Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.müden, wie es die verschiednen Verbindungen, die es eingeht, erfordern. Das¬ Dagegen kommt jedem Volke bei der Erlernung einer fremden Sprache oft In dieser Beziehung gereichen dem, der eine fremde Sprache lernt, sogar Gerade die deutsche Sprache zeigt in der Schriftsprache sowohl wie in den Wenn man dagegen die Wortbildung in Betracht zieht, so ist die Aufgabe müden, wie es die verschiednen Verbindungen, die es eingeht, erfordern. Das¬ Dagegen kommt jedem Volke bei der Erlernung einer fremden Sprache oft In dieser Beziehung gereichen dem, der eine fremde Sprache lernt, sogar Gerade die deutsche Sprache zeigt in der Schriftsprache sowohl wie in den Wenn man dagegen die Wortbildung in Betracht zieht, so ist die Aufgabe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197586"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_474" prev="#ID_473"> müden, wie es die verschiednen Verbindungen, die es eingeht, erfordern. Das¬<lb/> selbe ist aber auch mit den Konsonanten der Fall; gerade wenn man die Aus¬<lb/> sprache des Englischen in Betracht zieht, erkennt mau recht deutlich, daß es<lb/> keineswegs genügt, gewisse Kvnsonantenverbindnngcn in der Muttersprache zu<lb/> beherrschen, um auch sofort andre aus der fremden Sprache zu überwinden.<lb/> Nur das, was vollkommen dasselbe ist, wird sofort angeeignet; alle Abweichungen<lb/> und alle Schattirungen müsse» durch neue Anstrengung überwunden werden.<lb/> Auch die französischen nasale und die italienischen Zischlaute machen dem Deutschen<lb/> zu schaffen, eben weil sie für ihn als neue, bisher unbekannte Elemente erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> Dagegen kommt jedem Volke bei der Erlernung einer fremden Sprache oft<lb/> der Dialekt der Muttersprache zu Hilfe. Die Dialekte umfassen mannichfaltige<lb/> Variationen von Vokalen und Konsonanten, die durch die Schriftsprache nicht<lb/> bezeichnet, also durch die Schriftzeichen nicht gedeckt werden. Die Sprachorgane<lb/> sind aber darauf eingeübt, und diese Übung giebt das Gefühl, daß gewisse Laute<lb/> der fremden Sprache sofort oder wenigstens ohne Mühe beherrscht werden,<lb/> obgleich die Muttersprache in der Schrift jene Laute nicht bezeichnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_476"> In dieser Beziehung gereichen dem, der eine fremde Sprache lernt, sogar<lb/> die verdorbnen Wörter seines eignen Dialektes zum Vorteile, insofern die Be¬<lb/> herrschung derartiger dialektischer Zusammenziehungen, Abkürzungen und Hcirteu<lb/> uus befähigt, ähnliche Verbindungen und Gruppirungen der fremden Silben<lb/> leichter auszusprechen, als ohne vorhergehende EinÜbungen dieser Art.</p><lb/> <p xml:id="ID_477"> Gerade die deutsche Sprache zeigt in der Schriftsprache sowohl wie in den<lb/> Dialekten in der Vereinigung und Zusammenziehung der Elementarlaute zu<lb/> Silben einen solchen Reichtum wie kaum eine andre. Vor allem zeichnen sich viele<lb/> Silben durch einen besoudevu Kraftaufwand aus; es vereinigen sich Vokale und<lb/> Konsonanten zu Silben, die behufs ihrer Hervorbringung durch die Sprachorgane<lb/> sehr viel mechanische Arbeit erfordern. So kommen z. B. gleich in dein Worte<lb/> Kraft Buchstaben vor, die von der Kehle bis zu den Zähnen und Lippen alle<lb/> Muudteile in Bewegung setzen. Es ist also einleuchtend, daß der Deutsche imstande<lb/> ist, derartige Verbindungen mich in den fremden Sprachen mit seinem Sprach¬<lb/> organe hervorzubringen und den seinigen sofort anzupassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_478" next="#ID_479"> Wenn man dagegen die Wortbildung in Betracht zieht, so ist die Aufgabe<lb/> für den Deutschen nicht so leicht. Die deutsche Sprache hat verhältnismäßig<lb/> wenig Suffixe, die noch lebendig in die Wortbildung eingreife»; umso reicher<lb/> ist sie i» der Art und Anzahl der Zusammensetzungen aus selbständigen Wörtern.<lb/> Dies verschafft der Sprache große Klarheit und Anschaulichkeit, macht aber die<lb/> Deutschen weniger geschickt für die Auffassung solcher fremde» Wörter, die aus<lb/> sogenannte» Stammwörtern und oft mehrfach verschmölze»?» Suffixen zu¬<lb/> sammengesetzt sind. Die letztem erscheinen in der Schrift so kurz und für das<lb/> Ohr so flüchtig, daß für Deutsche große Übung zu ihrer Auffassung und An¬<lb/> wendung erforderlich ist, weil sich fremde Elemente dieser Art mit deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
müden, wie es die verschiednen Verbindungen, die es eingeht, erfordern. Das¬
selbe ist aber auch mit den Konsonanten der Fall; gerade wenn man die Aus¬
sprache des Englischen in Betracht zieht, erkennt mau recht deutlich, daß es
keineswegs genügt, gewisse Kvnsonantenverbindnngcn in der Muttersprache zu
beherrschen, um auch sofort andre aus der fremden Sprache zu überwinden.
