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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Die hannoverscho Gesellschaft,

Bestie, welche in jedem englischen Soldaten schlummert, damals vollständig ans
Licht des Tages trat. Kaum gelang es später der eisernen Hand des Herzogs
von Wellington, sie zu zähmen; der damalige Oberbefehlshaber des alliirten
Heeres, der noch sehr junge Herzog von Dort, war aber umso weniger dazu
geeignet, als es ihm an der nötigen Erfahrung und Energie fehlte, und er es
verschmähte, auf den Rat alter erprobter Krieger, wie des Feldmarschalls von
Frehtag, zu hören.

Im Zeltlager vor Valenciennes äußerte sich einer der beiden genannten
hannoverschen Gardeoffiziere tadelnd über das Betragen der englischen Soldateska.
Es ward dem Herzog hinterbracht, doch war ihnen wegen dieser Äußerung
nicht beizukommen. So griff man denn auf die unvorsichtigen Redensarten
während jener gemischten Soireen zu Hannover zurück, und der Herzog vou
Jork erteilte unterm 5. Juli 1793 beiden den Befehl, sich in das Land zurück
zu begeben und sich dort zum Dienst zu melden.

Infolge wiederholter Anregung ihrerseits wurden sie später vor ein Kriegs¬
gericht gestellt, welches unter dem Präsidium des Generalmajors von Wangen¬
heim am 2. Juni 1794 zu Bruges in den Niederlanden abgehalten wurde. Es
entband sie von der gegen sie angeordneten gerichtlichen Untersuchung, sprach
sie also frei. Georg III. bestätigte von Se. James aus unterm 1. August 1794
diese kriegsgerichtliche Entscheidung, befahl aber auch, beiden Kapitänen bei Er-
öffnung des Kriegsrechtsspruches mitzuteilen, daß Se. königliche Majestät geruht
habe, sie in Gnaden zu verabschieden und ihrer Dienste zu entlassen.

Sowohl der Hauptmann von Mecklenburg als der von Bülow versuchten
alles mögliche, diese Entscheidung rückgängig zu machen -- vergebens, trotzdem
daß dem erster" die Unterstützung seines Landesherrn, des Herzogs von Mecklen¬
burg-Schwerin, zuteil wurde. Da griffen beide zur Feder und schrieben kleine
Broschüren, in denen sie die ihnen widerfahrene Behandlung der Öffentlichkeit
übergaben. Man liest sie noch jetzt mit Interesse; genützt haben sie ihren Ver¬
fassern nichts. Sie haben dafür büßen müssen, daß sie über die Kvmmandvführung
eines königlichen Prinzen ein strenges, aber gerechtes Urteil gefällt hatten. Ans
den Versuch, beide Stände zu Hannover in gemeinsamer Geselligkeit zu einen,
wirkte der ganze Vorfall höchst ungünstig. Der Versuch wurde zwar nicht gleich
aufgegeben, litt aber unter dem Verdachte, daß jakobinische Grundsätze durch ihn
verbreitet würden, und ging daran zu Grunde.

König Georg V., der nach verschiednen Seiten hin die altüberlieferten
starren Formen der Hofetikette zu lockern suchte, wiederholte den Versuch, wenn
auch in andrer Form, in jenen Gesellschaften, welche er, nachdem die Prinzessinnen
Töchter erwachsen waren, zwar nicht im Schlosse, doch aber im Palais des
Georgengartens zu geben pflegte. Zu ihnen wurden anch die Frauen und
Töchter bürgerlicher Beamten und Offiziere befohlen. Dem Adel, der stolz auf
seine alten, bis in die neueste Zeit nur selten durch eine Mesalliance getrübten


Die hannoverscho Gesellschaft,

Bestie, welche in jedem englischen Soldaten schlummert, damals vollständig ans
Licht des Tages trat. Kaum gelang es später der eisernen Hand des Herzogs
von Wellington, sie zu zähmen; der damalige Oberbefehlshaber des alliirten
Heeres, der noch sehr junge Herzog von Dort, war aber umso weniger dazu
geeignet, als es ihm an der nötigen Erfahrung und Energie fehlte, und er es
verschmähte, auf den Rat alter erprobter Krieger, wie des Feldmarschalls von
Frehtag, zu hören.

Im Zeltlager vor Valenciennes äußerte sich einer der beiden genannten
hannoverschen Gardeoffiziere tadelnd über das Betragen der englischen Soldateska.
Es ward dem Herzog hinterbracht, doch war ihnen wegen dieser Äußerung
nicht beizukommen. So griff man denn auf die unvorsichtigen Redensarten
während jener gemischten Soireen zu Hannover zurück, und der Herzog vou
Jork erteilte unterm 5. Juli 1793 beiden den Befehl, sich in das Land zurück
zu begeben und sich dort zum Dienst zu melden.

Infolge wiederholter Anregung ihrerseits wurden sie später vor ein Kriegs¬
gericht gestellt, welches unter dem Präsidium des Generalmajors von Wangen¬
heim am 2. Juni 1794 zu Bruges in den Niederlanden abgehalten wurde. Es
entband sie von der gegen sie angeordneten gerichtlichen Untersuchung, sprach
sie also frei. Georg III. bestätigte von Se. James aus unterm 1. August 1794
diese kriegsgerichtliche Entscheidung, befahl aber auch, beiden Kapitänen bei Er-
öffnung des Kriegsrechtsspruches mitzuteilen, daß Se. königliche Majestät geruht
habe, sie in Gnaden zu verabschieden und ihrer Dienste zu entlassen.

