Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Agitationen auf dem Gebiete der höheren Schulen. will, daß es einige Methoden giebt, um sich dabei vor Irrtümern zu schützen, Also, wie gesagt, die Sache ist Angelegenheit des politisch-sozialen modernen Ganz gleichgiltig ist es freilich nicht, ob wir die Resignation, die wir Grenzbowi I. 1886. 22
Agitationen auf dem Gebiete der höheren Schulen. will, daß es einige Methoden giebt, um sich dabei vor Irrtümern zu schützen, Also, wie gesagt, die Sache ist Angelegenheit des politisch-sozialen modernen Ganz gleichgiltig ist es freilich nicht, ob wir die Resignation, die wir Grenzbowi I. 1886. 22
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Agitationen auf dem Gebiete der höheren Schulen.
will, daß es einige Methoden giebt, um sich dabei vor Irrtümern zu schützen,
ist natürlich diesen Rechnern nicht unbekannt, aber man setzt sich der guten
Sache wegen über dergleichen hinweg, und es ist auch am besten. Denn das
ganze Thema ist unfruchtbar auf beiden Seiten, Was soll man denn zum z. B.
aus dem Faktum, das von gymnasialer Seite einst angeführt wurde, lernen,
daß von mehr als zwanzig englischen Marineoffizieren, die in Odessa gefangen
waren, nur ein einziger etwas Französisch verstand? Soll man aus dem Um¬
stände, daß alle diese Offiziere sehr tiichtig waren, den Unwert französischer
Bildung ableiten? Es wäre doch zu spaßhaft.
Also, wie gesagt, die Sache ist Angelegenheit des politisch-sozialen modernen
Interesses. Die sie betreiben, sind fast nie imstande, sich von dem verhältnis¬
mäßigen Bildungswerte der Objekte auch nur eine Idee zu bilden. Es ist über¬
haupt sehr zweifelhaft, ob die Wissenschaft schon so weit ist, diese Untersuchung
mit gutem Genüssen anzustellen. Unsre Psychologie ist in einem sehr kindlichen
Zustande, wenn man sich auf ihre pädagogische Anwendung einläßt. Allerdings
braucht das nicht so zu bleiben, aber vorläufig ist es so. Und über formale
Bildung, über allgemeine Bildung kann man heutzutage, wie auch in Bochum
zugegeben wurde, nichts erhebliches sagen. Es geht damit wie mit dem, was
man Talent nennt; daß es etwas der Art giebt, ist unzweifelhaft, aber niemand
kann uns genauer sagen, was es ist.
Ganz gleichgiltig ist es freilich nicht, ob wir die Resignation, die wir
in Bezug auf den Bildnngswcrt der Objekte üben, so oder so erklären. Sagen
wir, es gebe einen Unterschied zwischen der Bildung dnrch Menschliches, Huma¬
nistisches, wie Religion, Sprache, Geschichte, und durch Natürliches, wie Natur¬
lehre, Naturkunde und Mathematik, und es sei auch ein andres Bildungsresultat
zu erwarten von dem Betriebe des Griechischen und dem des Englischen, aber
wir könnten mit unsern Mitteln diese Unterschiede nicht hinlänglich aufklären,
so kommen wir wenigstens nicht in die Lage, den Wert eines Bildungsganges
nach seiner Zeitdauer abzuschätzen, wie es in Bochum von einem Redner so
ziemlich geschah (S. 11) in den Worten: „Also das ist zunächst sür mich die
Hauptsache, wenn ich an die Bcrechtigungsfrage herantrete: Welches ist das
allgemeinste Moment? und da sage ich, das ist die Zeit, folglich muß ich zu¬
nächst sagen, die gleiche Schulzeit an humanistischen Schulen erfordert auch
dieselbe Gleichberechtigung." Dieser Maßstab fand lebhaften Beifall. Der Redner
führte zwar neben dem Faktor der Zeit des Kursus noch die Methode und die
Lchrobjekte auf. Aber davon hat er es nicht für gut gefunden, seinen Zuhörern
etwas Verständiges mitzuteilen; der Bericht wenigstens sagt nur, daß in beiden
Arten von Schulen die „philologische" Methode herrsche; bei dem Lehrobjekte
vollends, wo man etwas ordentliches zu hören wünschte, wird man sehr in seinen Er¬
wartungen getäuscht. Der Redner beginnt damit, zu sagen, daß er, der Philologe,
der dreißig Jahre Griechisch getrieben, es noch nicht vermöge, das Griechische so
Grenzbowi I. 1886. 22
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