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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die hcmuoverscho Gesellschaft,

Uebrigens repräsentirte nur in Celle, der hannoverschen Juristen- und
Vcnmteustadt x^r vxoollovLv, der dortige erste Klub -- der adliche Klub, wie er
im Munde des Volkes hieß -- zu gleicher Zeit die erste Gesellschaft der Stadt.
Ihm gehörten die Präsidenten und Räte der beiden dort befindlichen Gerichte
an, außerdem die höhern Verwaltungsbeamten, die Generalität, die Offiziere
der beiden in Celle garnisvnirenden Regimenter, wie die Offiziere außer Dienst
und die Mitglieder einiger dort wohnenden adlichen Familien, welche den Aufent¬
halt in Celle dem in Hannover vorzogen. Ihnen schlössen sich einige Ärzte an,
während der größte Teil derselben, die sämtlichen Rechtsanwälte, die Lehrer,
die reichen Bankiers und Kaufleute die zweite Gesellschaft bildeten, deren Mittel¬
punkt ebenfalls ein Klub war. Daß zwischen seinen Mitgliedern und denen des
ersten eine gewisse Rivalität stattfand, ist nicht zu leugnen. Doch wurde gerade
in Celle, und zwar aus dem Kreise der ersten Gesellschaft heraus, der
Versuch gemacht, die gar zu enge Fessel zu sprengen, welche Sitte und Her¬
kommen um beide Kreise gelegt hatte, ein Versuch, der sich auch nicht unerheb¬
licher Erfolge rühmen konnte, im großen und ganzen aber doch den gehegten
Erwartungen nicht entsprach.

In den andern größern hannoverschen Städten, in Hildesheim, Osnabrück,
Lüneburg ?c. hatten sich dagegen beide gesellschaftlichen Kreise von vornherein
so weit genähert, daß ihre männlichen Mitglieder demselben Klub angehörten
und daß sie mit ihren Familien die von ihm veranstalteten geselligen Ver¬
gnügungen besuchten; leugnen läßt sich aber nicht, daß der Gegensatz zwischen
erster und zweiter Gesellschaft in diesen Vereinigungen fortbestand, und daß eine
vollständige Verschmelzung beider niemals stattgefunden hat.

Auf den Klubs selbst begegnete man sich gegenseitig stets mit der größten
Urbanität, dafür sorgten schou die Formen, in denen der Hannoveraner Meister
ist und auf die englischer Einfluß mächtig gewirkt hat.

Während der französischen Okkupation hatte eine massenhafte Aus¬
wanderung hannoverscher Offiziere und Beamten nach England stattgefunden.
Infolge des Sturzes der Fremdherrschaft kehrten sie in die Heimat zurück.
Aus der englisch-deutschen Legion traten bei der nach den Freiheitskriegen
erfolgten neuen Formation der hannoverschen Armee fünf Kavallerieregimenter,
die Artillerie und das Jngenieurkorps geschlossen in dieselbe ein, während
aus ihrer Infanterie drei Garde-Grenadier- und ein Garde-Jägerbataillon
formirt wurden. Die Offizierkorps dieser Truppcnabtcilungen bestanden fast
ausschließlich aus ehemaligen Legionären. Peknniär waren sie ausgezeichnet
gestellt. Gemeinsam bestandne Gefahren und Abenteuer verbanden sie durch ein
festes kameradschaftliches Band. So war es ihnen denn ein leichtes, die Sitten
und Gebräuche, welche ihnen in der Ferne lieb geworden waren, in die Heimat
zu verpflanzen. Sie waren es, die mit den "Messen", d. h. mit den gemein¬
samen Speisetischcn der Offiziere eines Regiments, eine militärische Institution


Die hcmuoverscho Gesellschaft,

Uebrigens repräsentirte nur in Celle, der hannoverschen Juristen- und
Vcnmteustadt x^r vxoollovLv, der dortige erste Klub — der adliche Klub, wie er
im Munde des Volkes hieß — zu gleicher Zeit die erste Gesellschaft der Stadt.
Ihm gehörten die Präsidenten und Räte der beiden dort befindlichen Gerichte
an, außerdem die höhern Verwaltungsbeamten, die Generalität, die Offiziere
der beiden in Celle garnisvnirenden Regimenter, wie die Offiziere außer Dienst
und die Mitglieder einiger dort wohnenden adlichen Familien, welche den Aufent¬
halt in Celle dem in Hannover vorzogen. Ihnen schlössen sich einige Ärzte an,
während der größte Teil derselben, die sämtlichen Rechtsanwälte, die Lehrer,
die reichen Bankiers und Kaufleute die zweite Gesellschaft bildeten, deren Mittel¬
punkt ebenfalls ein Klub war. Daß zwischen seinen Mitgliedern und denen des
ersten eine gewisse Rivalität stattfand, ist nicht zu leugnen. Doch wurde gerade
in Celle, und zwar aus dem Kreise der ersten Gesellschaft heraus, der
Versuch gemacht, die gar zu enge Fessel zu sprengen, welche Sitte und Her¬
kommen um beide Kreise gelegt hatte, ein Versuch, der sich auch nicht unerheb¬
licher Erfolge rühmen konnte, im großen und ganzen aber doch den gehegten
Erwartungen nicht entsprach.

