Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die Religion dos pantheisirendcn Materialismus. keiner Recht zu geben, vielmehr über der Religion stehend zu fragen, was der Diese Fragestellung ist doch wohl bedenklich schief, da sie unter dem Von seiner Voraussetzung ausgehend, schreibt nnn der Verfasser eine Nach Vender ist die religiöse Praxis eine eigentümliche Bethätigung des *) Bedingt? Der Verf. meint wohl bewirkt?
Die Religion dos pantheisirendcn Materialismus. keiner Recht zu geben, vielmehr über der Religion stehend zu fragen, was der Diese Fragestellung ist doch wohl bedenklich schief, da sie unter dem Von seiner Voraussetzung ausgehend, schreibt nnn der Verfasser eine Nach Vender ist die religiöse Praxis eine eigentümliche Bethätigung des *) Bedingt? Der Verf. meint wohl bewirkt?
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Die Religion dos pantheisirendcn Materialismus.
keiner Recht zu geben, vielmehr über der Religion stehend zu fragen, was der
Mensch überhaupt mit der Religion wolle, wie sie entstehe, was sie bezwecke,
was sie ihm leisten könne und was nicht.
Diese Fragestellung ist doch wohl bedenklich schief, da sie unter dem
Scheine der Objektivität die subjektive Voraussetzung einführt, die Religion, sei
nur eine menschliche Kulturform, entstanden oder erfunden, um gewissen Be¬
dürfnissen Genüge zu thun.
Von seiner Voraussetzung ausgehend, schreibt nnn der Verfasser eine
NeligionSpsychvlogie, wobei ihm die verschiednen Religionen das Untersuchungs¬
material darbieten und wobei das Christentum in dieselbe Reihe wie die
Buddha- oder Brahmareligivn tritt. Zugestanden wird, daß der christliche
Glaube den relativ höchsten Standpunkt einnehme und dem psychischen Be¬
dürfnisse am meisten entspreche.
Nach Vender ist die religiöse Praxis eine eigentümliche Bethätigung des
Selbsterhaltungstriebes. Der Wunsch, in dem Kampfe ums Dasein Hilfe zu er¬
halte», läßt das Gebet entstehen. Die „Wunschwesen," die Götter werden, jedoch
nicht allein zur Befriedigung egoistischer, ans materielle Gegenstände gerichteten
Begierden angerufen, sondern auch für die Erreichung ideeller Ziele, für die Ge¬
winnung der persönlichen Seligkeit. Auch hier tritt Gebet und Opfer auf, wo
der Mensch an der Grenze seiner Kraft angelangt ist. Die religiöse Praxis ist
die Selbsthingebung an Gott — nicht die selbstlose, sondern eine solche, welche
Gewinn sucht, in dem sie auf eigne Kraft oder Einsicht verzichtet. Der Kultus
ist das Shstem von Garantien und Vermittlungen übermenschlicher Hilfe, zugleich
auch der Kanon der Bedingungen, unter welchen die Glückseligkeit erlangt wird.
Die Verschiedenheit der Kultussysteme wird bedingt") durch die konkrete Vor¬
stellung von der Bestimmung, dein Lebenszweck, dem Lebensideal, welches dem
Einzelnen oder den Völkern oder ganzen Völkergrnppen vorschwebt. Handelt
es sich bei der Anbetung um die praktische Erlösung von den Schranken, melche
sich der Durchführung der menschlichen Lebensaufgaben in den Weg stellen, so
beim Glauben um die theoretische Erlösung vom Drucke des Weltrütsels oder
um eine solche Beurteilung der Welt, welche die Erreichbarkeit der menschlichen
Lebensinteressen als möglich, wahrscheinlich und gewiß erscheinen läßt. Hieraus
entspringt der Anspruch des Glaubens, zugleich Universalwissenschaft zu sein.
Die Metaphysik tritt als el» förmliches Konkurrenzunternehmen neben der
religiösen Weltanschauung ans, und es erhebt sich ein Streit, der an¬
scheinend mit der Vernichtung des einen oder andern Teiles enden muß. Hierbei
wird sich die Religion nur zu erhalten vermögen, wenn sie das dem Wissen ge¬
bührende Gebiet preisgiebt. Die Entwicklung der Religion fällt weder mit der
der Kultur noch mit der der Moral zusammen. Im Protestantismus hat sich
*) Bedingt? Der Verf. meint wohl bewirkt?
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