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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.

daß Euer Stolz die Annahme solcher Gabe verschmäht, Wohl aber müßt Ihr
mir erlauben, daß ich Euch mit Hilfe einiger braven Bürger von Cintra aus¬
statte, ich stehe noch von Pcmtschim her in Eurer Schuld, Ihr dürft durchaus
nicht trotzen, erinnert Euch nur, ich habe damals aus Eurer Beute die reichsten
Gewänder und Seidenstoffe ohne ein Wort der Widerrede angenommen.

Wie vielemale begehrt Ihr denn in Eurer Großmut Eure Schulden zurück¬
zuzahlen, Senhor Manuel? rief Camoens. Doch Ihr habt mir heute schon
einen so großen Dienst geleistet, daß der kleinere daneben kaum in Anschlag
kommt -- ich füge mich Euerm freundschaftlichen Willen. Jetzt aber sagt mir,
da Ihr doch schon ein Stück Tag hinter Euch habt, wißt Ihr auch bereits
etwas von droben?

Statt der Antwort trat Barreto vom Steingang in Camoens Schlafgemach
und flüsterte ihm nur ein kurzes: Alles steht gut! zu. Dann fügte er laut
hinzu: Wir haben einen langen Morgen vor uns, Freund Luis, erst um sechs
Uhr will der König Euch und mich sehen.

Wir thun vorher einen Ritt in die Berge? fragte Camoens, der den
Blick des Freundes nach den Holzwänden, welche die einzelnen Gemächer von
einander trennten, wohl verstanden hatte.

Ich denke nicht, Luis! gab Barreto jetzt laut zur Antwort. Wir müssen
uns heute in Cintra halten, und bevor Ihr den König sehen könnt, einigen
Herren, die um ihn sind, die schuldige Ehrerbietung erweisen. Unsre Freunde
in Santa Cruz können wir an jedem andern Tage besuchen, das alte Kloster
steht fest, und wir finden es immer wieder.

Camoens, der sich inzwischen angekleidet hatte, ließ das Gespräch fallen,
er begriff jetzt völlig die Meinung Barretos. Der Zufall schien auch die Vorsicht
desselben rechtfertigen zu wollen. Denn in dem Augenblicke, wo die beiden
Freunde aus der Thür auf den Gang traten, verließen ihre Nachbarn, die
Spanier von der Gesandtschaft, ihre Gemächer und schritten der großen Außen¬
treppe zu. Sie grüßten, als sie Varretos und Camoens' ansichtig wurden, mit
zurückhaltender Würde und trugen völlige Gleichgiltigkeit zur Schau, sodaß
Camoens mit halb ungläubiger Miene den ältern Freund hinter den verschwin¬
denden Spaniern dreinmurmeln hörte: Sie wissen alles und fangen alles auf,
und wenn Ihr im Traum gesprochen habt, Luis, so ists bei ihnen gebucht!
Laßt uns einen Morgentrunk thun und darnach das Freie suchen!

Eine halbe Stunde später verließen Camoens und Barreto den gastlichen
Hos Bartolomeos. Sie schlugen den Weg dnrch die Hauptstraße des Fleckens
nach dem Königspalaste ein, der, an die Bergwand gelehnt, in ernster Pracht
auf die Häuser und Gärten von Cintra herabschaute. Die Morgensonne blitzte in
den unabsehbaren Fensterreihen des Schlosses und umspielte Säulen und Simse.
Camoens richtete seine Blicke unverwandt nach dem mächtigen Bau und seinen
breiten, mit hochstämmigen Laubbäumen bepflanzten Terrassen, So lange war


Camoens.

daß Euer Stolz die Annahme solcher Gabe verschmäht, Wohl aber müßt Ihr
mir erlauben, daß ich Euch mit Hilfe einiger braven Bürger von Cintra aus¬
statte, ich stehe noch von Pcmtschim her in Eurer Schuld, Ihr dürft durchaus
nicht trotzen, erinnert Euch nur, ich habe damals aus Eurer Beute die reichsten
Gewänder und Seidenstoffe ohne ein Wort der Widerrede angenommen.

Wie vielemale begehrt Ihr denn in Eurer Großmut Eure Schulden zurück¬
zuzahlen, Senhor Manuel? rief Camoens. Doch Ihr habt mir heute schon
einen so großen Dienst geleistet, daß der kleinere daneben kaum in Anschlag
kommt — ich füge mich Euerm freundschaftlichen Willen. Jetzt aber sagt mir,
da Ihr doch schon ein Stück Tag hinter Euch habt, wißt Ihr auch bereits
etwas von droben?

Statt der Antwort trat Barreto vom Steingang in Camoens Schlafgemach
und flüsterte ihm nur ein kurzes: Alles steht gut! zu. Dann fügte er laut
hinzu: Wir haben einen langen Morgen vor uns, Freund Luis, erst um sechs
Uhr will der König Euch und mich sehen.

Wir thun vorher einen Ritt in die Berge? fragte Camoens, der den
Blick des Freundes nach den Holzwänden, welche die einzelnen Gemächer von
einander trennten, wohl verstanden hatte.

Ich denke nicht, Luis! gab Barreto jetzt laut zur Antwort. Wir müssen
uns heute in Cintra halten, und bevor Ihr den König sehen könnt, einigen
Herren, die um ihn sind, die schuldige Ehrerbietung erweisen. Unsre Freunde
in Santa Cruz können wir an jedem andern Tage besuchen, das alte Kloster
steht fest, und wir finden es immer wieder.