Sowohl der Hauptmann von Mecklenburg als der von Bülow versuchten
alles mögliche, diese Entscheidung rückgängig zu machen — vergebens, trotzdem
daß dem erster» die Unterstützung seines Landesherrn, des Herzogs von Mecklen¬
burg-Schwerin, zuteil wurde. Da griffen beide zur Feder und schrieben kleine
Broschüren, in denen sie die ihnen widerfahrene Behandlung der Öffentlichkeit
übergaben. Man liest sie noch jetzt mit Interesse; genützt haben sie ihren Ver¬
fassern nichts. Sie haben dafür büßen müssen, daß sie über die Kvmmandvführung
eines königlichen Prinzen ein strenges, aber gerechtes Urteil gefällt hatten. Ans
den Versuch, beide Stände zu Hannover in gemeinsamer Geselligkeit zu einen,
wirkte der ganze Vorfall höchst ungünstig. Der Versuch wurde zwar nicht gleich
aufgegeben, litt aber unter dem Verdachte, daß jakobinische Grundsätze durch ihn
verbreitet würden, und ging daran zu Grunde.

König Georg V., der nach verschiednen Seiten hin die altüberlieferten
starren Formen der Hofetikette zu lockern suchte, wiederholte den Versuch, wenn
auch in andrer Form, in jenen Gesellschaften, welche er, nachdem die Prinzessinnen
Töchter erwachsen waren, zwar nicht im Schlosse, doch aber im Palais des
Georgengartens zu geben pflegte. Zu ihnen wurden anch die Frauen und
Töchter bürgerlicher Beamten und Offiziere befohlen. Dem Adel, der stolz auf
seine alten, bis in die neueste Zeit nur selten durch eine Mesalliance getrübten


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[0018] Die hannoverscho Gesellschaft, Bestie, welche in jedem englischen Soldaten schlummert, damals vollständig ans Licht des Tages trat. Kaum gelang es später der eisernen Hand des Herzogs von Wellington, sie zu zähmen; der damalige Oberbefehlshaber des alliirten Heeres, der noch sehr junge Herzog von Dort, war aber umso weniger dazu geeignet, als es ihm an der nötigen Erfahrung und Energie fehlte, und er es verschmähte, auf den Rat alter erprobter Krieger, wie des Feldmarschalls von Frehtag, zu hören. Im Zeltlager vor Valenciennes äußerte sich einer der beiden genannten hannoverschen Gardeoffiziere tadelnd über das Betragen der englischen Soldateska. Es ward dem Herzog hinterbracht, doch war ihnen wegen dieser Äußerung nicht beizukommen. So griff man denn auf die unvorsichtigen Redensarten während jener gemischten Soireen zu Hannover zurück, und der Herzog vou Jork erteilte unterm 5. Juli 1793 beiden den Befehl, sich in das Land zurück zu begeben und sich dort zum Dienst zu melden. Infolge wiederholter Anregung ihrerseits wurden sie später vor ein Kriegs¬ gericht gestellt, welches unter dem Präsidium des Generalmajors von Wangen¬ heim am 2. Juni 1794 zu Bruges in den Niederlanden abgehalten wurde. Es entband sie von der gegen sie angeordneten gerichtlichen Untersuchung, sprach sie also frei. Georg III. bestätigte von Se. James aus unterm 1. August 1794 diese kriegsgerichtliche Entscheidung, befahl aber auch, beiden Kapitänen bei Er- öffnung des Kriegsrechtsspruches mitzuteilen, daß Se. königliche Majestät geruht habe, sie in Gnaden zu verabschieden und ihrer Dienste zu entlassen. Sowohl der Hauptmann von Mecklenburg als der von Bülow versuchten alles mögliche, diese Entscheidung rückgängig zu machen — vergebens, trotzdem daß dem erster» die Unterstützung seines Landesherrn, des Herzogs von Mecklen¬ burg-Schwerin, zuteil wurde. Da griffen beide zur Feder und schrieben kleine Broschüren, in denen sie die ihnen widerfahrene Behandlung der Öffentlichkeit übergaben. Man liest sie noch jetzt mit Interesse; genützt haben sie ihren Ver¬ fassern nichts. Sie haben dafür büßen müssen, daß sie über die Kvmmandvführung eines königlichen Prinzen ein strenges, aber gerechtes Urteil gefällt hatten. Ans den Versuch, beide Stände zu Hannover in gemeinsamer Geselligkeit zu einen, wirkte der ganze Vorfall höchst ungünstig. Der Versuch wurde zwar nicht gleich aufgegeben, litt aber unter dem Verdachte, daß jakobinische Grundsätze durch ihn verbreitet würden, und ging daran zu Grunde. König Georg V., der nach verschiednen Seiten hin die altüberlieferten starren Formen der Hofetikette zu lockern suchte, wiederholte den Versuch, wenn auch in andrer Form, in jenen Gesellschaften, welche er, nachdem die Prinzessinnen Töchter erwachsen waren, zwar nicht im Schlosse, doch aber im Palais des Georgengartens zu geben pflegte. Zu ihnen wurden anch die Frauen und Töchter bürgerlicher Beamten und Offiziere befohlen. Dem Adel, der stolz auf seine alten, bis in die neueste Zeit nur selten durch eine Mesalliance getrübten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/18>, abgerufen am 05.02.2025.