In den andern größern hannoverschen Städten, in Hildesheim, Osnabrück,
Lüneburg ?c. hatten sich dagegen beide gesellschaftlichen Kreise von vornherein
so weit genähert, daß ihre männlichen Mitglieder demselben Klub angehörten
und daß sie mit ihren Familien die von ihm veranstalteten geselligen Ver¬
gnügungen besuchten; leugnen läßt sich aber nicht, daß der Gegensatz zwischen
erster und zweiter Gesellschaft in diesen Vereinigungen fortbestand, und daß eine
vollständige Verschmelzung beider niemals stattgefunden hat.

Auf den Klubs selbst begegnete man sich gegenseitig stets mit der größten
Urbanität, dafür sorgten schou die Formen, in denen der Hannoveraner Meister
ist und auf die englischer Einfluß mächtig gewirkt hat.

Während der französischen Okkupation hatte eine massenhafte Aus¬
wanderung hannoverscher Offiziere und Beamten nach England stattgefunden.
Infolge des Sturzes der Fremdherrschaft kehrten sie in die Heimat zurück.
Aus der englisch-deutschen Legion traten bei der nach den Freiheitskriegen
erfolgten neuen Formation der hannoverschen Armee fünf Kavallerieregimenter,
die Artillerie und das Jngenieurkorps geschlossen in dieselbe ein, während
aus ihrer Infanterie drei Garde-Grenadier- und ein Garde-Jägerbataillon
formirt wurden. Die Offizierkorps dieser Truppcnabtcilungen bestanden fast
ausschließlich aus ehemaligen Legionären. Peknniär waren sie ausgezeichnet
gestellt. Gemeinsam bestandne Gefahren und Abenteuer verbanden sie durch ein
festes kameradschaftliches Band. So war es ihnen denn ein leichtes, die Sitten
und Gebräuche, welche ihnen in der Ferne lieb geworden waren, in die Heimat
zu verpflanzen. Sie waren es, die mit den „Messen", d. h. mit den gemein¬
samen Speisetischcn der Offiziere eines Regiments, eine militärische Institution


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[0021] Die hcmuoverscho Gesellschaft, Uebrigens repräsentirte nur in Celle, der hannoverschen Juristen- und Vcnmteustadt x^r vxoollovLv, der dortige erste Klub — der adliche Klub, wie er im Munde des Volkes hieß — zu gleicher Zeit die erste Gesellschaft der Stadt. Ihm gehörten die Präsidenten und Räte der beiden dort befindlichen Gerichte an, außerdem die höhern Verwaltungsbeamten, die Generalität, die Offiziere der beiden in Celle garnisvnirenden Regimenter, wie die Offiziere außer Dienst und die Mitglieder einiger dort wohnenden adlichen Familien, welche den Aufent¬ halt in Celle dem in Hannover vorzogen. Ihnen schlössen sich einige Ärzte an, während der größte Teil derselben, die sämtlichen Rechtsanwälte, die Lehrer, die reichen Bankiers und Kaufleute die zweite Gesellschaft bildeten, deren Mittel¬ punkt ebenfalls ein Klub war. Daß zwischen seinen Mitgliedern und denen des ersten eine gewisse Rivalität stattfand, ist nicht zu leugnen. Doch wurde gerade in Celle, und zwar aus dem Kreise der ersten Gesellschaft heraus, der Versuch gemacht, die gar zu enge Fessel zu sprengen, welche Sitte und Her¬ kommen um beide Kreise gelegt hatte, ein Versuch, der sich auch nicht unerheb¬ licher Erfolge rühmen konnte, im großen und ganzen aber doch den gehegten Erwartungen nicht entsprach. In den andern größern hannoverschen Städten, in Hildesheim, Osnabrück, Lüneburg ?c. hatten sich dagegen beide gesellschaftlichen Kreise von vornherein so weit genähert, daß ihre männlichen Mitglieder demselben Klub angehörten und daß sie mit ihren Familien die von ihm veranstalteten geselligen Ver¬ gnügungen besuchten; leugnen läßt sich aber nicht, daß der Gegensatz zwischen erster und zweiter Gesellschaft in diesen Vereinigungen fortbestand, und daß eine vollständige Verschmelzung beider niemals stattgefunden hat. Auf den Klubs selbst begegnete man sich gegenseitig stets mit der größten Urbanität, dafür sorgten schou die Formen, in denen der Hannoveraner Meister ist und auf die englischer Einfluß mächtig gewirkt hat. Während der französischen Okkupation hatte eine massenhafte Aus¬ wanderung hannoverscher Offiziere und Beamten nach England stattgefunden. Infolge des Sturzes der Fremdherrschaft kehrten sie in die Heimat zurück. Aus der englisch-deutschen Legion traten bei der nach den Freiheitskriegen erfolgten neuen Formation der hannoverschen Armee fünf Kavallerieregimenter, die Artillerie und das Jngenieurkorps geschlossen in dieselbe ein, während aus ihrer Infanterie drei Garde-Grenadier- und ein Garde-Jägerbataillon formirt wurden. Die Offizierkorps dieser Truppcnabtcilungen bestanden fast ausschließlich aus ehemaligen Legionären. Peknniär waren sie ausgezeichnet gestellt. Gemeinsam bestandne Gefahren und Abenteuer verbanden sie durch ein festes kameradschaftliches Band. So war es ihnen denn ein leichtes, die Sitten und Gebräuche, welche ihnen in der Ferne lieb geworden waren, in die Heimat zu verpflanzen. Sie waren es, die mit den „Messen", d. h. mit den gemein¬ samen Speisetischcn der Offiziere eines Regiments, eine militärische Institution

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/21>, abgerufen am 05.02.2025.