Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Ungehaltene Reden eines Nichtgowählten, die Welt im Materialismus und Byzantinismus versinken, wir halten die Sie fragen, was wir denn an Stelle des Branntweinmonopols vorschlagen Da ich eben das Wort habe, will ich mir noch erlauben, den Antrag auf "Einziger Paragraph. Wer einem Arbeiter, welcher zu einer der oppo¬ Da giebt es keine Hinterthür, keine Ausrede, und zugleich ist ein viel ent- Ungehaltene Reden eines Nichtgowählten, die Welt im Materialismus und Byzantinismus versinken, wir halten die Sie fragen, was wir denn an Stelle des Branntweinmonopols vorschlagen Da ich eben das Wort habe, will ich mir noch erlauben, den Antrag auf „Einziger Paragraph. Wer einem Arbeiter, welcher zu einer der oppo¬ Da giebt es keine Hinterthür, keine Ausrede, und zugleich ist ein viel ent- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197613"/> <fw type="header" place="top"> Ungehaltene Reden eines Nichtgowählten,</fw><lb/> <p xml:id="ID_561" prev="#ID_560"> die Welt im Materialismus und Byzantinismus versinken, wir halten die<lb/> Standarte der Freiheit hoch und lassen uns nicht das letzte, höchste Gut noch<lb/> rauben — die Schnapsfreiheit!</p><lb/> <p xml:id="ID_562"> Sie fragen, was wir denn an Stelle des Branntweinmonopols vorschlagen<lb/> würden. Aber wie oft soll denn wiederholt werden, daß wir nicht dazu da<lb/> sind, den lHerreu Ministern Ideen zu liefern. Unsre Sache ist es, nein zu<lb/> sagen, und das thun wir. Außerdem habe ich bereits auseinandergesetzt, daß<lb/> es uns garnicht einfallen kann, das Reich finanziell uunbhängig zu machen.<lb/> Also zerbrechen Sie sich nicht weiter den Kopf, meine Herren Staatssekretäre<lb/> und Bnudesbevollmächtigten, wir würden alles verwerfen, was Sie aussinnen<lb/> mögen. Und wenn Sie sich darüber ärgern: des Beifalls des Herrn DerouKde<lb/> sind wir gewiß!</p><lb/> <p xml:id="ID_563"> Da ich eben das Wort habe, will ich mir noch erlauben, den Antrag auf<lb/> Bestrafung des Arbeitgebers, der einem Arbeiter wegen der Stimmenabgabe bei<lb/> einer Wahl kündigt, aufs wärmste zu begrüßen, aber auch gleich auf einige<lb/> Mängel desselben hinzuweisen. Wie er jetzt lautet, ist er zu weit und zu eng.<lb/> Darnach versiele z. B. auch ein fortschrittlicher und ein ultramontaner Fabrikant<lb/> der Strafe, wenn sie Arbeiter entließen, weil sie national gestimmt hätten, und<lb/> das werden Sie doch nicht wollen. Auf der andern Seite würde sich das Gesetz<lb/> leicht umgehen lassen. Wie wollen Sie dem Arbeitgeber beweisen, daß er gerade<lb/> deswegen kündigt, wenn er es nicht ausdrücklich sagt? Durchblicken lassen kann<lb/> er es trotzdem und so seineu Zweck doch und ungestraft erreichen. Deshalb<lb/> schlage ich vor, das Gesetz ganz kurz so zu fassen:</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> „Einziger Paragraph. Wer einem Arbeiter, welcher zu einer der oppo¬<lb/> sitionellen Parteien hält, vor, während oder nach einer Wahl kündigt, wird mit<lb/> Zuchthausstrafe uicht unter zehn Jahren bestraft."</p><lb/> <p xml:id="ID_565"> Da giebt es keine Hinterthür, keine Ausrede, und zugleich ist ein viel ent-<lb/> schiednerer Schritt zur Lösung der sozialen Frage gethan, als dnrch die ganze<lb/> Sozialreform. Der radikale und der ultramontane Arbeiter ist fiir sein Leben<lb/> versorgt und doch dabei völlig unabhängig, ein freier Mann, braucht nicht seiner<lb/> Manneswürde dadurch etwas zu vergeben, daß er durch Fleiß und gute Sitten<lb/> um die Gunst seiner Vorgesetzten buhlt. Und auf die übrigen kommt es<lb/> natürlich nicht an.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
Ungehaltene Reden eines Nichtgowählten,
die Welt im Materialismus und Byzantinismus versinken, wir halten die
Standarte der Freiheit hoch und lassen uns nicht das letzte, höchste Gut noch
rauben — die Schnapsfreiheit!
Sie fragen, was wir denn an Stelle des Branntweinmonopols vorschlagen
würden. Aber wie oft soll denn wiederholt werden, daß wir nicht dazu da
sind, den lHerreu Ministern Ideen zu liefern. Unsre Sache ist es, nein zu
sagen, und das thun wir. Außerdem habe ich bereits auseinandergesetzt, daß
es uns garnicht einfallen kann, das Reich finanziell uunbhängig zu machen.
Also zerbrechen Sie sich nicht weiter den Kopf, meine Herren Staatssekretäre
und Bnudesbevollmächtigten, wir würden alles verwerfen, was Sie aussinnen
mögen. Und wenn Sie sich darüber ärgern: des Beifalls des Herrn DerouKde
sind wir gewiß!
Da ich eben das Wort habe, will ich mir noch erlauben, den Antrag auf
Bestrafung des Arbeitgebers, der einem Arbeiter wegen der Stimmenabgabe bei
einer Wahl kündigt, aufs wärmste zu begrüßen, aber auch gleich auf einige
Mängel desselben hinzuweisen. Wie er jetzt lautet, ist er zu weit und zu eng.
Darnach versiele z. B. auch ein fortschrittlicher und ein ultramontaner Fabrikant
der Strafe, wenn sie Arbeiter entließen, weil sie national gestimmt hätten, und
das werden Sie doch nicht wollen. Auf der andern Seite würde sich das Gesetz
leicht umgehen lassen. Wie wollen Sie dem Arbeitgeber beweisen, daß er gerade
deswegen kündigt, wenn er es nicht ausdrücklich sagt? Durchblicken lassen kann
er es trotzdem und so seineu Zweck doch und ungestraft erreichen. Deshalb
schlage ich vor, das Gesetz ganz kurz so zu fassen:
„Einziger Paragraph. Wer einem Arbeiter, welcher zu einer der oppo¬
sitionellen Parteien hält, vor, während oder nach einer Wahl kündigt, wird mit
Zuchthausstrafe uicht unter zehn Jahren bestraft."
Da giebt es keine Hinterthür, keine Ausrede, und zugleich ist ein viel ent-
schiednerer Schritt zur Lösung der sozialen Frage gethan, als dnrch die ganze
Sozialreform. Der radikale und der ultramontane Arbeiter ist fiir sein Leben
versorgt und doch dabei völlig unabhängig, ein freier Mann, braucht nicht seiner
Manneswürde dadurch etwas zu vergeben, daß er durch Fleiß und gute Sitten
um die Gunst seiner Vorgesetzten buhlt. Und auf die übrigen kommt es
natürlich nicht an.
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