folgt. Er beschränkt sich keineswegs auf die bloße äußerliche Be¬
richterstattung, er teilt anch seine Ansicht über den Endzweck und die Bedeutung
der gegnerischen Operationen mit; einem aufmerksamen Beobachter wird an
diesen Schreiben die schlichte, anspruchslose, gedrängte Fassung ebenso wenig ent¬
gehen wie die -- in Anbetracht der Zeit und insbesondre des Gegenstandes --
hervorragende Reinheit der Sprache. Zum selbständigen Führer eines größern
gemischten Truppenverbmides war er weniger geeignet; als solcher läßt er etwas
die sonstige rasche Entschlossenheit und das energische Bestreben, zum Schlagen
zu kommen, vermissen. In dieser Beziehung hat, wie uns scheint, selbst Winters
warme Verteidigung sein Verhalten bei Torgau uicht vollständig rechtfertigen
können.

Eine der trübsten Erfahrungen seines Lebens war, wie er mehrfach ge¬
äußert hat, daß ihn 1778 Friedrich wegen seines Alters uicht wieder mit ins
Feld nahm. Da saß er aber doch zu Hause über Karten und Plänen und
verfolgte deu Gang des Krieges mit gespannter Aufmerksamkeit. Aber unge¬
achtet aller Begeisterung für den Krieg jubelte er auf, als endlich "ein glvrieuser
Friede" zu nahen schien.

Bei seinem leicht aufbrausenden Temperament und bei seiner übertriebnen
Empfindlichkeit erregte ihn in stürmischen Jünglingsjahre", ja weit bis ins reife
Mannesalter hinein jede vermeintliche Zurücksetzung und Kränkung aufs äußerste;
wie oft glaubt er sich im Avancement Übergängen und bricht dann in die


übertroffene Meisten in der Führung des kleinen Krieges, in welchem er — im
Kampfe „um Heu und Lorbcren," wie Friedrich es einmal nennt — seine Kraft
nud Geschicklichkeit unzählige male erwiesen hat, gewohnt, mit einem Blicke
Schwächen und Vorteile des Terrains und des Gefechtes zu übersehen, setzte er
im Angenblicke der Gefahr als echter Reitersmann das Wagen über das Wägen,
war unermüdlich im Wachen, Erkunden und Spähen, stürzte blitzesschnell, in
stürmischem Anprall auf den Feind und war weder durch Erfolge übermütig
zu machen, noch durch Mißgeschick einzuschüchtern. Mit geringer Mannschaft
hielt er dem Stoße des übermächtigen Gegners Stand und wußte ihn über die
eigne Absicht zu täuschen und hinzuhalten.


Der Zielen immer erster, wen» Preußen avancirt,
Hingegen immer letzter, wenn Preußen retirirt,

so rühmt ihn das Lied, Der Rede nicht unmächtig, ritt auch er, wie der König
selbst, am Vorabende großer Kämpfe im Lager umher, um die Truppen an¬
zureden und zu ermutigen; durch leutselige Unterhaltung verstand er gerade den
gemeinen Mann für die große Sache zu begeistern, wie in den Tagen des
Unglücks das Verlorne Vertrauen auf den Sieg wieder zu erwecken. Aus den
zahlreichen Berichten an den König, niedergeschrieben mit seiner festen, ener¬
gischen Handschrift, tritt uns die feine Beobachtungsgabe, die scharfe Urteilskraft,
das Geschick und die Aufmerksamkeit entgegen, mit welcher er jeder Bewegung
des Feindes folgt. Er beschränkt sich keineswegs auf die bloße äußerliche Be¬
richterstattung, er teilt anch seine Ansicht über den Endzweck und die Bedeutung
der gegnerischen Operationen mit; einem aufmerksamen Beobachter wird an
diesen Schreiben die schlichte, anspruchslose, gedrängte Fassung ebenso wenig ent¬
gehen wie die — in Anbetracht der Zeit und insbesondre des Gegenstandes —
hervorragende Reinheit der Sprache. Zum selbständigen Führer eines größern
gemischten Truppenverbmides war er weniger geeignet; als solcher läßt er etwas
die sonstige rasche Entschlossenheit und das energische Bestreben, zum Schlagen
zu kommen, vermissen. In dieser Beziehung hat, wie uns scheint, selbst Winters
warme Verteidigung sein Verhalten bei Torgau uicht vollständig rechtfertigen
können.