Camoens, der sich inzwischen angekleidet hatte, ließ das Gespräch fallen,
er begriff jetzt völlig die Meinung Barretos. Der Zufall schien auch die Vorsicht
desselben rechtfertigen zu wollen. Denn in dem Augenblicke, wo die beiden
Freunde aus der Thür auf den Gang traten, verließen ihre Nachbarn, die
Spanier von der Gesandtschaft, ihre Gemächer und schritten der großen Außen¬
treppe zu. Sie grüßten, als sie Varretos und Camoens' ansichtig wurden, mit
zurückhaltender Würde und trugen völlige Gleichgiltigkeit zur Schau, sodaß
Camoens mit halb ungläubiger Miene den ältern Freund hinter den verschwin¬
denden Spaniern dreinmurmeln hörte: Sie wissen alles und fangen alles auf,
und wenn Ihr im Traum gesprochen habt, Luis, so ists bei ihnen gebucht!
Laßt uns einen Morgentrunk thun und darnach das Freie suchen!

Eine halbe Stunde später verließen Camoens und Barreto den gastlichen
Hos Bartolomeos. Sie schlugen den Weg dnrch die Hauptstraße des Fleckens
nach dem Königspalaste ein, der, an die Bergwand gelehnt, in ernster Pracht
auf die Häuser und Gärten von Cintra herabschaute. Die Morgensonne blitzte in
den unabsehbaren Fensterreihen des Schlosses und umspielte Säulen und Simse.
Camoens richtete seine Blicke unverwandt nach dem mächtigen Bau und seinen
breiten, mit hochstämmigen Laubbäumen bepflanzten Terrassen, So lange war


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[0196] Camoens. daß Euer Stolz die Annahme solcher Gabe verschmäht, Wohl aber müßt Ihr mir erlauben, daß ich Euch mit Hilfe einiger braven Bürger von Cintra aus¬ statte, ich stehe noch von Pcmtschim her in Eurer Schuld, Ihr dürft durchaus nicht trotzen, erinnert Euch nur, ich habe damals aus Eurer Beute die reichsten Gewänder und Seidenstoffe ohne ein Wort der Widerrede angenommen. Wie vielemale begehrt Ihr denn in Eurer Großmut Eure Schulden zurück¬ zuzahlen, Senhor Manuel? rief Camoens. Doch Ihr habt mir heute schon einen so großen Dienst geleistet, daß der kleinere daneben kaum in Anschlag kommt — ich füge mich Euerm freundschaftlichen Willen. Jetzt aber sagt mir, da Ihr doch schon ein Stück Tag hinter Euch habt, wißt Ihr auch bereits etwas von droben? Statt der Antwort trat Barreto vom Steingang in Camoens Schlafgemach und flüsterte ihm nur ein kurzes: Alles steht gut! zu. Dann fügte er laut hinzu: Wir haben einen langen Morgen vor uns, Freund Luis, erst um sechs Uhr will der König Euch und mich sehen. Wir thun vorher einen Ritt in die Berge? fragte Camoens, der den Blick des Freundes nach den Holzwänden, welche die einzelnen Gemächer von einander trennten, wohl verstanden hatte. Ich denke nicht, Luis! gab Barreto jetzt laut zur Antwort. Wir müssen uns heute in Cintra halten, und bevor Ihr den König sehen könnt, einigen Herren, die um ihn sind, die schuldige Ehrerbietung erweisen. Unsre Freunde in Santa Cruz können wir an jedem andern Tage besuchen, das alte Kloster steht fest, und wir finden es immer wieder. Camoens, der sich inzwischen angekleidet hatte, ließ das Gespräch fallen, er begriff jetzt völlig die Meinung Barretos. Der Zufall schien auch die Vorsicht desselben rechtfertigen zu wollen. Denn in dem Augenblicke, wo die beiden Freunde aus der Thür auf den Gang traten, verließen ihre Nachbarn, die Spanier von der Gesandtschaft, ihre Gemächer und schritten der großen Außen¬ treppe zu. Sie grüßten, als sie Varretos und Camoens' ansichtig wurden, mit zurückhaltender Würde und trugen völlige Gleichgiltigkeit zur Schau, sodaß Camoens mit halb ungläubiger Miene den ältern Freund hinter den verschwin¬ denden Spaniern dreinmurmeln hörte: Sie wissen alles und fangen alles auf, und wenn Ihr im Traum gesprochen habt, Luis, so ists bei ihnen gebucht! Laßt uns einen Morgentrunk thun und darnach das Freie suchen! Eine halbe Stunde später verließen Camoens und Barreto den gastlichen Hos Bartolomeos. Sie schlugen den Weg dnrch die Hauptstraße des Fleckens nach dem Königspalaste ein, der, an die Bergwand gelehnt, in ernster Pracht auf die Häuser und Gärten von Cintra herabschaute. Die Morgensonne blitzte in den unabsehbaren Fensterreihen des Schlosses und umspielte Säulen und Simse. Camoens richtete seine Blicke unverwandt nach dem mächtigen Bau und seinen breiten, mit hochstämmigen Laubbäumen bepflanzten Terrassen, So lange war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/196>, abgerufen am 05.02.2025.