Nur das, was vollkommen dasselbe ist, wird sofort angeeignet; alle Abweichungen
und alle Schattirungen müsse» durch neue Anstrengung überwunden werden.
Auch die französischen nasale und die italienischen Zischlaute machen dem Deutschen
zu schaffen, eben weil sie für ihn als neue, bisher unbekannte Elemente erscheinen.
Dagegen kommt jedem Volke bei der Erlernung einer fremden Sprache oft
der Dialekt der Muttersprache zu Hilfe. Die Dialekte umfassen mannichfaltige
Variationen von Vokalen und Konsonanten, die durch die Schriftsprache nicht
bezeichnet, also durch die Schriftzeichen nicht gedeckt werden. Die Sprachorgane
sind aber darauf eingeübt, und diese Übung giebt das Gefühl, daß gewisse Laute
der fremden Sprache sofort oder wenigstens ohne Mühe beherrscht werden,
obgleich die Muttersprache in der Schrift jene Laute nicht bezeichnet.
In dieser Beziehung gereichen dem, der eine fremde Sprache lernt, sogar
die verdorbnen Wörter seines eignen Dialektes zum Vorteile, insofern die Be¬
herrschung derartiger dialektischer Zusammenziehungen, Abkürzungen und Hcirteu
uus befähigt, ähnliche Verbindungen und Gruppirungen der fremden Silben
leichter auszusprechen, als ohne vorhergehende EinÜbungen dieser Art.
Gerade die deutsche Sprache zeigt in der Schriftsprache sowohl wie in den
Dialekten in der Vereinigung und Zusammenziehung der Elementarlaute zu
Silben einen solchen Reichtum wie kaum eine andre. Vor allem zeichnen sich viele
Silben durch einen besoudevu Kraftaufwand aus; es vereinigen sich Vokale und
Konsonanten zu Silben, die behufs ihrer Hervorbringung durch die Sprachorgane
sehr viel mechanische Arbeit erfordern. So kommen z. B. gleich in dein Worte
Kraft Buchstaben vor, die von der Kehle bis zu den Zähnen und Lippen alle
Muudteile in Bewegung setzen. Es ist also einleuchtend, daß der Deutsche imstande
ist, derartige Verbindungen mich in den fremden Sprachen mit seinem Sprach¬
organe hervorzubringen und den seinigen sofort anzupassen.
Wenn man dagegen die Wortbildung in Betracht zieht, so ist die Aufgabe
für den Deutschen nicht so leicht. Die deutsche Sprache hat verhältnismäßig
wenig Suffixe, die noch lebendig in die Wortbildung eingreife»; umso reicher
ist sie i» der Art und Anzahl der Zusammensetzungen aus selbständigen Wörtern.
Dies verschafft der Sprache große Klarheit und Anschaulichkeit, macht aber die
Deutschen weniger geschickt für die Auffassung solcher fremde» Wörter, die aus
sogenannte» Stammwörtern und oft mehrfach verschmölze»?» Suffixen zu¬
sammengesetzt sind. Die letztem erscheinen in der Schrift so kurz und für das
Ohr so flüchtig, daß für Deutsche große Übung zu ihrer Auffassung und An¬
wendung erforderlich ist, weil sich fremde Elemente dieser Art mit deutschen
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