Eine der trübsten Erfahrungen seines Lebens war, wie er mehrfach ge¬
äußert hat, daß ihn 1778 Friedrich wegen seines Alters uicht wieder mit ins
Feld nahm. Da saß er aber doch zu Hause über Karten und Plänen und
verfolgte deu Gang des Krieges mit gespannter Aufmerksamkeit. Aber unge¬
achtet aller Begeisterung für den Krieg jubelte er auf, als endlich „ein glvrieuser
Friede" zu nahen schien.

Bei seinem leicht aufbrausenden Temperament und bei seiner übertriebnen
Empfindlichkeit erregte ihn in stürmischen Jünglingsjahre», ja weit bis ins reife
Mannesalter hinein jede vermeintliche Zurücksetzung und Kränkung aufs äußerste;
wie oft glaubt er sich im Avancement Übergängen und bricht dann in die


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[0221] übertroffene Meisten in der Führung des kleinen Krieges, in welchem er — im Kampfe „um Heu und Lorbcren," wie Friedrich es einmal nennt — seine Kraft nud Geschicklichkeit unzählige male erwiesen hat, gewohnt, mit einem Blicke Schwächen und Vorteile des Terrains und des Gefechtes zu übersehen, setzte er im Angenblicke der Gefahr als echter Reitersmann das Wagen über das Wägen, war unermüdlich im Wachen, Erkunden und Spähen, stürzte blitzesschnell, in stürmischem Anprall auf den Feind und war weder durch Erfolge übermütig zu machen, noch durch Mißgeschick einzuschüchtern. Mit geringer Mannschaft hielt er dem Stoße des übermächtigen Gegners Stand und wußte ihn über die eigne Absicht zu täuschen und hinzuhalten. Der Zielen immer erster, wen» Preußen avancirt, Hingegen immer letzter, wenn Preußen retirirt, so rühmt ihn das Lied, Der Rede nicht unmächtig, ritt auch er, wie der König selbst, am Vorabende großer Kämpfe im Lager umher, um die Truppen an¬ zureden und zu ermutigen; durch leutselige Unterhaltung verstand er gerade den gemeinen Mann für die große Sache zu begeistern, wie in den Tagen des Unglücks das Verlorne Vertrauen auf den Sieg wieder zu erwecken. Aus den zahlreichen Berichten an den König, niedergeschrieben mit seiner festen, ener¬ gischen Handschrift, tritt uns die feine Beobachtungsgabe, die scharfe Urteilskraft, das Geschick und die Aufmerksamkeit entgegen, mit welcher er jeder Bewegung des Feindes folgt. Er beschränkt sich keineswegs auf die bloße äußerliche Be¬ richterstattung, er teilt anch seine Ansicht über den Endzweck und die Bedeutung der gegnerischen Operationen mit; einem aufmerksamen Beobachter wird an diesen Schreiben die schlichte, anspruchslose, gedrängte Fassung ebenso wenig ent¬ gehen wie die — in Anbetracht der Zeit und insbesondre des Gegenstandes — hervorragende Reinheit der Sprache. Zum selbständigen Führer eines größern gemischten Truppenverbmides war er weniger geeignet; als solcher läßt er etwas die sonstige rasche Entschlossenheit und das energische Bestreben, zum Schlagen zu kommen, vermissen. In dieser Beziehung hat, wie uns scheint, selbst Winters warme Verteidigung sein Verhalten bei Torgau uicht vollständig rechtfertigen können. Eine der trübsten Erfahrungen seines Lebens war, wie er mehrfach ge¬ äußert hat, daß ihn 1778 Friedrich wegen seines Alters uicht wieder mit ins Feld nahm. Da saß er aber doch zu Hause über Karten und Plänen und verfolgte deu Gang des Krieges mit gespannter Aufmerksamkeit. Aber unge¬ achtet aller Begeisterung für den Krieg jubelte er auf, als endlich „ein glvrieuser Friede" zu nahen schien. Bei seinem leicht aufbrausenden Temperament und bei seiner übertriebnen Empfindlichkeit erregte ihn in stürmischen Jünglingsjahre», ja weit bis ins reife Mannesalter hinein jede vermeintliche Zurücksetzung und Kränkung aufs äußerste; wie oft glaubt er sich im Avancement Übergängen und bricht dann in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/221>, abgerufen am 05.02.2025.